Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz
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Trotz dieses tröstlichen Zuspruches überkam ihn aber zuweilen eine schmerzliche Sehnsucht, und als Macko ihn wieder besuchte, fragte er sogleich, ohne sich und ihm Zeit zur Begrüßung zu lassen, während er durch das Gitterfenster in der Mauer blickte: »Und wie ist es draußen im Freien?«
»Golden leuchtet die Sonne und erwärmt so, daß die ganze Welt darüber erfreut ist.« Daraufhin hob Zbyszko beide Arme empor, und den Kopf zurückwerfend rief er: »Ach, allmächtiger Gott! Nun ein Pferd unter mir zu haben und über die weiten Felder reiten zu können! Weh thut es doch, wenn man so jung zu Grunde gehen muß. Furchtbar weh!«
»Wie oft gehen die Leute samt ihren Pferden zu Grunde,« entgegnete Macko.
»Ja, wenn sie selbst schon viele umgebracht haben.«
Nun fragte er nach den Rittern, welche er am Hofe des Königs gesehen hatte, nach Zawisza, nach Farnrej, nach Powala aus Taczew, nach Lis aus Targowisko und nach allen andern. Er wollte wissen, wie sie sich die Zeit vertrieben, mit welchen Waffenspielen sie sich beschäftigten. Dann hörte er aufmerksam den Bericht Mackos an, welcher erzählte, wie sie sich schon in der Frühe in voller Rüstung zu Pferde setzten, wie sie Stricke zerrissen, wie sie sich mit dem Messer, mit dem Beile und mit Bleigeschossen übten und schließlich auch, welche Schmausereien sie veranstalteten, welche Gesänge sie sangen.
Mit ganzer Seele und ganzem Herzen wünschte nun Zbyszko, an all dem teilnehmen zu können, und als er erfahren hatte, daß Zawisza sich gleich nach der Taufe hinunter ins Ungarland und zu den Türken aufmachen wolle, rief er unwillkürlich aus: »Daß ich doch mit ihm mein Glück versuchen dürfte! Ginge ich dann zu Grunde, so wäre es wenigstens im Kampfe gegen die Heiden.«
Doch des Gefangenen Wünsche konnten nicht erfüllt werden und mittlerweile traten neue Ereignisse ein. Von Zbyszkos Jugend und Schönheit gerührt, hatten die beiden masovischen Fürstinnen dessen traurige Lage nicht vergessen. Endlich beschloß die Fürstin Alexandra Giemowitow einen Brief mit einer Fürbitte an den Großmeister zu schicken. Zwar konnte dieser das vom Kastellan gesprochene Urteil nicht umstoßen, aber er konnte sich wenigstens selbst beim König für den Jüngling verwenden. Und selbst wenn Jagiello nicht Gnade für Recht ergehen ließ, weil es sich um einen Angriff auf den Gesandten handelte, war es gleichwohl nicht zu bezweifeln, daß die Vermittlung des Meisters ihm lieb sein werde. So zog denn neue Hoffnung in das Herz der beiden Frauen ein. Die Fürstin Alexandra, welche eine Vorliebe für die verfeinerten Ordensritter hatte, ward von diesen ungewöhnlich geschätzt. Aus Marienburg kamen häufig reiche Gaben und Briefe an sie, worin sie der Meister eine verehrungswürdige, gottselige Wohlthäterin und vortreffliche Fürsprecherin des Ordens nannte. Ihr Wort galt viel, und es war große Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß sie keine abschlägige Antwort erhalten werde. Es handelte sich nur darum, den geeigneten Boten zu finden. Mußte dieser doch alles aufbieten, um den Brief so rasch wie möglich abzuliefern und die Antwort zu überbringen. Der alte Macko übernahm den Auftrag ohne langes Bedenken, und der Kastellan erklärte sich bereit, die Urteilsvollstreckung bis zu einem bestimmten Termin hinauszuschieben.
Von neuem Mut erfüllt, war Macko noch den nämlichen Tag geschäftig, sich zur Abreise zu rüsten, dann begab er sich zu Zbyszko und teilte ihm die frohe Nachricht mit.
Im ersten Augenblick bezeigte dieser tatsächlich eine solche Freude, wie wenn die Thüre seines Gefängnisses schon offen stünde. Plötzlich aber ward er nachdenklich, sein Gesicht verfinsterte sich und er sagte: »Wie kann man von jenen Deutschen etwas Gutes erwarten! Auch Lichtenstein hätte den König um Gnade bitten können, – denn er hätte dabei nur gewonnen und sich vor unserer Rache geschützt, – aber gerade deshalb that er es nicht.«
»Er ist ergrimmt darüber, daß wir ihn auf der Landstraße von Tyniec nicht um Verzeihung baten. Doch von dem Ordensmeister Kondrad sprechen die Leute nur Gutes. Und gesetzt auch, wir erreichen nichts, was verlierst Du dann dabei?«
»Ihr habt recht!« entgegnete Zbyszko, »aber beugt Euch nur nicht zu tief vor ihm.«
»Weshalb sollte ich mich vor ihm beugen? Den Brief der Fürstin Alexandra trage ich hin – das ist alles.«
»Da Ihr so gut seid, möge Euch Gott dort beistehen!«
Plötzlich schaute er den Oheim scharf an und sagte: »Und wenn mir der König verzeiht, dann ist Lichtenstein mein, nicht Euer. Nicht Ihr dürft ihn dann fordern. Vergeßt das nicht!«
»So lange Dir der Kopf nicht fest auf dem Nacken sitzt, ist eine Herausforderung unnütz. Und thörichte Gelübde hast Du schon genug abgelegt,« versetzte der Alte erregt.
Dann umarmten sie sich, und Zbyszko blieb allein. Sein Herz war bald von Furcht, bald von Hoffnung erfüllt, als aber die Nacht kam, und ein furchtbarer Sturm losbrach, als das vergitterte Fenster von den grellen Strahlen des Blitzes erleuchtet ward, und die Mauern unter den heftigen Donnerschlägen erzitterten, als schließlich ein starker Windstoß die schwach leuchtende Kerze an seinem Lager auslöschte und tiefe Dunkelheit ihn umgab, da verlor Zbyszko wieder allen Mut, und die ganze Nacht konnte er kein Auge schließen.
»Ich werde dem Tode nicht entgehen, und alles ist vergeblich,« dachte er.
Am folgenden Tage besuchte ihn die edle Fürstin Anna, Janusz's Gattin; Danusia, die ihre Laute am Gürtel trug, kam mit ihr. Zbyszko kniete zu ihren Füßen nieder und trotz seiner Erschöpfung nach der schlaflosen in Angst und Unruhe verbrachten Nacht hätte er nicht um alles seiner Ritterpflicht vergessen, hätte er nicht um alles verschwiegen, welche Bewunderung er für Danusias Schönheit empfand.
Aber die Fürstin schaute ihn traurig an und sagte: »Spare Deine Bewunderung, denn wenn Macko keine günstige Antwort bringt oder gar nicht zurückkehrt, wirst Du, Armer, binnen kurzem weit Schöneres im Himmel bewundern.«
Heiße Thränen flossen über ihre Wangen, während sie an das unsichere Los des Ritters dachte, und auch Danusia weinte bitterlich. Zbyszko beugte abermals das Knie vor ihnen, denn auch sein Herz ward weich beim Anblick dieser Thränen. Zwar war sein Gefühl für Danusia nicht das eines Ehemannes für sein Weib, doch empfand er, daß er sie von ganzer Seele liebte, und daß sich in seinem Herzen etwas rege, das ihn zu einem andern, weniger heftigen, weniger gewalttätigen und kampflustigen Menschen mache, zu einem Menschen, den eine tiefe Sehnsucht zu der anmutigen Geliebten hinzog. Auch ihn überkam jetzt unendliches Leid darüber, daß er sie verlassen mußte, und unwillkürlich drückte er aus, was er ihr insgeheim gelobt hatte.
»Die Pfauenbüsche lege ich nicht zu Deinen Füßen nieder, Du Arme! – Aber wenn ich vor dem Angesicht Gottes stehe, dann will ich folgendermaßen sprechen: ›Erlaß mir, Herr, meine Sünden und gieb alles Gute, das auf der ganzen Welt vorhanden ist, keinem andern menschlichen Wesen, als der Jungfrau Danusia aus Spychow‹!«
»Nur wenig Zeit ist vergangen, seit Ihr Euch kennen lerntet und jetzt – gebe Gott, daß wir nicht vergeblich hoffen,« sagte die Fürstin.
Nun gedachte Zbyszko all dessen, was sich in der Gaststube zu Tyniec zugetragen hatte, und seine Erschütterung ward immer größer. Schließlich bat er Danusia, ihm das nämliche Lied zu singen, daß sie damals gesungen hatte. Dann hob er sie samt der Bank, auf die sie sich gestellt hatte, empor und trug sie zur Fürstin.
Und obwohl Danusia nicht zum Gesang aufgelegt war, richtete sie sofort das Köpfchen in die Höhe, drückte die Aeuglein zu, gleich einem Vögelchen, und begann:
»Wie