duftenden Brautgemach. Eine Alabasterlampe warf ihr mildes Licht auf die Gegenstände umher, und ich erblickte Cäciliens zierliche, mit Spitzen reich besetzte Nachtkleider, die auf dem Sofa ausgebreitet lagen. Nicht umhin konnte ich, sie mit Wohlgefallen zu beschnüffeln; indem hörte ich hastige Schritte in dem Nebenzimmer und eilte, mich in einem Winkel neben dem Brautbette zu verstecken. Cäcilia trat erhitzt hinein, Lisette folgte ihr, und in wenigen Minuten war das reiche Gewand mit dem einfachen Nachtkleide vertauscht. – Wie schön sie war! – Ich kroch leise winselnd hervor! – »Was, du da, mein treuer Hund?« rief sie, und meine plötzliche Erscheinung in dieser Stunde schien auf eine ganz eigne gespenstische Weise sie anzuregen, denn eine plötzliche Blässe überflog ihr Gesicht, und die Hand nach mir ausstreckend, schien sie sich überzeugen zu wollen, ob ich denn wirklich da oder ob ich nur ein Phantom sei. Seltsame Ahnungen mußten sie durchdringen, denn Tränen stürzten ihr aus den Augen, und sie sagte: »Geh! geh! treuer Hund, nun muß ich alles verlassen, was mir bisher lieb war, weil ich ihn habe, ach, sie sagen ja, er wird mir alles ersetzen; er ist auch wirklich ein recht guter Mann, er meint es gut, wenn auch bisweilen – doch ich versteh' es ja nicht – nun geh, geh!« – Lisette öffnete die Tür, ich kroch aber unter das Bett, Lisette sagte nichts, und Cäcilia hatte es nicht bemerkt. – Sie war allein und mußte bald dem ungeduldigen Bräutigam die Tür öffnen; er schien berauscht, denn er ergoß sich in den pöbelhaftesten Zoten und mißhandelte die zarte Braut mit seinen plumpen Liebkosungen. Wie er nun so schamlos mit der nie zu befriedigenden Begier des entnervten Lüstlings die geheimsten Reize des keuschen Mädchens enthüllte, wie sie, dem Opferlamm gleich, still weinend unter seinen rohen Fäusten litt, das machte mich schon toll, – ich murrte unwillkürlich, aber niemand hörte es. – Nun nahm er Cäcilien in seine Arme und wollte sie ins Bett tragen, aber der Wein wirkte immer mehr, und er taumelte mit ihr gegen den Bettpfosten, der sie an den Kopf traf, daß sie aufschrie. Sie riß sich aus seinen Armen und stürzte sich ins Bett. »Liebchen, bin ich besoffen? – sei nicht böse, Liebchen«, stammelte er mit fallender Zunge, indem er seinen Schlafrock herunterriß und ihr nachwollte. Aber im jähen Schreck über die entsetzliche Mißhandlung des elenden Schwächlings, der in der keuschen, engelreinen Braut nur das feile Freudenmädchen sah, schrie sie auf in schneidendem Jammer: »Ich Unglückselige, wer schützt mich vor diesem Menschen!« Da sprang ich wütend hervor aufs Bett, packte mit einem kräftigen Biß den dürren Schenkel des Elenden und riß ihn über den Boden des Zimmers zur Tür, die ich, mich mit voller Gewalt andrängend, aufsprengte, hinaus auf den Flur. Indem ich ihn zerfleischte, daß er blutbedeckt dalag, raste er vor Schmerz, und die fürchterlichen hohlen Töne, die er ausstieß, weckten das ganze Haus. Bald wurde es lebendig – Bediente – Mägde rannten die Treppe herab mit Ofengabeln – Schaufeln – Prügeln bewaffnet, aber mit stummem starren Entsetzen betrachteten sie die Szene, keiner wagte sich mir näher, denn sie hielten mich für toll und fürchteten meinen verderblichen Biß. Unterdessen stöhnte und ächzte halb ohnmächtig Georg unter meinen Bissen und Tritten, ich konnte nicht von ihm ablassen. Da flogen Prügel, Geschirre nach mir, krachend zersplitterten die Fenster, – Gläser, Teller, noch vom gestrigen Schmause stehen geblieben, stürzten zertrümmert von den Tischen, aber mich traf kein wohlgezielter Wurf. Der lange verhaltene Grimm machte mich mordsüchtig; ich war im Begriff, meinen Feind bei der Kehle zu packen und ihm das Garaus zu machen, da sprang einer mit einem Gewehr aus dem Zimmer, das er sogleich auf mich abdrückte, die Kugel sauste mir dicht bei den Ohren vorbei. Ich ließ den Feind ohnmächtig liegen und setzte die Treppe hinab. Wie das wütende Heer kam mir nun der dicke Haufe nachgetrappelt. – Meine Flucht gab ihnen Mut. – Aufs neue flogen Besen – Prügel – Ziegelsteine mir nach, von denen mich einige hart genug trafen. Nun war es Zeit, sich aus dem Staube zu machen; ich stürzte mich auf die Hintertür, sie war zum Glück nur angelehnt, und im Augenblick befand ich mich in dem weitläufigen Garten. Schon tobte mir der Haufe nach – der Schuß hatte die Nachbarn geweckt – »ein toller Hund, ein toller Hund!« erscholl es überall; nach mir geworfene Steine sausten durch die Luft, da gelang es mir nach drei vergeblichen Sprüngen endlich, über die Mauer zu setzen, und nun rannte ich unaufhaltsam fort durch das Feld und gönnte mir kaum einen Augenblick Ruhe, bis ich glücklich hier anlangte, wo ich auf eine seltsame Weise mein Unterkommen bei dem Theater fand.
Ich. Wie, Berganza! – Du bei dem Theater?
Berganza. Du weißt ja, daß das eine alte Neigung von mir ist.
Ich. Ja! ich erinnere mich, daß du schon deine Heldentaten auf dem Theater deinem Freunde Szipio erzähltest; also setzest du diese jetzt von neuem fort?
Berganza. Mit nichten; ich bin jetzt, so wie unsere Theaterhelden, ganz zahm, in gewisser Art konversationsmäßig geworden. Statt daß ich sonst als des Ritters wackre Dogge den Feind zu Boden warf oder den Drachen in den Wampen packte, tanze ich jetzt nach Taminos Flöte und erschrecke den Papageno. Ach, mein Freund, es kostet einem ehrlichen Hunde viel Mühe, sich so durch die Welt zu hantieren. Aber sage mir, wie hat dir die Geschichte der Hochzeitnacht gefallen?
Ich. Aufrichtig gesagt, lieber Berganza, scheinst du mir die Sache zu schwarz gesehen zu haben. Cäcilia mochte von der Natur auf die seltenste Weise zur Künstlerin ausgestattet gewesen sein, ich geb' es zu –
Berganza. Zur Künstlerin ausgestattet? – Ha, Freund! Hättest du nur drei Töne von ihr gehört, du würdest sagen, die Natur habe den geheimnisvollsten Zauber des heiligen Tons, der die Wesen entzückt, in ihr Innres gelegt! – O Johannes, Johannes! das waren ja oft deine Worte. Doch weiter mit deinem Einwurf, mein poetischer Freund!
Ich. Nicht empfindlich, Berganza. – Ich meine ferner, es sei möglich, daß der Georg eigentlich eine Bestie war (verzeih mir den Ausdruck!). Konnte nun aber Cäciliens Gemüt die Bestie nicht entbestialisieren, und er wie mancher junge Lüstling nicht ein ganz ordentlicher ehrenfester Ehemann, sie aber eine biedere Hausfrau werden? und dann wäre doch immer ein sehr guter Zweck erreicht.
Berganza. O ja, indessen höre recht aufmerksam an, was ich dir jetzt sagen werde. – Es besitzt jemand ein Stück Land, das die Natur mit ganz besonderem Wohlgefallen im Schoße der Erde mit allerlei wunderbaren farbigen Schichten und metallischen Ölen, vom Himmel herab aber mit duftigen Dünsten und feurigen Strahlen nährte, daß die schönsten Blumen ihre bunten glänzenden Häupter über das gesegnete Land erheben, und ihre mannigfaltigen Wohlgerüche, wie in einem jubelnden Choral zum Himmel aufatmend, die gütige Natur preisen. Nun will er das herrliche Stückchen Erde verkaufen, und es fänden sich auch wohl viele, die die holden Blumen lieben, hegen und pflegen würden; aber er selbst denkt: »Blumen sind nur zum Putz, und ihr Duft ist eitel,« und schlägt das Land an einen los, der die Blumen ausrupft und dafür tüchtiges Gemüse, Kartoffeln und Rüben anpflanzte, das nun zwar nützlich ist, weil man satt davon werden kann, aber die holden duftenden Blumen sind untergegangen auf immer. – Was würdest du zu diesem Besitzer, zu diesem Gemüsegärtner sagen?
Ich. O daß der Teufel den verfluchten Gemüsegärtner tausendmal mit seinen Krallen zerrisse!
Berganza. Recht so, mein Freund! Nun sind wir einig, und so ist mein Grimm in der verrufenen Hochzeitsnacht, die mir ewig unvergeßlich bleiben wird, hinlänglich entschuldigt!
Ich. Höre, lieber Berganza! Du hast da erst eine Materie berührt, die mich nur zu sehr interessiert, – das Theater! –
Berganza. Vom Theater überhaupt nur zu reden, ekelt mich über alle Maßen an: es ist eine der abgedroschensten Materien seit der Zeit, daß Theaternachrichten in allen nur möglichen Zeitschriften stehende Artikel geworden sind, und jeder, der auch mit dem ungeübtesten Blick, ohne alle Vorkenntnisse hineinguckt, sich berufen fühlt, darüber hin und her zu schwatzen.
Ich. Aber da du selbst soviel poetischen Sinn zeigst, ja selbst des poetischen Ausdrucks mächtig bist, so daß, da du deine Pfote schwerlich jemals wirst zum Schreiben brauchen können, ich immer deinen Schreiber machen und jedes deiner Worte aufschreiben möchte, so oft dir der Himmel zu sprechen vergönnt;