Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt
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Читать онлайн книгу Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt - Jacob Burckhardt страница 8
In weit ungünstigerm Lichte erscheint sein Verhältnis zum Senat, welches uns etwa wie dasjenige des Septimius Severus geschildert wird. Verschwörungen und Unruhen aller Art in der Hauptstadt lässt der Kaiser auch den Senat entgelten, von dessen Mitgliedern mehrere sogar hingerichtet werden39. Von welcher Seite man auch die kümmerlichen Aufzeichnungen jener Zeit betrachtet, sie genügen nirgends zu einem sichern Resultat, und wir können nicht sagen, ob Aurelian die eiserne Disziplin des Lagers auch auf das bürgerliche Leben auszudehnen strebte, oder ob der Senat die Zeiten verkannte und mit dem Wiedereroberer des Reiches bei der Beherrschung desselben konkurrieren wollte. Dass Aurelian nicht persönlich grausam war und das Blutvergiessen gerne vermied, beweisen entscheidende Züge aus seinem Leben; auch nannte man ihn nicht den »Mörder«, sondern nur den »Pädagogen des Senates«. Es gehört aber schon eine starke Seele dazu, um in Lagen wie die seinige sich nicht verdüstern zu lassen durch Menschenverachtung und nicht blutgierig zu werden aus eitel Feigheit und Bequemlichkeit. Es scheint schon nichts Leichtes, sich in die Stellung eines jener Imperatoren hineinzudenken; ganz unmöglich aber ist es zu sagen, wie sich auch der gutmütigste Mensch darin auf die Länge benehmen würde. – Von dem Sonnenkultus Aurelians, der vorwiegenden Soldatenreligion dieser letzten heidnischen Zeiten, wird weiterhin die Rede sein müssen.
Auf einem Feldzuge gegen die Perser wurde Aurelian durch Verschworene aus seiner nächsten Umgebung unweit Byzanz ermordet. Man darf annehmen, dass höchstens einer der angesehenem Generale, Mucapor, bei der Tat beteiligt war; die übrigen waren Leute von der Garde, welchen ein kompromittierter Geheimschreiber, der Bestrafung zu erwarten hatte, durch eine falsche Unterschrift bange zu machen wusste.
Darauf vereinigen sich die Generale zu folgendem Schreiben an den Senat: »Die glücklichen und tapfern Heere an den Senat und das Volk von Rom. Unser Kaiser Aurelian ist durch Arglist eines Mannes und durch Täuschung Guter und Böser ermordet worden. Ehrwürdige und gebietende Väter! Erhebt ihn unter die Götter und sendet uns einen Kaiser aus Eurer Mitte, einen, den Ihr für würdig haltet. Denn wir wollen nicht leiden, dass jemand von denjenigen, welche geirrt oder wissentlich Böses getan haben, über uns gebiete.«
Dieser Brief macht allen Beteiligten Ehre, dem so schön gerechtfertigten Aurelian wie dem Senat und den Armeen, in deren Namen hier offenbar wieder die Feldherrn eine Transaktion eingegangen sind40. Von einer blossen schönen Aufwallung ist unter Männern, welche dem Verstorbenen hatten die Welt unterwerfen helfen, nicht die Rede.
Der Senat aber, dessen altgeheiligtes Ansehen hier so über alle Erwartung glänzend anerkannt wurde, wies diese Ehre zurück. Nach Soldatenregierungen, wie die letztvergangenen hatten sein müssen, war die Ernennung eines Kaisers durch den Senat absolut misslich; ausserdem mochte man in Rom berechnen, dass binnen der zwei Monate, welche mit der Überbringung der Anfrage und der Antwort verstreichen konnten, die Stimmung der orientalischen Armee sich von selbst oder durch Intrigen verändert haben dürfte. Allein nun blieb auch das Heer bei seinem Entschlusse; dreimal schrieb man hin und her, bis sich endlich der Senat zur Wahl entschloss. Während dieses halben Jahres blieben alle hohen Beamten an ihren Plätzen; keine Armee wagte der orientalischen zuvorzukommen; auf eine ganz aussergewöhnliche Weise hielt Furcht oder Achtung die bestehenden Gewalten gegenseitig in der Schwebe.
Wenn uns nach anderthalb Jahrtausenden, bei so höchst mangelhafter Kenntnis der Akten, ein Urteil gestattet wäre, so müssten wir es zwar billigen, dass der Senat jetzt endlich den Kaiser ernannte, er hätte aber einen der berühmtern, am Morde unbeteiligten Generale, wie zum Beispiel Probus, dazu wählen müssen. Statt dessen erhob man einen alten, ehrwürdigen, auch kriegskundigen Senator, Tacitus, und überliess sich dem vollen Ausbruch der Freude über das konstitutionelle Meisterstück. In alle Provinzen ergingen Jubelbriefe darüber, dass der Senat sein altes Recht der Imperatorenwahl wieder besitze; dass er inskünftige Gesetze geben, die Huldigungen von Barbarenfürsten empfangen, über Krieg und Frieden entscheiden werde; die Senatoren schlachteten weisse Opfertiere, gingen in weisser Toga einher und eröffneten in den Hallen ihrer Paläste die Schränke mit den imagines ihrer Vorfahren – während Tacitus selber sein Leben im stillen verloren gab, sein kolossales Vermögen an den Staat schenkte und zur Armee abging. Der Senat hatte ihm die Ernennung seines Bruders Florian zum Konsul aus einer damals rein reglementarischen Grille keck verweigert, und dies Zeichen eines erneuten konstitutionellen Bewusstseins soll den Kaiser sogar gefreut haben, was wir auf sich beruhen lassen.
Im Orient kämpfte Tacitus mit Glück gegen Goten und Alanen. Aber eine Faktion von Offizieren, verstärkt durch die bedrohten Mörder Aurelians, ermordeten zuerst den strengen Verwandten des Kaisers, Maximin, Kommandanten von Syrien, und dann aus Furcht vor der Strafe auch den Kaiser selbst im Lande Pontus. Sein Bruder Florian beging die Unvorsichtigkeit, sich ohne Zutun weder des Senates noch des Heeres in Tarsus als Reichsnachfolger geltend zu machen, gleich als wäre das Reich erblich, in welchem Falle doch immer die Söhne des Tacitus einen natürlichen Vorrang vor ihm gehabt hätten. Nach wenigen Wochen töteten die Soldaten auch ihn.
Inzwischen war bereits durch reine Soldatenwahl41 der gewaltige Probus auf den Thron erhoben worden, ein Landsmann Aurelians, und von diesem wenigstens ahnungsweise zum Nachfolger designiert. Der Senat erkannte ihn ohne Widerrede an, und Probus hatte den Takt, die gewiss etwas gedrückte Stimmung der Väter durch Erteilung einiger Ehrenrechte zu versöhnen. Die Mörder des Aurelian und Tacitus liess er vor sich bringen und unter Bezeigung seiner Verachtung töten. Den Soldaten hatte er gleich bei der Wahl gesagt, sie würden in ihm keinen Schmeichler finden, und nun hielt er sein Wort. Unter harter Disziplin führte er sie zu jenen ungeheuern Siegen, welche Gallien von Germanen säuberten und 400 000 Barbaren das Leben kosteten. Wenn damit doch nicht mehr als die Erhaltung des Statusquo erreicht wurde, wenn die Grundbedingung aller Sicherheit Roms, die Unterwerfung ganz Germaniens, trotz der klaren Einsicht des Probus unerfüllt blieb, so ist dies am allerwenigsten seine Schuld. Vom Rhein und Neckar zieht er dann nach dem Orient, und seine Generale siegen im fernen Südosten. Dass Usurpatoren gegen ihn aufstanden (Saturnin, Proculus, Bonosus), kam nicht von dem Unwillen der gemeinen Soldaten gegen seine Strenge, sondern von dem verzweifelten Mutwillen der Ägypter, der Furcht der Lyoner und ihrer Partei vor einer kaiserlichen Strafe und der Angst eines Trunkenboldes wegen schwerer Nachlässigkeit im Grenzdienste. Die Herrlichkeit war jedesmal von kurzer Dauer.
Der grosse Fürst aber, den man für einen ausschliesslichen Soldatenkaiser halten sollte, hegte ein Ideal ganz anderer Art; er wollte es dahin bringen und machte kein Hehl aus diesem Gedanken, dass nach gänzlicher Besiegung oder Schwächung der barbarischen Völker der römische Staat keiner Soldaten mehr bedürfen, dass ein Zeitalter des Friedens und der Erholung heranbrechen sollte. Die sehnsüchtige Ausmalung dieses saturnischen Jahrhunderts mag man in der Historia Augusta42 nachsehen; genug, dass solche Reden selbst bis zu den Soldaten durchdrangen, welche bereits unwillig darüber waren, dass der Kaiser sie auch ausserhalb des Krieges durch Anlegung von Weinbergen, Kanälen und Strassen beschäftigte. In seiner Heimat, beim Kanalbau von Sirmium, töteten sie ihn, wahrscheinlich ohne Prämeditation43, mit baldiger Reue. Seine Familie, wie die mehrerer gestürzten Kaiser, verliess Rom, um sich in Oberitalien anzusiedeln.
An den Senat