und in Ihm Sein kann ich wahrhaftig leben, und es müßte, wäre es ihm möglich, sich mir geistig ganz zu entziehn, mein Selbst in toter Öde erstarren; ja, indem ich dieses schreibe, fühle ich nur zu sehr, daß nur Er es ist, der mir den Ausdruck gibt, mein Sein in ihm wenigstens anzudeuten. – Ich weiß nicht, Adelgundchen, ob ich Dir nicht fremdartig oder vielleicht als eine fantastische Schwärmerin erc scheine, ob Du mich überhaupt verstehst, und es war mir, als ob eben jetzt leise und wehmütig der Name: Hypolit, über Deine Lippen gleite. – Glaube mir, daß Hypolit nie inniger von mir geliebt wurde, ich nenne ihn oft im frommen Gebet um sein Heil. – Die heiligen Engel mögen ihn schirmen vor jedem feindlichen Streich, der ihm in wilder Feldschlacht droht. Aber, seitdem Alban mein Herr und Meister ist, dünkt es mich, nur durch ihn könne ich meinen Hypolit stärker und inniger lieben, und als habe ich die Macht, mich wie sein Schutzgeist zu ihm zu schwingen, und ihn mit meinem Gebet, wie mit einem Seraphsfittig, zu umhüllen, so daß der Mord ihn vergebens listig spähend umschleicht. Alban, der hohe, herrliche Mann, führt mich als die durch das höhere Leben geweihte Braut in seine Arme; aber nicht ohne seinen Meister darf das Kind sich in die Stürme der Welt wagen. – Erst seit wenigen Tagen erkenne ich ganz Albans wahrhaftige Größe. – Aber glaubst du wohl, liebe Adelgunde, daß, als ich noch kränker und über alle Maßen reizbar war, sich oft niedrige Zweifel gegen meinen Herrn und Meister in meiner Brust erhoben? – Da hielt ich es denn für gesündigt gegen Liebe und Treue, wenn selbst im Gebet für meinen Hypolit Albans Gestalt in meinem Innern aufstieg, zürnend und drohend, daß ich ohne ihn mich hinauswagen wolle aus dem Kreise, den er mir beschrieben, wie ein böses Kind, das des Vaters Warnung vergessend, hinauslaufe aus dem friedlichen Garten in den Wald, wo feindliche Tiere blutgierig hinter den grünen anmutigen Büschen lauern. Ach, Adelgunde! – diese Zweifel quälten mich schrecklich. Lache mich recht aus, wenn ich Dir sage, daß ich sogar auf den Gedanken geriet: Alban wolle mich künstlich umstricken, und unter dem Schein des heiligen Wunders, irdische Liebe in meinem Innern entzünden. – Ach, Hypolit! – Neulich saßen wir, der Vater, der Bruder, der alte Bickert und ich traulich abends beisammen; Alban war, wie es seine Gewohnheit ist, noch auf weitem Spaziergange begriffen. Es war die Rede von Träumen, und der Vater sowie Bickert wußten davon allerlei Wunderbares und Ergötzliches zu sagen. Da nahm auch Ottmar das Wort, und erzählte, wie nach Albans Rat, und unter seiner Leitung, es einem seiner Freunde gelungen sei, eines Mädchens innige Liebe dadurch zu gewinnen, daß er, ohne ihr Wissen, wenn sie schlief, in ihrer Nähe war, und ihre innersten Gedanken durch magnetische Mittel auf sich leitete. Dazu kam, daß der Vater und auch mein alter treuer Bickert sich, wie sie noch nie in meiner Gegenwart getan, bestimmt und hart gegen den Magnetismus, und auch in gewisser Art gegen Alban erklärten – alle Zweifel gegen den Meister erwachten mit doppelter Stärke in meiner Seele – wie wenn er sich geheimer höllischer Mittel bediente, mich zu seiner Sklavin zu fesseln; wie wenn er dann geböte, ich solle, nur ihn in Sinn und Gedanken tragend, Hypolit lassen? Ein nie gekanntes Gefühl ergriff mich mit tötender Angst; ich sah Alban in seinem Zimmer mit unbekannten Instrumenten und häßlichen Pflanzen und Tieren und Steinen und blinkenden Metallen umgeben, wie er in krampfhafter Bewegung seltsame Kreise mit den Armen und Händen beschrieb. Sein Gesicht, sonst so ruhig und ernst, war zur grausigen Larve verzogen, und aus seinen glutroten Augen schlängelten sich in ekelhafter Schnelle blanke, glatte Basiliske, wie ich sie sonst in den Lilienkelchen zu erblicken wähnte. Da war es, als gleite ein eiskalter Strom über meinen Rücken hin, ich erwachte aus meinem Ohnmacht ähnlichen Zustande; Alban stand vor mir – aber, du heiliger Gott! nicht er war’s, nein! jene entsetzliche Larve, die meine Einbildung geschaffen! – Wie habe ich am andern Morgen mich vor mir selbst geschämt! – Alban war mit meinen Zweifeln gegen ihn bekannt, und nur in seiner gütigen Milde hat er mir wohl verschwiegen, daß er es auch wohl wußte, wie ich ihn selbst mir gebildet, denn er lebt ja in meinem Innern und weiß meine geheimsten Gedanken, die ich in Frömmigkeit und Demut auch nicht trachte ihm zu verschweigen. Übrigens machte er aus meinem krankhaften Anfall nicht viel, sondern schob alles auf den Dunst des türkischen Tabaks, den mein Vater an jenem Abende geraucht. Du hättest nur sehen sollen, mit welchem gütigen Ernst, mit welcher väterlichen Sorglichkeit mich jetzt der herrliche Meister behandelte. Es ist nicht allein der Körper, den er gesund zu erhalten weiß, nein! – es ist der Geist, den er dem höhern Leben zuführt. Könnte meine liebe, treue Adelgunde nur hier sein und sich an dem wahrhaft frommen Leben erlaben, das wir in friedlicher Stille führen. Bickert ist noch der frohe Alte wie immer, nur mein Vater und Ottmar sind zuweilen in sonderbarer Verstimmung; den im treibenden Leben wühlenden Männern mag oft unsere Einförmigkeit nicht zusagen. – Alban spricht ganz herrlich über die Sagen und Mythen der alten Ägypter und Indier, oft versinke ich darüber, zumal unter den großen Buchen im Park, unwillkürlich in einen Schlaf, von dem ich wie neu belebt erwache. Ich komme mir dann beinahe vor, wie die Miranda in Shakespeares Sturm, die von Prospero vergebens ermuntert wird, seine Erzählung zu hören. Recht mit Prosperos Worten sagte neulich Ottmar zu mir: „Gib deiner Müdigkeit nach – du kannst nicht anders.“
Nun, Adelgundchen! hast Du mein inneres Leben ganz, ich habe Dir alles erzählt, und das tut meinem Herzen wohl. Beiliegende Zeilen für Hypolit u.s.w.
– – – zurückgeblieben ist. Die Frömmigkeit schließt das Frommtun in sich, und jedes Frommtun ist eine Heuchelei, sei es auch nicht sowohl um andere zu betrügen, als sich selbst an dem Reflex des in unechtem Golde bunkernden Strahlenscheins zu ergötzen, mit dem man sich zum Heiligen gekrönt hat. – Regten sich denn in Deiner eigenen Brust nicht manchmal Gefühle, die Du, mein lieber Bramin! mit dem, was Du aus Gewohnheit, und bequem in dem Geleise bleibend, das die verjährte Ammenmoral eingefurcht hat, als gut und weise erkennen willst, nicht zusammenreimen konntest? Alle diese Zweifel gegen die Tugendlehre der Mutter Gans, alle diese über die künstlichen Ufer des durch Moralsysteme eingedämmten Stroms überbrausenden Neigungen, der unwiderstehliche Drang, den Fittig, den man kräftig befiedert an den Schultern fühlt, frisch zu schütteln und sich dem Höhern zuzuschwingen, sind die Anfechtungen des Satans, vor denen die aszetischen Schulmeister warnen. Wir sollen wie gläubige Kinder die Augen zudrücken, um an dem Glanz und Schimmer des heil. Christs, den uns die Natur überall in den Weg stellt, nicht zu erblinden. – Jede Neigung, die den höheren Gebrauch der inneren Kräfte in Anspruch nimmt, kann nicht verwerflich sein, sondern muß eben aus der menschlichen Natur entsprungen und in ihr begründet, nach der Erfüllung des Zwecks unseres Daseins streben. Kann dieser denn ein anderer sein, als die höchstmöglichste, vollkommenste Ausbildung und Anwendung unserer physischen und psychischen Kräfte? – Ich weiß, daß ohne weiter zu reden, ich Dich, mein lieber Bramin! (so, und nicht anders, muß ich Dich nach deinen Lebensansichten nennen) schon zum Widerspruch gereizt habe, da Dein ganzes Tun und Treiben der innigen Meinung entgegenstrebt, die ich nur angedeutet. – Sei indessen überzeugt, daß ich Dein kontemplatives Leben und Deine Bemühungen, durch immer geschärfteres Anschauen in die Geheimnisse der Natur einzudringen, achte; aber statt Dich an dem Glanz des diamantnen Schlüssels in stiller untätiger Betrachtung zu erfreuen, ergreife ihn keck und kühn, und öffne die geheimnisvolle Pforte, vor der Du sonst stehen bleiben wirst in Ewigkeit. – Du bist zum Kampfe gerüstet, was weilst Du in träger Ruhe? – Alle Existenz ist Kampf und geht aus dem Kampfe hervor. In einem fortsteigenden Klimax wird dem Mächtigern der Sieg zuteil, und mit dem unterjochten Vasallen vermehrt er seine Kraft. – Du weißt, lieber Theobald! wie ich immer diesen Kampf auch im geistigen Leben statuiert, wie ich keck behauptet, daß eben die geheimnisvolle geistige Übermacht dieses oder jenes Schoßkindes der Natur, die Herrschaft, die er sich anmaßen darf, ihm auch Nahrung und Kraft zu immer höherem Schwunge gibt. Die Waffe, mit der wir, denen die Kraft und Übermacht inwohnt, diesen geistigen Kampf gegen das untergeordnete Prinzip kämpfen und uns dasselbe unterjochen, ist uns, ich möchte sagen, sichtbarlich in die Hand gegeben. Wie ist es doch gekommen, daß man jenes Eindringen, jenes gänzliche Inunsziehen und Beherrschen des außer uns liegenden geistigen Prinzips durch uns bekannt gewordene Mittel, Magnetismus genannt hat, da diese Benennung nicht genügt, oder vielmehr, als von einer einzelnen physisch wirkenden Kraft