Die Kleinbürger. Оноре де Бальзак

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Die Kleinbürger - Оноре де Бальзак

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Mensch, aber sie ist zu lebhaft; sie liebt dich auf ihre Art; mit mir macht sie es ebenso.«

      Celeste, die daran dachte, wie mütterlich ihre Schwägerin für sie gesorgt hatte, verzieh ihr. Ihren Bruder behandelte Brigitte übrigens als Herrn des Hauses: sie rühmte ihn vor Celeste und machte aus ihm einen Autokraten, einen Ladislaus, einen unfehlbaren Papst. Frau Thuillier, die keinen Vater und Großvater mehr hatte, und ihre Mutter, die nur an den Donnerstagen zu ihr kam, und welche sie im Sommer Sonntags besuchte, nur wenig sah, besaß als Gegenstand ihrer Liebe nur ihren Mann, erstens weil er ihr Mann war und dann, weil er für sie der schöne Thuillier blieb. Er behandelte sie auch manchmal wie seine Frau, und alle diese Gründe machten ihn für sie anbetungswürdig. Er erschien ihr um so vollkommener, als er sie oft verteidigte und mit seiner Schwester schalt, obwohl das nicht aus Interesse für seine Frau geschah, sondern aus Egoismus und um in der kurzen Zeit, die er zu Hause verbrachte, Ruhe zu haben.

      Der schöne Thuillier erschien zu Hause nur zum Essen und spät abends zum Schlafen; er besuchte Bälle in seinem Gesellschaftskreise, und zwar immer allein, ganz so, als ob er noch Junggeselle wäre. So waren die beiden Frauen immer mit sich allein. Unmerklich gewöhnte sich Celeste an ihre passive Rolle und wurde das, was Brigitte wollte: ihre Sklavin. Die Königin Elisabeth dieses Haushalts ging nun von ihrem herrschsüchtigen Benehmen zu einer Art mitleidigen Verhaltens gegen dieses Opferlamm, das sich dauernd aufopferte, über. Sie mäßigte schließlich ihr hochmütiges Wesen, ihre verletzenden Redensarten und ihren verächtlichen Ton, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass ihre Schwägerin ihr Joch willig trug.

      Und als sie bemerkte, dass die Kette den Hals ihres Opfers wund rieb, sorgte sie für es als für eine ihr gehörige Sache, und Celeste lernte bessere Zeiten kennen. Wenn sie diesen Verlauf mit dem Anfang verglich, so fühlte sie eine gewisse Zuneigung für ihren Henker. Um irgendeine Möglichkeit, sich zu verteidigen, zu finden, um irgend etwas in diesem Hause, das ohne ihr Wissen von ihrem Vermögen lebte, ohne dass sie mehr als die vom Tische gefallenen Brosamen bekam, zu werden, dafür bot sich für die arme Sklavin nur eine Aussicht, aber diese Aussicht erfüllte sich nicht.

      Nach sechsjähriger Ehe hatte Celeste noch kein Kind bekommen. Diese Unfruchtbarkeit, die sie allmonatlich Ströme von Tränen vergießen ließ, erregte lange Zeit Verachtung bei Brigitte, die ihr vorwarf, dass sie zu gar nichts tauge, nicht einmal zum Kinderkriegen. Die alte Jungfer, die so sehr darauf gerechnet hatte, ein Kind ihres Bruders wie ein eigenes liebhaben zu können, brauchte lange Zeit, um sich an den Gedanken einer solchen unheilbaren Unfruchtbarkeit zu gewöhnen.

      Zur Zeit, da diese Geschichte beginnt, im Jahre 1840, hatte Celeste, nun sechsundvierzig Jahre alt, aufgehört, darüber zu weinen, nachdem sie die traurige Gewissheit erlangt hatte, dass sie niemals Mutter werden würde. Merkwürdig! Nach fünfundzwanzig Jahren häuslichen Zusammenlebens, nachdem ihr Sieg den Dolch stumpf gemacht und zerbrochen hatte, liebte Brigitte Celeste ebenso, wie Celeste sie liebte. Die Zeit, die Gewohnheit, das beständige Nebeneinander im Hause, das die Ecken abgestumpft und die Rauheiten abgeschliffen hatte, ihre Ergebung und ihre Lammesgeduld – alles zusammen verschaffte Celeste einen heiteren Lebensherbst. Beide Frauen hatten ja dasselbe gemeinsame Gefühl, das sie belebte: sie beteten beide den glücklichen egoistischen Thuillier an.

      Und endlich hatten die beiden Frauen, alle beide kinderlos, wie alle Frauen, die sich vergeblich nach Kindern gesehnt haben, sich in ein Kind verliebt. Diese fingierte Mutterschaft, die aber so stark war wie eine wirkliche, verlangt eine Auseinandersetzung, die auf den Kernpunkt dieses Dramas führt und zugleich die Gründe für einen Zuwachs an Beschäftigung angibt, die Fräulein Thuillier für ihren Bruder gefunden hatte.

      Thuillier war als Supernumerar zusammen mit Colleville eingetreten, von dem, als seinem intimen Freunde, schon die Rede gewesen ist. Neben die ruhige und so geregelte Wirtschaft Thuilliers hatte das Geselligkeitsbedürfnis die Collevilles als Kontrast hingesetzt, und wenn man auch unmöglich übersehen kann, dass es ein auf den Zufall gestellter und kein bewusster Kontrast war, so muss doch hinzugefügt werden, dass man Schlüsse daraus besser erst am Ende dieses Dramas zieht, das unglücklicherweise nur allzuwahr, für das im übrigen aber der Erzähler nicht verantwortlich ist.

      Dieser Colleville war der Sohn eines talentvollen Musikers, der vordem an der Oper unter Franceur und Rebel die erste Violine spielte. Bei seinen Lebzeiten erzählte er mindestens sechsmal im Monat Anekdoten von den Aufführungen des »Dorfpropheten« und machte Jean-Jacques Rousseau wundervoll nach. Colleville und Thuillier waren unzertrennliche Freunde; sie hatten keine Geheimnisse voreinander, und ihre Freundschaft, die mit fünfzehn Jahren begonnen hatte, war bis zum Jahre 1839 ungetrübt geblieben.

      Colleville war einer von den Beamten, die in den Büros mit »Betriebsvetter« bezeichnet werden. Diese Beamten zeichnen sich durch ihre Betriebsamkeit aus. Colleville, ein guter Musiker, verdankte dem Namen und dem Einflusse seines Vaters die Stelle als erster Klarinettist an der Komischen Oper, und solange er Junggeselle war, teilte er, da er etwas mehr als Thuillier hatte, häufig mit seinem Freunde. Aber im Gegensatz zu Thuillier schloss Colleville eine Neigungsheirat, indem er zur Frau Fräulein Flavia nahm, die natürliche Tochter einer berühmten Tänzerin an der Oper, ein angebliches Kind von du Bourguier, einem der reichsten Lieferanten dieser Zeit, der, nachdem er sich im Jahre 1800 ruiniert hatte, sich um so weniger um seine Tochter kümmerte, als er Zweifel an der Treue der berühmten Tänzerin hegte.

      Ihrem Äußeren und ihrer Herkunft nach sah sich Flavia zu einem ziemlich traurigen Handwerk bestimmt, als Colleville, der häufig mit der reichen ersten Kraft der Oper zu tun hatte, sich in Flavia verliebte und sie heiratete. Der Fürst Galathionne, der im September 1815 der Protektor der berühmten Tänzerin war, die damals am Ende ihrer glänzenden Laufbahn stand, gab Flavia eine Mitgift von zwanzigtausend Franken, und die Mutter fügte dem eine prachtvolle Ausstattung hinzu. Die ständigen Gäste des Hauses und die Kameraden an der Oper schenkten Schmucksachen und Geschirr, so dass Collevilles Haushalt viel reicher an Überflüssigem als an Kapital war. Flavia, im Überfluss aufgewachsen, bezog zuerst eine reizende Wohnung, die der Lieferant ihrer Mutter möblierte, und hier thronte die junge Frau, die voll Geschmack für die Künste, die Künstler und für eine gewisse Eleganz des Lebens war.

      Frau Colleville war hübsch und pikant, geistvoll, lustig, liebenswürdig und, alles zusammengenommen, ein guter Kerl. Im Alter von dreiundvierzig Jahren verließ die Tänzerin das Theater und zog sich aufs Land zurück, und so sah sich ihre Tochter der Hilfsquellen beraubt, die ihr ihre verschwenderische Üppigkeit gewährt hatte. Frau Colleville führte ein sehr angenehmes Haus, das aber außerordentlich kostspielig war. Sie gebar zwischen den Jahren 1816 und 1826 fünf Kinder. Abends Musiker, führte Colleville morgens von sieben bis neun Uhr einem Kaufmann die Bücher. Um zehn Uhr erschien er in seinem Büro. Und indem er so abends in ein Stück Holz blies und morgens an der doppelten Buchführung schrieb, verdiente er sich jährlich sieben- bis achttausend Franken.

      Frau Colleville spielte die vornehme Dame; sie empfing Mittwochs, hatte alle Monat ein Konzert bei sich und gab alle vierzehn Tage ein Diner. Colleville sah sie nur beim Essen und spät, wenn er um Mitternacht heimkehrte; oft war sie dann selbst noch nicht zu Hause. Sie ging ins Theater, da sie manchmal Logenplätze geschenkt bekam, und benachrichtigte Colleville mit ein paar Worten, dass er sie in dem und dem Hause, wo sie tanzte oder soupierte, abholen solle. Man speiste vortrefflich bei Frau Colleville, und die etwas gemischte Gesellschaft amüsierte sich dort ausgezeichnet; sie sah berühmte Schauspielerinnen bei sich, Maler, Schriftsteller und einige reiche Leute. Frau Colleville war ebenso elegant wie Tullia, die erste Tänzerin an der Oper, die sie oft besuchte; aber wenn die Collevilles auch alles, was sie hatten, verbrauchten und am Monatsende häufig in Verlegenheit waren, so machte Flavia doch niemals Schulden.

      Colleville war sehr glücklich; er liebte seine Frau immer noch und war immer noch ihr bester Freund. Stets mit liebevollem Lächeln und mit gewinnender Herzlichkeit empfangen, unterwarf er sich ihrer reizenden Art und ihrem unwiderstehlichen Zauber. Die wilde Arbeitslust, die er in seinen drei Berufen entwickelte, entsprach übrigens seinem Charakter

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