Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber

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Baupläne der Schöpfung - Johannes Huber

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breiten Leserkreis anschaulich vorzutragen.

      Noch vor seinem Tod 2014 hatte Professor Thirring angeregt, dieses Buch einer ergänzten Ausgabe zuzuführen. Diesem Wunsch komme ich jetzt, wenn auch verspätet, nach.

      Professor Thirring und ich waren immer der Meinung, dass Religion und Naturwissenschaft zwar getrennt bleiben mögen, jedoch es nicht widervernünftig ist, in Lebenssinn stiftenden Fragen an Inhalte zu glauben, die jenseits des menschlichen Erfahrungshorizontes liegen. Dies darzustellen war eine Intention des Buches, das mit einem von Professor Thirring verfassten Memorandum zu dieser Frage schließt.

      Das Buch vertritt auch die Meinung, dass unser alteuropäisches Erbe aus einer weltgeschichtlich einzigartigen Symbiose jener Geistesrichtungen entstanden ist, die an den drei geistigen Metropolen Jerusalem, Athen und Rom festgemacht werden können. Die daraus entstandene Weltsicht hält auch modernen Diskursen statt. Das Christentum ist meines Erachtens die an Reflexion tiefste Religion und die Unkenntnis seines jahrtausendelangen gedanklichen Ringens darf nicht dazu führen, dass es in den Rang einer Märchenerzählung hinabgestuft wird. Deshalb muss das empfangende Subjekt in die Interpretationen von Offenbarungsinhalten eingebunden werden, wie es Peter Sloterdijk in seinem Buch »Nach Gott« fordert und wie es eigentlich auch in der sogenannten »Tradition« des Christentums als zweite Offenbarungsquelle vorgedacht ist.

      Vielleicht ist es heute schwieriger, Christ zu sein – aber es ist unverändert aufregend und tröstend zugleich.

       Johannes Huber

       Wien, im März 2018

      1. Teil

       EIN BISSCHEN GLAUBE

       See the great Newton, He who first Survey’d

       The Plan, by which the Universe was made.

       Seht den großen Newton, der als Erster den Plan vermaß,

       der dem Universum zugrunde liegt.

      1

      Die Vermessung der Transzendenz

      Der große Pan ist tot. So steht es geschrieben. Der griechische Schriftsteller Plutarch, an sich ein umtriebiges Kerlchen, war weniger an historischen Details oder religiösen Spitzfindigkeiten interessiert, vielmehr ging es ihm um Charakterstudien und grundlegende Moralvorstellungen. Plutarch unternahm viele Reisen, die ihn nach Kleinasien und Ägypten führten; mehrmals besuchte er Rom. Er lebte zu einer Zeit, als das Römische Reich am Höhepunkt war, und lief Nero über den Weg; es muss so um 66 nach Christus gewesen sein. Uns hinterließ Plutarch eine merkwürdige Geschichte, sie liest sich so:

       Eines Abends, als sie schon auf der Höhe der Echinaden-Inseln waren, sei der Wind eingeschlafen und das Schiff sei treibend in die Nähe der Paxos-Insel gelangt. Die meisten seien noch wach, einige nach beendigtem Mahl beim Trinken gewesen. Plötzlich habe man von der Paxos-Insel her eine Stimme gehört, die laut »Thamus!« rief, so daß man sich verwunderte. Thamus war aber ein Ägypter und Steuermann des Schiffes, doch nicht vielen der Fahrgäste mit Namen bekannt. Beim ersten und zweiten Anruf habe er geschwiegen, beim dritten Mal aber dem Rufer geantwortet. Dieser habe nun seine Stimme noch mehr erhoben und gerufen: »Wenn du auf die Höhe von Palodes kommst, dann melde, daß der große Pan tot ist!«

       Als sie das gehört hätten, so erzählte Epitherses, seien sie alle sehr erschrocken und hätten sich darüber unterhalten, ob es besser sei, den Auftrag auszuführen, oder sich nicht darum zu kümmern, sondern es auf sich beruhen zu lassen, und Thamus habe sich dahin entschieden, wenn Wind wäre, stillschweigend vorbeizufahren, wenn aber Windstille und glatte See in dieser Gegend wäre, das Gehörte auszurichten.

       Als sie auf der Höhe von Palodes angelangt waren und weder Wind noch Wellengang war, habe Thamus, vom Heck nach dem Land hin blickend, gerufen, wie ihm gesagt worden war: »Der große Pan ist tot!« Kaum aber habe er diese Worte geendigt, so habe sich, nicht von einer, sondern von vielen Stimmen, ein lautes Wehklagen, vermischt mit Ausdrücken der Verwunderung, erhoben. Da nun viele Menschen dabeigewesen seien, so habe sich die Geschichte schnell in Rom herumgesprochen, und Thamus sei vom Kaiser Tiberius zur Audienz befohlen worden.

      Pan ist der Gott der Natur und des Waldes. Er, Sohn des Hermes, trägt einen gekrümmten Hirtenstab bei sich, dazu eine siebenröhrige Flöte, die Panflöte. Pan hat Ziegenfüße. Trotzdem lässt er sich die Freude an der Musik und auch am Tanz nicht nehmen. Er umgibt sich mit Nymphen, heute würde man sagen Groupies. Ja, er ist ein Gott der Gaudi, leutselig im Umgang und friedlich von der Gesinnung. Nur um die Mittagszeit, da will er seine heilige Ruh. Stört man Pan beim Mittagsschlaf, scheucht er alle Herdentiere in der Umgebung auf und jagt sie zum Teufel, die Stampede rennt und rennt und rennt davon. Daher kommt übrigens der Ausdruck Panik.

      Und dann schrieb Plutarch Düsteres: Der große Pan ist tot. Was ihn zum ersten und einzigen Gott macht, der in irdischen Zeiten starb. Oder totgesagt wurde. Da hat sich in der Erzählung sogar Kaiser Tiberius geschreckt und wollte wissen, was los ist.

      Um das zu rekapitulieren: Der Mensch wird sich eines Gottes bewusst, berichtet von ihm, huldigt ihm. Und lässt ihn dann über die Klinge springen. Der große Pan ist tot, und das ist schrecklich. Sagt die Erzählung. Sagt die Moralvorstellung.

      Zweitausend Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Der große Pan ist tot, und das ist gut so. Sagt die Wissenschaft. Sagt die aufgeklärte Welt. Niemand braucht einen Glauben, der nicht beweisbar ist, die Naturwissenschaften am allerwenigsten. Der große Pan ist nicht belegbar. Es gibt keine Formel, die ihn beschreibt, kein Reagenzglas, das ihn untersucht, keine DNA, die seine Herkunft bestimmt. Die Wissenschaft geht in ihrer apodiktischen Denke einen Schritt weiter. Der große Pan ist nicht nur tot, es hat ihn nie gegeben. So will man es geltend machen. Die Vermessung der Transzendenz ist ein Hobby für Tölpel. Und jeder, der sich anschickt, zu diesem Thema Gedanken zu formulieren, und auch noch so dummdreist ist, sie auszusprechen, dem werden die Stimmbänder mit dem Skalpell des Hochmuts durchtrennt. Als Arzt weiß ich, wovon ich spreche. Als gläubiger Mensch sowieso.

      Dabei wäre es nur recht und billig, die überdimensionale Frage des Seins zu stellen:

      Hat die Welt einen Architekten?

      Ich behaupte, ja.

       Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.

       Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.

      Die Genesis, eine Science-Fiction-Story? Steht man vor den Kathedralen Europas, in denen jahrhundertelang Menschen den Kontakt zum Transzendenten suchten, und hört man darin, was große Musiker zu Gottes Ehren komponierten, so ergreifend, dass die gotischen Säulen des Kircheninnenraumes mitzuschwingen versuchen, dann hat das eine Wirkung, die tief unter die Haut geht und direkt in die Seele. Bestaunt man klassische Bilder in den großen Galerien der Welt, die nur verständlich werden, wenn man das Christentum kennt, dann hat es einen tieferen Sinn, alles weiterzudenken. Transzendenz ist der Schlüssel zu neuer Erfahrung, vielleicht sogar zu allem.

      Zwei Jahrtausende haben christliche Denker um Antworten auf die großen Fragen der Menschheit

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