Th. M. Dostojewsky: Eine biographische Studie. Nina Hoffmann

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Th. M. Dostojewsky: Eine biographische Studie - Nina Hoffmann

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Form, die lebend sich entwickelt.

      Goethe.

       Inhaltsverzeichnis

Seite
I. Das Milieu 1
II. Kindheit und Jugend 17
III. Katastrophe 59
IV. Semipalatinsk 130
V. Petersburg 171
VI. Publizistik 191
VII. Zweite Vermählung. Schuld und Sühne. Abreise 252
VIII. Vierjähriger Aufenthalt im Auslande 276
IX. Briefwechsel aus der Fremde 300
X. Petersburg; die letzten zehn Jahre 405
Anhang. Bibliographische Übersicht 443
Personen- und Sach-Verzeichnis 446

       Inhaltsverzeichnis

      „Vorreden sind immer Entschuldigungen“, hat jüngst ein geistvoller Schriftsteller in einer der seinigen gesagt. Der Verfasser des vorliegenden Buches geht weiter. Er erhebt Einspruch dagegen, dass seine Arbeit als ein litterarhistorisches Werk angesehen werde; er will sie durchaus nur als Lebensdokument einer ungeheuren Persönlichkeit betrachtet wissen, und wünscht als einzigen Erfolg dieses Buches, dass etwas von dem zwingenden und zugleich versöhnenden Geiste des grossen Dichters durch seine Blätter wehe und die Gemüter in seinem Sinne erfasse. Eine Entschuldigung allerdings wäre am Platze: dem Dichter und dem unerschöpflichen Material gegenüber, das ganz zu bewältigen dereinst die Arbeit Vieler ausmachen wird.

      Einige orientierende Bemerkungen sollen jedoch hier ihre Stelle finden. Im grossen Ganzen habe ich den Stoff chronologisch geordnet. An einigen Stellen indes schien es mir notwendig, um ein Ereignis von allen Seiten plastisch hervortreten zu lassen, spätere briefliche Äusserungen des Dichters sofort heranzuziehen.

      Die Werke der ersten Periode, welche ich, mit Ausnahme der „Armen Leute“, in die Periode des Tastens und der Nachahmungen einreihen muss, habe ich nicht im Einzelnen besprochen, da sie mir unter denselben Gesichtswinkel zu fallen scheinen und sich, bei aller Vortrefflichkeit und Feinheit psychologischer Einzelheiten — vom Standpunkt der russischen breiten Ethik aus, den allein ich festhielt —, nicht allzusehr von einander differenzieren.

      Die Werke der zweiten, nachsibirischen Periode, ebensoviele Etappen auf dem Wege zur Vollendung seines Apostolats, habe ich nach Massgabe ihrer Ausgeprägtheit und ihres Verstandenseins durch den westeuropäischen Leser mehr oder weniger breit behandelt.

      Inbetreff der Fussnoten, welche eine Arbeit haben muss, die aus vielfachem Material geschöpft hat und auf Glaubwürdigkeit Anspruch erheben darf, befand ich mich in einiger Verlegenheit. Für den deutschen Leser wären Orts- und Seitenangabe meiner Quellen wertlos gewesen, da ich aus unübersetzten russischen Autoren schöpfte. Auch die den Werken des Dichters entnommenen Stellen könnte der deutsche Leser nicht in den umlaufenden Ausgaben nachschlagen, da ich sie selbst nach meinem Verständnisse aus dem Original übersetzte. Der russische Leser aber kennt alles, was über Dostojewsky geschrieben worden, sofern er sich für diesen Dichter und seine Richtung interessiert, vortrefflich und findet in den Namen und Quellen, die ich im Texte reichlich angab, genug Anhaltspunkte zum Nachschlagen. So verzichtete ich denn auf Nachweise, die mir in diesem Falle als eine Spiegelfechterei erscheinen mussten.

      Wien, Januar 1899.

      N. Hoffmann.

I. Das Milieu.

       Inhaltsverzeichnis

      Über Theodor Michailowitsch Dostojewsky in seiner Gesamt-Erscheinung als Dichter, Psychologe, als Ethiker und Mensch zu sprechen, ein erschöpfendes Bild seines Lebens und seiner künstlerischen, sowie vor allem seiner seelenzwingenden Wirksamkeit zu geben, das wäre heute, sogar in Russland unter seinen Landsleuten, ein gewagtes Unternehmen. Einerseits ist er der gegenwärtigen Generation noch zu nahe; alles was über ihn gesagt werden könnte, stünde noch im Zeichen des Kampfes. Er hat ja, wie alle mächtig ausgeprägten Individualitäten, im Leben bis zu seinem letzten Atemzuge heftig gekämpft und Kampf erzeugt.

      Anderseits leben seine nächsten Angehörigen, seine Freunde noch, und diese sind im Besitze der intimeren Erinnerungen und Äusserungen seines persönlichen Lebens, die sie begreiflicherweise heute schon preiszugeben nicht geneigt sein können; ganz abgesehen davon, dass die Ausnützung intimer Lebensverhältnisse zum Zwecke des Litteraturklatsches, ohne Hinblick auf die inneren Zusammenhänge und die Einheitlichkeit des Wesens, dem man nahe zu kommen trachtet, nicht scharf genug als müssige Indiskretionen gebrandmarkt und verpönt werden können.

      Wir Europäer hinwieder bringen dem Dichter eines uns in hohem Grade interessierenden Volkes eine Art unbehaglicher, verblüffter Neugierde entgegen, zu der uns der grosse Seelen- und Krankheitskenner und Maler wohl zwingt, lehnen aber die nähere Bekanntschaft seines tiefen Zusammenhanges mit jenem Volke aus Bequemlichkeit, aus Furcht vor dem Fremdartigen dieses Volkes ab, das, wie Nietzsche sagt, „die allerstärkste und erstaunlichste Kraft, zu wollen, in sich aufgespeichert hat, mit der ein Denker der Zukunft wird

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