Auf dem Gipfel gibt's keinen Cappuccino. Heidi Sand

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Auf dem Gipfel gibt's keinen Cappuccino - Heidi Sand Themen

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auffrischen kann. Gratis Sprachkurs und eine Gipfelbesteigung? Prima Deal. Ich will jetzt noch nicht zu viel verraten, aber ich kann sagen, dass ich in sechs Wochen, wenn ich mich auf dem Rückweg vom Gipfel befinden werde, heilfroh bin, dass ich Ang Janbu und seinen Kollegen Greg Vernovage an meiner Seite habe. Also, wenn Sie auch mal auf den Everest möchten, dann sollten Sie sich die Website von IMG auf jeden Fall mal angucken …

      Dass IMG bei den Sherpas und Guides vor Ort wie erwähnt über einen exzellenten Ruf verfügt, beruhigt mich auch, denn der Everest ist sicher nicht der freundlichste Ort der Welt. Ein Krankenhaus gibt es nicht, einen netten desinfizierten Operationssaal für etwaige Probleme schon mal gar nicht. Wenn hier etwas passiert, darf das nur bis zu einer Höhe von 6 000 Metern passieren, und dann hilft es ganz sicher, wenn man sich auf Profis verlassen kann. Und ich bin froh, dass ich diese erfahrenen Profis für den Fall der Fälle an meiner Seite habe.

      Aber da ist noch ein Gedanke, den ich allerdings so gut es geht verdränge. Ich bin zwar in erster Linie Bergsteigerin, aber ich bin in diesem Moment auch Krebsüberlebende. Ich gelte als geheilt, und ich fühle mich bestens. Aber trotz allem sind die Nebenwirkungen der Chemo immer noch spürbar und für eine Expedition auf den Everest auch nicht ganz ungefährlich. So litt ich bei meiner Ankunft am Berg immer noch unter Neuropathie, einer Erkrankung des peripheren Nervensystems, was bedeutet, dass meine Finger und Zehenspitzen taub waren. Darüber hinaus hatte ich kein Gefühl für Kälte – an einem der kältesten Orte der Welt nicht unbedingt vorteilhaft. Und dann ist da auch tief drinnen der Gedanke oder eher die Frage, was passiert, wenn auf dem Berg etwas passiert. Was, wenn ich auf 7 000 Metern plötzlich dasselbe Bauchziehen habe wie vor zwei Jahren auf dem Mount Denali? Oder was, wenn der Blinddarm oder der Weisheitszahn anfängt zu zicken? Plötzliche Krankheiten, die bei uns auf Normalnull sofort behandelt werden können, können 5 000 Meter weiter oben zu ernsthaften Problemen führen. Was, wenn zu Hause etwas passiert, während ich auf 7 000 Metern durch die Lhotse-Wand klettere? In diesem Moment merke ich einmal mehr, dass man sich

      einfach nie immer auf alles vorbereiten kann. Bei gewissen Dingen reicht es eben nicht, Erfahrung zu haben oder Literatur gewälzt zu haben. Auf gewisse Dinge haben wir einfach keinen Einfluss, auch wenn wir uns noch so anstrengen. Am Everest gilt das vielleicht noch mehr als auf Normalnull, und ich bin kein Fan dieses Gedankens. Das Wetter, der Berg, die Lawinen, das sind alles Variablen in meiner Gipfelgleichung, die ich nicht beeinflussen kann. Hier brauche ich eben auch einfach Glück, Vertrauen und die Fähigkeit, gewisse Dinge loszulassen. Ich könnte mich damit verrückt machen, darüber nachdenken, was wohl passiert, wenn der Krebs zurückkommt. Ich könnte bei jedem Ziehen im Bauch ans Umdrehen denken. Die Angst, das gebe ich offen zu, ist da. Aber das Ziel ist in diesem Moment einmal mehr größer. Die Kraft, die der Wunsch in mir auslöst, lässt mich weitergehen, die hinderlichen Gedanken verdrängen, sie erlaubt es mir, mich auf das zu konzentrieren, was ich tun kann. Ich kann meine Krankheit oder das Wetter am Berg nicht kontrollieren, aber ich kann einen Fuß vor den anderen setzen. Ich kann mich auf meine mentale Stärke berufen, auf mein Training, meine Erfahrung und Vorbereitung und mein Team. Und all dies zusammen erlaubt es mir, diese Krise langsam hinter mir zu lassen.

      Aber jetzt bin ich erst mal in Lukla. Von hier aus haben wir einen zehn Tage langen Treck zum Basislager des Mount Everest vor uns und bekommen dafür die ersten Helfer zur Seite gestellt: Neben den Sherpas, von denen uns einige bis auf den Berg begleiten, sind auch die Yaks bis ins Basislager mit von der Partie. Die zotteligen Tiere, so erfahre ich von den Einheimischen, sind in den Hochregionen der wichtigste Helfer der Menschen, und das aus allerlei Gründen. Zum einen dienen sie als Lasttier und können bis zu einer Höhe von über 7 000 Metern bis zu 80 Kilo tragen und dabei auch noch stolze 30 Kilometer pro Tag zurücklegen. Praktischerweise sind sie auch sehr kälteresistent, Temperaturen bis zu −30 Grad vertragen sie problemlos. Wenn die Bergsteiger nach Hause fliegen, wird die Wolle der Yaks geschoren, und wenn es nicht mehr als Lasttier dienen kann, liefert es eisen- und zinkreiche Nahrung. Zudem können die Tiere Milch geben, und Yakleder eignet sich bestens zur Weiterverarbeitung. Und als sei das noch nicht genug, wird der Kot der Tiere getrocknet und als Brennmaterial genutzt, was zwar nicht besonders gut riecht, aber angesichts der Tatsache, dass es hier keine Heizungen gibt, erträglicher ist als zu frieren. Ich nenne die zotteligen Gefährten – nicht ganz ernsthaft – die eierlegende Wollmichsau.

      Die Tiere unterstützen auch uns beim Tragen, denn viele von uns haben bis zu 210 Kilo schweres Gepäck dabei. Nein, nein, ich habe keinen Kühlschrank mitgebracht, aber so so unhandliche Dinge wie Sauerstoffflasche und Zelt. Und mein Gepäck kommt dabei auch nur auf 40 Kilo. Vielleicht kommt beim Packen immer der Schwabe in mir durch. Ich packe immer eher sparsam, damit ich am Flughafen keine Unmengen für das Übergepäck bezahlen muss. In diesem Zusammenhang werde ich auch oft gefragt, wie man sein Gepäck für den Everest zusammenstellt. Immerhin stellt einen ja schon eine zweiwöchige Strandreise vor eine Herausforderung. Zumindest weiß ich, dass es bei mir so ist. Die Antwort ist in diesem Fall aber ganz einfach: Es gibt eine Liste, die uns von IMG zur Verfügung gestellt wird und die man systematisch abhakt, um sicherzustellen, dass man nichts vergisst. Im Strandurlaub kann man Bikini und Handtuch notfalls vor Ort kaufen, auf dem Everest gibt es keinen Supermarkt, und niemand möchte kurz vor dem Khumbu-Eisgletscher feststellen, dass er seinen Helm zu Hause vergessen hat.

      Unser Weg von Lukla zum Everest-Basislager führt uns durch das Khumbu-Tal und mitten rein in eine Berglandschaft mit einem wahrlich einzigartigen und unverwechselbaren

      Panorama. Sie ist auch die Heimat der Sherpas, einer kleinen Volksgruppe, die sich aufgrund ihrer enormen Anpassungsfähigkeit an extreme Höhen sowie ihrer Kraft und Ausdauer als treue und zuverlässige Bergbegleiter weltweit einen Namen gemacht hat. Natürlich wird auch unsere Gruppe von einigen Sherpas begleitet, und ich kann die wichtige Rolle, die jeder Einzelne von ihnen dabei spielt, nicht genug hervorheben. Ich lerne viel über das Leben der Einheimischen, und mit jeder Geschichte wächst mein Respekt vor der Leistung und der Einstellung der Menschen, die ganz ohne Maschinen oder sonstige Hilfsmittel harte Feldarbeit verrichten, um ihre Familien zu ernähren. Diese harte Arbeit wird dabei meist von den Frauen erledigt, da die Männer wochenlang unter schweren Bedingungen auf Expeditionen unterwegs sind. Und doch wirkt jeder Einzelne von ihnen heiter und freundlich. Auch die Kinder

      helfen bei der Arbeit. Wer die Möglichkeit hat, eine Schule zu besuchen, muss einen Schulweg von mehr als zwei Stunden absolvieren und dabei auch noch schwere Lasten ins nächste Dorf tragen. Wenn ich dies mit unserem Leben vergleiche, kann ich nur schmunzeln, besonders wenn ich an unsere Kinder denke und die Gedanken, die wir uns machen. Ist der Schulranzen zu schwer? Ist der Schulweg zu lang? Oh je, es regnet, ich fahre das Kind besser mit dem Auto in die Schule. Diese krassen Gegensätze lassen mich oft innehalten, wenn mir die Sherpas von ihren Leben erzählen. In den nächsten Wochen sind sie Weggefährten und Freunde, Helfer und Köche, sie stehen mit Rat und Tat zur Seite, und das selbst noch auf über 8 000 Metern. Sicher, eine Besteigung des Mount Everest ist ohne sie möglich, aber diese wunderbaren Menschen machen es mir so viel leichter und werden darüber hinaus im Laufe der Zeit zu engen Freunden. Dank sozialer Medien ist es mir auch jetzt noch möglich, mit einigen von ihnen in Kontakt zu bleiben, und dabei vermisse ich besonders Kalj, unseren wunderbaren Koch. Im Basislager steht er jeden Morgen lange vor uns auf, um uns mit warmen Tee, Toast und Porridge zu begrüßen und für den Tag zu stärken.

      Das Khumbu-Tal lebt ausschließlich vom Tourismus und den Einnahmen, die der Berg mit sich bringt. Hier oben funktionieren nur wenige Handys, hupende Autos und sonstigen Straßenlärm sucht man vergebens. Hier gibt es nur den eigenen Körper und die eigenen Gedanken. Der Weg ins Basislager hilft mir loszulassen. Ich merke, wie sich meine Probleme, die ich von zu Hause mitgebracht habe, immer mehr verflüchtigen, und sammele Kraft und Inspiration, während sich mein Kopf auf das einstellt, was sich direkt und in Farbe vor mir aufbaut: die unglaubliche Weite des Himalaya.

      Auch der Fußmarsch ins Basislager kann mit einem 30-minütigen Helikopterflug ersetzt werden. Das ist aber nicht ratsam. Die Reise zu Fuß durch den Himalaya dient der ersten Akklimatisierung, der Gewöhnung an die Höhe. Viele, die darauf verzichteten, mussten vor dem Gipfel wieder umdrehen. Darüber

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