Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann страница 23
»Hab' ich dich endlich – du Hurensohn! – du garstiger, du geliebter Montiel! Jetzt lasse ich dich nicht mehr, o mein Sohn Montiel – mein guter Junge, habe ich dich endlich!« –
So schrie die schnarrende Stimme des Ungetüms mir in die Ohren! – Ach, ich war außer mir selbst – das verfluchteste Ungeheuer der Hölle, die verdammte Cannizares war's, die auf meinen Rücken gesprungen, mich fest umklammert hielt – mein Atem stockte. – Mit dem besten Häscherhauptmann und seinen Gesellen hätte ich es, wohlgefüttert und stark wie ich war, aufgenommen, allein hier sank mein Mut! – O daß dich Beelzebub tausendmal in seinem Schwefelpfuhl ertränkt hätte! – – Ich fühlte den ekelhaften Leichnam, wie er sich in meine Rippen einnistete. – Die Brüste schlotterten gleich ledernen Beuteln am Halse herunter, indem die langen winddürren Beine nachschleppten und das zerrissene Gewand sich um meine Pfoten schlang. – O des entsetzlichen unglückseligen Augenblicks! –
Ich. Wie, Berganza – deine Stimme stockt – ich sehe Tränen in deinen Augen? – Kannst du denn weinen? – Hast du uns das abgelernt, oder ist dir dieser Ausdruck des Schmerzes natürlich?
Berganza. Ich danke dir. Du hast so zu rechter Zeit meine Erzählung unterbrochen; gemildert ist der Eindruck der gräßlichen Szene, und ehe ich fortfahre, kann ich dir etwas von der Natur meiner lieben Brüder sagen, das du gut tätest, dir recht wohl zu merken. – Hast du denn noch nie einen Hund weinen gesehen? – Allerdings hat die Natur so wie euch auch uns mit eigner Ironie gezwungen, in dem feuchten Element des Wassers den Ausdruck der Rührung und des Schmerzes zu suchen, wogegen sie uns die Erschütterung des Zwerchfells, wodurch die närrischen Laute entstehen, welche ihr Lachen nennt, ganz versagt hat. Das Lachen muß daher wohl rein menschlicher sein als das Weinen. Aber gütig sind wir für euer Lachen durch einen besondern Organismus entschädigt, der den Teil unseres Körpers beseelt, welchen euch die Natur ganz versagt, oder, weil, wie manche Physiologen behaupten, ihr ihn, seine Zierde verkennend und verschmähend, beständig eigenmächtig weggeworfen habt, euch zuletzt entzogen hat. – Ich meine nichts anderes, als dasjenige hundertfach modifizierte Hin- und Herbewegen unseres Schweifes, wodurch wir alle Nuancen unseres Wohlgefallens von der leisesten Rührung der Lust bis zur ausgelassensten Freude zu bezeichnen wissen, und welches ihr schlecht genug: wedeln nennt. Adel der Seele – Hoheit – Stärke – Anmut und Grazie sprechen sich bei uns aus in dem Tragen des Schweifes, und sehr schön liegt auch daher in diesem Teil der Ausdruck unseres innern Wohlbefindens, sowie in dem gänzlichen Verstecken, Einklemmen desselben der Ausdruck der höchsten Angst, der qualvollsten Trauer – doch laß uns zu meinem gräßlichen Abenteuer zurückkehren. –
Ich. Deine Reflexion über dich und dein Geschlecht, lieber Berganza, zeugt von deinem philosophischen Geiste, und so lasse ich's mir wohl gefallen, daß du zuweilen die Geschichte unterbrichst.
Berganza. Immer mehr hoffe ich dich von dem Adel meines Geschlechts zu überzeugen. Ist dir nicht die den Katzen eigne Bewegung des Schweifes von jeher ängstlich, ja unerträglich gewesen? Liegt nicht in diesen gewundenen, spiralförmigen Drehungen der Ausdruck der verstellten Freundlichkeit, des versteckten tückischen Hohns, des verbissenen Hasses? – Und dagegen – mit welcher offenen Biederkeit, mit welchem unverstellten Frohsinn wedeln wir! – Bedenke das, mein Lieber, und schätze Hunde! –
Ich. Wie sollte ich das nicht! – Du, lieber Berganza, flößest mir eine wahre Ehrfurcht gegen dich und deinesgleichen ein, die ich zeitlebens nähren werde. Doch fahre jetzt in deiner schauerlichen Erzählung fort.
Berganza. Ich biß wütend um mich, ohne das Ungetüm zu verletzen. Hart an die Mauer mich drängend, trat ich endlich kräftig in das Gewand, das sich um meine Pfoten geschlungen hatte, und so gelang es mir, das Weib herabzuziehen. – Nun faßte ich mit den Zähnen ihren Arm – sie stieß einen entsetzlichen Schrei aus, und mit einem starken, kühnen Sprunge schleuderte ich sie weit hinter mir zurück.
Ich. Gott sei Dank, du bist erlöst.
Berganza. O höre nur weiter! – In voller Furie rannte ich nun bei dem Hospital vorbei zum Tore hinaus – fort – fort unaufhaltsam in die Nacht hinein. Von weitem glänzte mir ein Feuer entgegen, in drei Sprüngen war ich auf dem Kreuzwege, in dessen Mitte unter einem Dreifuß, auf dem ein seltsam geformter Kessel stand, das Feuer glühte, das ich schon in der Ferne gesehen. Eine ungeheure, in häßlichen glänzenden Farben gesprenkelte Kröte saß aufrecht bei dem Kessel und rührte mit einem langen Löffel darin, daß schäumend, zischend und prasselnd der kochende Gischt übergärte in die Flammen hinein, aus denen blutrote Funken emporfuhren, die in garstigen Gebilden zur Erde fielen. Eidechsen mit albern lachenden Menschengesichtern, spiegelglatte Iltisse, Mäuse mit Rabenköpfen, allerlei widriges Ungeziefer rannte wild durcheinander in immer enger und engeren Kreisen, und ein großer schwarzer Kater mit funkelnden Augen haschte gierig danach und schluckte knurrend den Fang herunter. – Wie festgezaubert stand ich da; eine Eiskälte glitt über mich hin, und ich fühlte, daß meine Haare sich sträubten wie Borsten. Die Kröte mit ihrem unwandelbaren Treiben und Rühren im Kessel, mit der Larve, die, etwas Menschliches in sich tragend, das Menschliche höhnte, war ein scheußlicher Anblick. – Aber über den Kater wollte ich her! Aus dem knurrenden, murrenden, schmeichelnden, schwänzelnden, falschen Geschlecht, das dir von Natur zuwider, dachte ich, ist dieser schwarze Kerl? und in dem Augenblick fühlte ich Mut, auch das Teuflische zu bekämpfen, da es sich in der Gestalt meines natürlichen Feindes darstellte. Ein Tritt – ein Biß, und der ganze Spuk ist vernichtet! Schon lauerte ich auf den günstigen Moment, wenn der Kater sich mir genug nahen würde, um ihn sicher und derb zu fassen, als eine kreischende Stimme durch die Lüfte fuhr: »Montiel! Montiel!«
Ich. Ach, Berganza! – ich merke Unrat. – Doch weiter.
Berganza. Du siehst, wie mich die Erzählung angreift; noch jetzt ist das Bild jener verhängnisvollen Nacht mir so lebhaft, als es je war, da meine Existenz – doch ich will nicht vorgreifen. –
Ich. So erzähle weiter. –
Berganza. Mein Freund! – es hört sich ganz bequem zu, aber der Erzähler keucht und schwitzt, um all die Wunder, all die seltsamen Abenteuer, von denen sein Gemüt befangen, gehörig in Worte und wohlgebaute Perioden zu fassen. – Ich fühle mich recht matt und sehne mich recht sehr nach einer wohlzubereiteten Bratwurst, meiner Lieblingsspeise; aber da das hier nun nicht zu erlangen, so muß ich nun freilich ohne alle Erquickung mein Abenteuer fortsetzen.
Ich. Ich bin begierig darauf, wiewohl ich mich eines geheimen Schauers nicht erwehren kann. Daß du sprichst, ist mir nun gar nichts Ungewöhnliches mehr, ich schaue nur immer in die Bäume, ob nicht so eine vertrackte Eidechse mit einem Menschengesicht herauslacht.
Berganza.