Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt
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Rom musste, selbst wenn es keinen äusserlichen Verlust spürte, doch in hohem Grade empfindlich werden. Die schon erwähnte feindselige Quelle berichtet: der raubgierige Maximian habe sich an reiche Senatoren gemacht, welche fälschlich verklagt wurden, als strebten sie nach der Herrschaft, und so seien unaufhörlich die Lichter des Senats ausgelöscht, seine Augen ausgestochen worden85. – Jeder Versuch, Recht oder Unrecht hier auf beide Seiten billig verteilen zu wollen, ist erfolglos. In dem Werke des Zosimus, dem einzigen, welches in der Darstellung und Beurteilung von Diocletians Charakter und Herrschaft der Wahrheit und Vollständigkeit irgend nahekommen mochte, gibt es hier eine Lücke von zwanzig Jahren. Vielleicht schien eifrigen Christen die letzte grosse Verfolgung allzusehr zugunsten der Verfolger dargestellt, und sie fanden es leichter, das Werk zu verstümmeln als zu widerlegen; gerade wie damals die Heiden ihrerseits Ciceros Bücher von der Natur der Götter verstümmelten86, damit die Christen darin keine Waffen für ihre Polemik gegen die Vielgötterei finden möchten.
Eine Spannung zwischen dem Senat und den Imperatoren war schon dadurch gegeben, dass Diocletian ohne alles Zutun des erstern Kaiser geworden war und seine Mitregenten ernannt hatte. Dem Senat blieb nur übrig, sie anzuerkennen und ihnen der Form halber zeitweise das Konsulat zu übertragen, mit welchem Diocletian bei einem spätern Anlass so wenig Umstände machte, dass er ein paar Tage vor dessen feierlichem Antritt von Rom abreiste87. – Bei der schon erwähnten Zusammenkunft in Mailand (291) fand sich auch eine Deputation des römischen Senates ein, wahrscheinlich nur zur Bezeugung der Ergebenheit. Der Lobredner Mamertinus ruft in Maximians Gegenwart88 aus: »Der Senat hat der Stadt Mailand ein Abbild seiner Hoheit geliehen, damit es das Ansehen habe, als sei der Sitz des Reiches an der Stätte, wo sich die beiden Imperatoren zusammengefunden.« Diese Äusserung war vermutlich eine unliebsame, und wir wissen nicht, wie sie aufgenommen wurde; doch sollte man daraus schliessen, dass wenigstens in dem betreffenden Jahre das Verhältnis der Kaiser zum Senat noch kein offenkundig unfreundliches gewesen. Wann und wie es sich verschlimmert, bleibt uns ein Rätsel. Maximian war von Hause aus grausam und tückisch, und Diocletian mied vielleicht nicht immer ein nützliches Verbrechen; die Römer mit ihrer »wenn nicht frechen, doch freien89 Redeweise« waren ihnen höchlich zuwider; auch jene verabredeten, im Takt und in vielfacher Wiederholung vorgetragenen Zurufe, womit die Senatoren in ihrem Lokal und das Volk im Zirkus den Kaisern Mahnungen sowohl als Huldigungen pflegten zukommen zu lassen, konnten unmöglich nach dem Geschmacke der neuen Herrscher sein; allein die Häupter des Senates opferten sie gewiss nicht ohne triftigen Grund, wenn es wirklich dazu kam, und wenn nicht jener Autor nach seiner Art aus einer Kleinigkeit eine Untat gemacht hat.
Gegen die Einwohnerschaft90 von Rom (um nicht den entweihten Namen des römischen Volkes zu brauchen) erwiesen sich aber Diocletian und sein Mitkaiser später in einer ganz absichtlichen Weise gefällig; als wären zu Rom noch nicht Vergnügungsanstalten genug, bauten sie auf dem Viminal jene ungeheuersten aller römischen Thermen (299). Unter den etwa zehn Thermenbauten früherer Kaiser und Privatleute befanden sich die riesigen Hallen Caracallas, mit deren rätselhaft weiten Wölbungen die ermüdete Kunst nicht mehr wetteifern konnte; da wurde wenigstens die Ausdehnung überboten, bis man ein Ganzes von 1200 Schritt Umfang, mit 3000 Gemächern, geschaffen hatte, dessen erstaunlicher Mittelbau mit jenen Granitsäulen von 15 Fuss Umfang jetzt den Hauptraum der Karthäuserkirche bildet, während man die übrigen Reste weit ringsum in Klöstern, Weingärten und einsamen Strassen zusammensuchen muss91. – Im gleichen Jahre92 begann Maximian einen Thermenbau zu Karthago, möglicherweise in einer ähnlichen, begütigenden Absicht. Karthago war bisher ein Hauptschauplatz für das erste Auftreten von Usurpatoren gewesen. Von andern Bauten dieser Regierung in Rom werden namentlich erwähnt93: die Herstellung des unter Carinus verbrannten Senatslokales, des Forum Caesaris, der Basilica Iulia und des Pompeiustheaters; sodann als Neubauten ausser den Thermen die beiden Portiken mit den Beinamen Iovia und Herculea, drei Nympheen, ein Isis- und ein Serapistempel und ein Triumphbogen. Vielleicht hatte auch die auffallende Masse von Prachtgebäuden, womit Diocletian das tadelsüchtige und gefährliche Antiochien versah94, keinen andern Zweck, als die Ablenkung von politischen Gedanken. Es werden Tempel des olympischen Zeus, der Hekate, der Nemesis und des Apoll, ein Palast in der Stadt und einer in Daphne, mehrere Thermen, Speicher, ein Stadium und anderes mehr genannt, meist als Neubauten, weniger als Reparaturen.
Für Rom waren überdies die öffentlichen Spenden95 und Schauspiele nie unterbrochen worden; erst nach der Abdankung des Jahres 305 wagte Galerius jede Rücksicht gegen die alte Weltherrscherin beiseite zu setzen. Aber schon Diocletian hatte noch in einer andern, bereits angedeuteten Beziehung Rom beleidigt. Zunächst hinter seinen Thermen, von drei Seiten durch die Stadtmauer Aurelians umgrenzt, liegt eine grosse Vigne, später den Jesuiten gehörend, an der Mauer ringsum halbzerstörte gewölbte Zellen. Es ist das ehemalige prätorianische Lager, dessen Bewohner so oft den Kaiserpurpur auf der Spitze ihrer Schwerter hatten in die Luft flattern lassen, öfter hatte man sie aufzulösen, zu ersetzen gesucht; im Laufe des dritten Jahrhunderts aber scheint sich das alte Verhältnis wieder festgesetzt zu haben, dass nämlich in der Umgegend Roms und in den nähern Teilen Italiens die vielleicht wenigen tausend Mann ausgehoben wurden, die wir schon kaum mehr als kaiserliche Garde, sondern eher als Garnison der Hauptstadt zu bezeichnen haben. Jetzt verminderte sie Diocletian sehr beträchtlich96, sicher nicht bloss, weil er in ihnen die unruhigen, anspruchvollen Italier fürchtete, sondern auch aus Sparsamkeit, und weil durch den Lauf der Dinge ein neues Korps bereits an ihre Stelle getreten war. Eine herrliche Reihe illyrischer Kaiser seit Decius hatte das Reich gerettet97; kein Wunder, dass im Lauf von dreissig Kriegsjahren sich eine getreue landsmännische Schar um sie bildete, welche ihnen in jeder Beziehung näherstand als jene Latiner und Sabiner und sich noch besonders durch eine nationale Waffe empfahl. Es sind dies die beiden Legionen, jede von 6000 Mann, welche jetzt zur Belohnung mit den Beinamen der Kaiser als Jovier und Herculier benannt wurden98; früher hatten sie Martiobarbuli geheissen, nach den Bleigeschossen, deren sie je fünf (fünf Paare?) am Schild befestigt trugen und die sie mit der Schnelligkeit und der Wucht eines Pfeiles zu schleudern wussten. Sie erhielten jetzt den offiziellen Vorzug vor allen andern Legionen, ohne dass damit erwiesen wäre, dass sie ihre bleibende Garnison in der Umgebung der Kaiser gehabt hätten. – Erregten früher in Rom die Prätorianer beim Volke meist Furcht und Hass gegen sich, so empfand man jetzt doch ihre Auflösung als einen Angriff auf die Majestät der Hauptstadt; es bildeten sich gemeinsame Antipathien, und die wenigen Prätorianer, welche im Lager zu Rom blieben, nahmen später im Einklang mit Senat und Volk an der Empörung gegen Galerius teil99.
Die Römer konnten diese ganze Wendung der Dinge beklagen und verabscheuen, allein es geschah ihnen im Grunde kein Unrecht. Irgendeinmal musste die grosse Täuschung aufhören, als ob der Imperator noch immer der Beamtete und Repräsentant des örtlich römischen oder auch des italischen Lebens und Volkes sei, in dessen Namen er über den Erdkreis zu herrschen habe. Hätte Diocletian nicht das Erlöschen dieses Vorurteils auch äusserlich durch Verlegung der Residenz, orientalische Gestaltung des Hofwesens, Missverhältnisse mit