Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
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So wollte Ottmar seine Erzählung endigen, als Maria mit einem dumpfen Schrei ohnmächtig vom Stuhle in die Arme des schnell herbeigesprungenen Bickert sank. Der Baron fuhr entsetzt auf, Ottmar eilte Bickerten zu Hülfe, und beide brachten Marien auf das Sofa. Sie lag totenbleich da, jede Spur des Lebens war auf dem krampfhaft verzogenen Gesichte verschwunden. – „Sie ist tot, sie ist tot!“ schrie der Baron. – „Nein“, rief Ottmar, „sie soll leben, sie muß leben. Alban wird helfen.“ –„Alban! Alban! kann der Tote erwecken“, schrie Bickert auf; in dem Augenblick öffnete sich die Tür, und Alban trat herein. Mit dem ihm eignen imponierenden Wesen trat er schweigend vor die Ohnmächtige. Der Baron sah ihm mit zornglühendem Gesichte ins Auge – keiner vermochte zu sprechen. Alban schien nur Marien zu gewahren; er heftete seinen Blick auf sie; „Maria, was ist Ihnen?“ sprach er mit feierlichem Ton, und es zuckte durch ihre Nerven. Jetzt faßte er ihre Hand. Ohne sich von ihr wegzuwenden, sagte er: „Warum dieses Erschrecken, meine Herren? der Puls geht leise, aber gleich – ich finde das Zimmer voll Dampf, man öffne ein Fenster, gleich wird sich Maria von dem unbedeutenden ganz gefahrlosen Nervenzufall erholen.“ Bickert tat es, da schlug Maria die Augen auf; ihr Blick fiel auf Alban. „Verlaß mich, entsetzlicher Mensch, ohne Qual will ich sterben“, lispelte sie kaum hörbar, und indem sie, sich von Alban abwendend, das Gesicht in die Sofakissen verbarg, sank sie in einen tiefen Schlaf, wie man an den schweren Atemzügen bemerken konnte. Ein seltsames, furchtbares Lächeln durchflog Albans Gesicht; der Baron fuhr auf, er schien etwas mit Heftigkeit sagen zu wollen. Alban faßte ihn scharf ins Auge, und mit einem Tone, in dem, des Ernstes unerachtet, eine gewisse höhnende Ironie lag, sprach er: „Ruhig, Herr Baron! die Kleine ist etwas ungeduldig, aber erwacht sie aus ihrem wohltätigen Schlafe, welches genau morgens um sechs Uhr geschehen wird, so gebe man ihr zwölf von diesen Tropfen, und alles ist vergessen.“ – Er reichte Ottmarn das Fläschchen, das er aus der Tasche gezogen, und verließ langsamen Schrittes den Saal.
„Da haben wir den Wunder-Doktor!“ rief Bickert, als man die schlafende Marie in ihr Zimmer gebracht, und Ottmar den Saal verlassen hatte. – „Der tiefsinnige Blick des Geistersehers – das feierliche Wesen – das prophetische Voraussagen – das Fläschchen mit dem Wunderelixier. – Ich habe nur gepaßt, ob er nicht, wie Schwedenborg, vor unsern Augen in der Luft verdampfen, oder wenigstens, wie Beireis, mit dem urplötzlich aus Schwarz in Rot umgefärbten Frack zum Saal hinausschreiten würde.“ – „Bickert!“ antwortete der Baron, der starr und stumm in den Lehnstuhl gedrückt, Marien wegbringen gesehen: „Bickert! was ist aus unserm frohen Abend geworden! – aber gefühlt im Innern habe ich es, daß mich noch heute etwas Unglückliches treffen, ja daß ich noch Alban aus besonderm Anlaß sehen würde. – Und gerade in dem Augenblicke als ihn Ottmar zitierte, erschien er wie der waltende Schutzgeist. Sage mir, Bickert! – kam er nicht durch jene Tür?“ – „Allerdings“, erwiderte Bickert, „und erst jetzt fällt es mir ein, daß er wie ein zweiter Cagliostro uns ein Kunststückchen gemacht hat, das uns in der Angst und Not ganz entgangen; die einzige Tür des Vorzimmers da drüben habe ich ja von innen verschlossen, und hier ist der Schlüssel – einmal habe ich mich aber doch geirrt und sie offen gelassen.“ – Bickert untersuchte die Tür, und zurückkehrend rief er mit Lachen: „Der Cagliostro ist fertig, die Tür ist richtig fest verschlossen wie vorher.“ – „Hm“, sagte der Baron, „der Wunder-Doktor fängt an in einen gemeinen Taschenspieler überzugehen.“ – „Es tut mir leid“, erwiderte Bickert, „Alban hat den allgemeinen Ruf eines geschickten Arztes, und wahr ist es, daß, als unsere Marie, die sonst so gesund gewesen, an den heillosen Nervenübeln erkrankte, und alle Mittel scheiterten, sie durch Albans magnetische Kur in wenigen Wochen geheilt wurde. – Schwer entschlossest du dich dazu, nur auf vieles Zureden Ottmars, und weil du die herrliche Blume, die sonst ihr Haupt keck und frei zur Sonne emporrichtete, immer mehr hinwelken sahst.“ – „Glaubst du, daß ich wohl getan habe, Ottmarn nachzugeben?“ fragte der Baron. „In jener Zeit allerdings“, erwiderte Bickert, „aber Albans verlängerte Gegenwart ist mir gerade nicht angenehm; und was den Magnetismus betrifft“ – „Den verwirfst du ganz und gar“, fiel der Baron ein. „Mit nichten“, antwortete Bickert. „Nicht Zeuge mancher dadurch herbeigeführter Erscheinung hätte ich sein dürfen, um daran zu glauben – ja ich fühle es nur zu sehr, wie alle die wunderbaren Beziehungen und Verknüpfungen des organischen Lebens der ganzen Natur in ihm liegen. All unser Wissen darüber ist und bleibt aber Stückwerk, und sollte der Mensch den völligen Besitz dieses tiefen Naturgeheimnisses erlangen, so käme es mir vor, als habe die Mutter unversehens ein schneidendes Werkzeug verloren, womit sie manches Herrliche zur Lust und Freude ihrer Kinder geformt; die Kinder fänden es, verwundeten sich aber selbst damit, im blinden Eifer, es der Mutter im Formen und Bilden nachmachen zu wollen.“ – „Meine innerste Meinung hast du richtig ausgesprochen“, sagte der Baron, „was aber besonders den Alban betrifft, so liegt es dunkel in meiner Seele, wie ich mir all die besonderen Gefühle, die mich in seiner Nähe befangen, zusammenreimen und erklären soll; zuweilen glaube ich über ihn ganz im klaren zu sein. – Seine tiefe Wissenschaft machte ihn zum Schwärmer, aber sein Eifer, sein Glück erwirbt ihm Achtung! Allein, nur wenn ich ihn nicht sehe, erscheint er mir so; nahet er sich mir, so ist jenes Bild aus der Perspektive gerückt, und deformierte Züge, die mit einer furchtbaren Charakteristik im einzelnen sich doch nicht zum Ganzen fügen wollen, erfüllen mich mit Grauen. Als Ottmar ihn vor mehreren Monaten als seinen innigsten Freund zu uns brachte, war es mir, als habe ich ihn irgend einmal schon gesehen; seine Feinheit, sein gewandtes Betragen gefielen mir, aber im ganzen war mir seine Gegenwart nicht wohltuend. Bald darauf, und zwar, wie es mir schon oft schwer aufs Herz gefallen, gleich nach Albans Erscheinung erkrankte, wie du weißt, Maria auf eine ganz seltsame Weise, und ich muß es gestehen, Alban, als er endlich herbeigerufen wurde, unterzog sich der Kur mit einem beispiellosen Eifer, mit einer Ergebenheit, mit einer Liebe und Treue, die ihm bei dem glücklichsten Erfolg die höchste, unzweideutigste Liebe und Achtung erwerben mußte. Ich hätte ihn mit Gold überschütten mögen, aber jedes Wort des Dankes wurde