Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber

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Baupläne der Schöpfung - Johannes Huber

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Margarete: Das ist nicht recht, man muß dran glauben.

       Faust: Muß man?

      Faust windet sich aus dem Gespräch heraus, gibt keine konkreten Antworten auf die Frage nach der Religion. Und Goethe schweigt auch schon seit geraumer Zeit.

      Eine naturalistische Weltanschauung, die sich über letzte Gründe ausschweigt, wird von vielen als glatt, steril und zumutungsreich empfunden. Wie ein Loft, das riesig, hip und noch nicht fertig eingerichtet ist. Eine Künstlerwohnung, die sich an der Kargheit der Erkenntnis orientiert. Minimalistisch zieht. Es ist eine Art Nirosta-Bekenntnis mit Teflon-Beschichtung. Einem Nichts kann nichts anhaften. An einem Nichts perlt alles ab. Wer an keinen Gott glaubt, kann nicht enttäuscht werden. Wer braucht Gott überhaupt? Immerhin haben wir Facebook.

      Mit dem Atheismus ist das so eine Sache. Einer Studie zufolge sagen sechzehn Prozent der Befragten, dass sie nicht an Gott zu glauben, aber nur fünf Prozent bezeichnen sich als Atheisten. Paradox, nicht? Wo hört der Unglaube auf, wo beginnt der Atheismus? In Simmering?

      Mir erscheint es trotzdem intellektuell redlich, an einer religiösen Interpretation unserer Existenz festzuhalten. Allerdings wird es zur Aufgabe jeder Theologie, die transzendentale Botschaft so zu verkünden, dass sie erstens in die heutige Zeit passen, zweitens sie jeder versteht und drittens sie auch in der Reflexion auf das Weltbild der modernen Naturwissenschaften stimmen.

      Zentrale christliche Glaubensinhalte wie die Menschwerdung und die Auferstehung müssen in ihrer Kernaussage begriffen und dargestellt werden. Das metaphorische Vokabular der Vergangenheit kann man ruhig infrage stellen, ohne dass man gleich auf die Botschaft verzichten müsste. Es ist, wie das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die alten Geschichten werden nicht neu überarbeitet, sondern schlichtweg für falsch erklärt. Heute hieße das: Man hätte sich mehr um ein modernes Storytelling mit einer fetzigen Dramaturgie und coolen Charakteren kümmern sollen. Jede Zeit hat ihre Sprache. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Plot schlecht ist. Die Handlung stimmt.

      Die Theologie braucht sich nicht von der naturwissenschaftlichen Weltbetrachtung zurückziehen und defensiv einstimmen, dass der Glaube eine schlechthin andere Wahrheitsform als das Wissen sei. Der Glaube kann Berge versetzen, heißt es. Heute vielleicht Bitcoins.

      3

      Glaube und Wissen, ­lange Zeit eine Einheit

      Viele Naturforscher nährten ihren investigativen Ehrgeiz aus der Überzeugung, durch ihre Suche die Baupläne der Schöpfung besser verstehen zu können. Wissen und Existenzdeutungen waren keine Gegensätze, sie ergänzten einander.

      In seinem Todesjahr 1543 publizierte Nikolaus Kopernikus, Astronom, Arzt und Domherr zu Frauenburg, sein Hauptwerk Über die Umschwünge der Himmlischen Kreise, lateinisch: De revolutionibus orbium cellestium. Dieses Buch, das die Umdrehungen der Hemisphären behandelt, hatte er dem damaligen Papst Paul III. gewidmet. Als Wissenschaftler erkannte Kopernikus, dass nicht die Erde im Mittelpunkt steht, also das geozentrische System, sondern die Sonne; um sie drehen sich die Planeten unseres heliozentrischen Systems. Als Theologe war Kopernikus der Meinung, mit seiner Theorie die Schöpfungsgeschichte besser interpretieren zu können.

      Lange Zeit blieb seine Auffassung nur unter Astronomen ein Diskussionspunkt, die Kirche war noch nicht sensibilisiert. Erst als am Ende des 16. Jahrhunderts die heliozentrische Hypothese als naturwissenschaftliches Argument gegen die Schöpfungsgeschichte instrumentalisiert wurde, begann die Kirche – unklug ablehnend – zu reagieren.

      Ähnlich war es beim Fall Galilei. Er machte dort weiter, wo Kopernikus mit seinem gewagten Vorpreschen begonnen hatte. Galileo Galileis Erkenntnisse wurden zunächst von der Amtskirche honoriert.

      Zufällig hatte er 1610 von der Erfindung des Linsenfernrohres gehört, es nachgebaut und dann etwas gemacht, was vor ihm offensichtlich noch niemand getan hatte: Er richtete sein kleines Teleskop Richtung Himmel und machte Beobachtungen, die er zu deuten verstand. In seiner Schrift Sidereus Nuncius (Sternenbote) beschreibt er, wie sich die Milchstraße im Fernrohr in Myriaden einzelne Sterne auflöste und der Mond Gebirge und Täler besitzt, sprich dass der Himmel nicht ganz anders sein konnte als die Erde. Diese Ähnlichkeit, letztendlich zwischen Mond und Erde, machte für ihn ähnliche Gesetze im Himmel und auch auf Erden wahrscheinlich. Galilei knüpfte an die Theorien von Kopernikus an und erhärtete sie mit seinen Beobachtungen durch das Fernrohr. Wieder und wieder spähte er in den Nachthimmel und entdeckte die Jupitermonde, die ihm zeigten, dass das auf den Beobachtungen des antiken Astronomen Claudius Ptolemäus basierende geozentrische System nicht in allem stimmen konnte. Denn die Monde drehen sich nicht um die Erde, sondern um den Jupiter. Wenig später sah er mit seinem Teleskop, dass die Venus sich ähnlich verändert wie der Mond. Auch sie zeigt verschiedene Phasen, von der schmalen Sichel bis zur vollen Scheibe. Was nur damit zu erklären war, dass sie um die Sonne läuft.

      Das heliozentrische System war mit dem Fernrohr bestätigt.

      Quod erat demonstrandum.

      Eine bahnbrechende Entdeckung. Ein Meilenstein in der menschlichen Forschergeschichte.

      Galilei war in der Sekunde berühmt. 1611 wurde er von Papst Paul V. empfangen und vom Jesuitenkollegium, das sich sehr eindringlich mit der Astronomie befasste, ausgezeichnet. In allen Ehren. Kein Mensch dachte daran, dass es hier einen Widerspruch zur Bibel geben könnte. Der Papst nickte wohlwollend, die Jesuiten applaudierten.

      Bis der Neid aufzog. In Form von lieben Kollegen. Es waren Physiker aus Mittelitalien, schmallippige Herren, die es nicht gerne sahen, dass Galileo Galilei mit seinen Fernrohren ein kleines Vermögen verdiente. Die Leute rissen sich um die Teleskope, kauften sie reihenweise und starrten in den Nachthimmel, als stünden dort die letzten Geheimnisse der Menschheit geschrieben. Galileo hatte sozusagen das iPhone seiner Generation entdeckt.

      Den Physikern und Fachkonkurrenten stand der Schaum vor dem Mund. Sie waren es dann auch, die hergingen und sagten: Nein, die Jupitermonde gibt es doch gar nicht, und nein, die Phasenverschiebung der Venus gibt es auch nicht. Lug und Trug! Sie hielten am ptolemäischen System fest, als wäre es ihr letzter Wille.

      Die verbohrten Professoren weigerten sich sogar, durch ein Fernrohr zu schauen. Geschweige denn den ganzen Humbug von wegen heliozentrischem Weltbild nachzubeten, nur weil dieser bärtige Geck Galilei antänzelte mit seinem ganzen Geld und die Leute irre machte. Galileo mochte diese Herren verständlicherweise nicht, er nannte alle, die Kopernikus und ihm widersprachen, »geistige Pygmäen, die es kaum verdienten, menschliche Wesen genannt zu, werden.«

      Die geistigen Pygmäen antworteten mit einer Verschwörung. Sie drohten der römischen Inquisition, den rechten Glauben zu verlassen, wenn Galilei nicht verurteilt würde. Ketzer!

      Dem Kardinal Großinquisitor Robert Bellarmin, einem Sympathisanten Galileis, blieb gar nicht anderes übrig, als ihn unter Hausarrest zu stellen. Für das Lehrgebäude war diese Auseinandersetzung wichtig, denn dadurch konnte die biblische Kosmologie neu verstanden werden.

      Nach mehr als 20 Jahren der Auseinandersetzung mit der Inquisition hat man Galilei genötigt, seinen sogenannten Irrlehren abzuschwören. Sonst hätten sie ihn verbrannt. 1992 wurde er von der Kirche rehabilitiert. Manchmal braucht es eben 360 Jahre, um einen Fehler einzugestehen. Die Kirche ist kein Railjet.

      Spannend war es auch, als Jahrzehnte später Isaac Newton die universalen Kraftgesetze mathematisch dokumentierte. Der Legende nach saß er anno 1666 in Cambridge unter einem Baum und ließ die Abendsonne auf sein Gemüt scheinen, als plötzlich Wind aufzog. Eine Bö erfasste die Äste und rüttelte an ihnen, bis ein Apfel herunterfiel, direkt

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