Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

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Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz Große verfilmte Geschichten

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das Gerücht, daß die Königin ihrem Ende entgegen gehe. Wer nur konnte, begab sich so rasch wie möglich zur Burg. Wieder war die Stadt vollständig verödet, nur die Gebrechlichen und Krüppel blieben zurück, denn sogar die Mütter mit den kleinen Kindern eilten den Thoren zu. Die Kaufgewölbe wurden nach einander geschlossen, niemand dachte an eine Mahlzeit, alle Geschäfte hatten aufgehört. Den Wawel umringte eine dichte Menschenmenge, voll Bestürzung und Angst, aber in düsterem Schweigen.

       Um 1 Uhr des Nachmittags ertönte die Glocke auf dem Turme der Kathedrale. Was dies zu bedeuten hatte, wußten die harrenden nicht, und das Haar sträubte sich auf ihrem Haupte. Aller Augen richteten sich gegen den Turm, auf die immer stärker anschlagende Glocke, deren wehmütige Klänge bald durch das Geläute der Franziskanerkirche, der heiligen Dreifaltigkeitskirche und der Marienkirche nachgeahmt wurden. Schließlich begriff man, was diese klagenden Töne bedeuteten, und Schrecken und Bestürzung erfüllten nun die Seelen dieser Menschen. Schien doch die eherne Stimme tief in ihr Innerstes zu dringen.

       Plötzlich zeigte sich auf dem Turm eine schwarze Fahne mit einem Totenkopfe in der Mitte, unter dem zwei kreuzweise übereinandergelegte Knochen zu sehen waren. Jeder Zweifel schwand nun dahin. Die Königin hatte ihre Seele Gott empfohlen. Vor der Burg erscholl lautes Weinen, und die Klagen von hunderttausend Menschen vermischten sich mit den wehmütigen Klängen der Glocken. Einige der Trauernden warfen sich zur Erde, wieder andere zerrissen ihre Kleider oder zerfleischten ihre Gesichter, manche schauten wie erstarrt auf die Burgmauern, viele ließen nur ein dumpfes Stöhnen hören, unzählige aber streckten die Arme gegen die Kirche und die Kemenate der Königin aus, indem sie Gott um Barmherzigkeit und um ein Wunder anflehten. Doch ließen sich auch Stimmen von Leuten vernehmen, welche durch die Verzweiflung sogar zur Gotteslästerung hingerissen wurden. »Weshalb ist uns die geliebte Herrin entrissen worden? Wozu dienten dann unsere Prozessionen, unsere inbrünstigen Gebete? Unsere Gelübde, unsere Opfergaben aus Silber und Gold waren willkommen, und all dies soll für nichts gewesen sein? Wieviel hast Du uns genommen und nichts dafür gegeben!«

       Und Jesu! Jesu! Jesu! stöhnten gar manche, deren Augen fortwährend von Thränen überflossen. All' diese Menschen wollten in die Burg eindringen, um noch einmal in das geliebte Antlitz der Herrin zu blicken. Man gestattete es nicht, versprach ihnen aber, daß der Leichnam binnen kurzem in der Kirche aufgebahrt werde, und daß dann jeder ihn sehen und am Sarge beten könne. Voll Trauer kehrten sie nun in die Stadt zurück, indem sie untereinander von den letzten Augenblicken der Königin, von dem bevorstehenden Leichenbegängnisse und den Wundern sprachen, welche an ihrer Leiche, sowie an ihrer Grabstätte geschehen würden, und die von allen mit Sicherheit erwartet wurden. Auch war vielfach die Rede davon, daß die Königin wohl heilig gesprochen werde, denen aber, welche daran zweifelten, drohte man voll Zorn mit dem Papste.

       Die Stadt und das ganze Land waren in tiefe Trauer versenkt, und jedermann, nicht nur das gemeine Volk, sagte sich, mit dem Tode der Königin sei der günstige Stern für das Reich erloschen. Sogar unter den vornehmen Herren zu Krakau gab es solche, welche düster in die Zukunft blickten. Sich selbst und andern begann man die Frage vorzulegen, was nun geschehen werde. Ob Jagiello jetzt noch ein Anrecht auf die Herrschaft über das Königreich habe oder zurückkehre in sein Litauen und sich mit dem großfürstlichen Throne begnüge? Manche behaupteten im voraus – und wie es sich später zeigte, nicht ohne Grund, – daß er zurücktreten werde, daß die Krone in diesem Falle große Ländereien einbüßen müsse, daß dann die Litauer neue Einfälle machen und die ergrimmten Einwohner des Königreiches blutige Vergeltung üben würden. Der Orden, der römische Cäsar, der ungarische König würden dann an Macht gewinnen und dem Reiche, das jetzt noch eines der mächtigsten auf der ganzen Welt war, würde Untergang, Schmach und Schande drohen.

       Die Kaufleute, denen das weite litauische und russische Land offen stand, legten aus Angst vor dem drohenden Verluste fromme Gelübde ab, damit Jagiello im Reiche bleibe, aber in dem Falle wurde ein baldiger Krieg mit dem Orden prophezeit. War es doch eine bekannte Thatsache, daß nur die Königin bis jetzt einen solchen Krieg verhindert hatte. Und die Leute erinnerten sich, daß sogar Jadwiga einst voll Entrüstung über die Geldgier und Habsucht der Kreuzritter, gleich einer Seherin verkündet hatte: »So lange ich lebe, so lange halte ich die Hand und den gerechten Zorn meines Gatten von Euch ab, aber bedenkt, daß Euch nach meinem Tode die Strafe für Euere Sünden treffen wird!«

       In ihrem Hochmut, ihrer Verblendung, fürchteten die Ordensritter den Krieg zwar nicht, weil sie darauf rechneten, daß nach dem Tode der Königin der Ruf von deren Heiligkeit den Zuzug von Kriegern aus den westlichen Gebieten nicht verhindern werde, und ihnen dann Tausende aus Deutschland, Burgund, aus dem Frankenlande und aus anderen fernen Ländern zu Hilfe kommen würden. Immerhin war aber der Tod Jadwigas ein so weittragendes Ereignis, daß der Gesandte des Ordens, ohne die Rückkunft des abwesenden Königs abzuwarten, sich eilig nach Marienburg begab, um dem Großmeister und dem Kapitel zuerst die wichtige, ja, in gewisser Hinsicht unheilverkündende Nachricht mitzuteilen. Von den übrigen Gesandten brachen einige gleich nach Ritter Lichtenstein auf, während andere Boten zu ihren Monarchen schickten.

       In dumpfer Verzweiflung langte Jagiello in Krakau au. Im ersten Schmerze erklärte er den Herren vom Hofe, ohne die Königin wolle er das Herrscheramt nicht länger ausüben, sondern sich nach seinem Erbgut in Litauen zurückziehen. Dann verfiel er in eine Art Erstarrung, er wollte keinerlei Entscheidung treffen, er beantwortete keine Frage, zuweilen aber wütete er gegen sich selbst, weil er abgereist und bei dem Tode der Königin fern gewesen war, weil er sich nicht von ihr verabschieden, ihre letzten Worte und Wünsche nicht hatte hören können. Vergebens stellten ihm Stanislaw von Skarbimierz und Bischof Wysz vor, daß die Erkrankung der Königin ganz unerwartet gekommen sei, und daß er aller menschlichen Berechnung nach Zeit genug gehabt hätte, zurückzukehren, wenn die Entbindung nicht verfrüht gewesen wäre. Dies gewährte ihm keine Beruhigung und linderte seinen Schmerz auch nicht. »Ohne sie bin ich nicht mehr der König, der Herrscher,« erwiderte er, »sondern nur ein reuiger Sünder, der keinen Trost kennt.« Dann warf er sich mit dem Gesicht zu Boden und niemand vermochte mehr ein Wort aus ihm herauszubringen.

       Unterdessen beschäftigte man sich eifrig mit den Vorbereitungen zum Leichenbegängnisse der Königin. Neue Menschenscharen strömten aus allen Teilen des Königreiches herbei, Edle und Leute aus dem Volke, vornehmlich aber Arme, welche auf reiche Spenden während der, einen ganzen Monat andauernden Feierlichkeiten hofften. Der in der Kathedrale ausgestellte Leichnam der Königin war derart aufgebahrt, daß der obere Teil des Sarges erhöht stand. Man hatte dies absichtlich so eingerichtet, damit das Volk in das Antlitz der Königin schauen konnte. In der Kathedrale wurde beständig Gottesdienst abgehalten. Tausende von Wachskerzen brannten am Katafalke, und mitten in diesem Schimmer, zwischen Blumen, lag » Sie«, friedlich lächelnd, einer weißen Rose gleich, die Hände fromm über dem lorbeergeschmückten Gewande gefaltet. Das Volk sah eine Heilige in ihr, Besessene, Krüppel, kranke Kinder wurden zu ihr geführt, und plötzlich ließ sich im Mittelpunkte der Kirche der Aufschrei einer Mutter vernehmen, welche in dem Gesichte ihres Kindes eine schwache Röte, das Zeichen wiederkehrender Gesundheit gewahrte, dann der eines Paralytikers, der seine gelähmten Glieder wieder gebrauchen konnte. Ein ehrfurchtsvoller Schauer erfüllte alle Herzen, die Kunde von diesen Wunderthaten verbreitete sich durch die Kathedrale, die Burg, die Stadt, und zog immer größere Scharen siecher Menschen herbei, welche sich hier Hilfe und Rettung versprachen.

       Zbyszko war jetzt vollständig vergessen, denn wer hätte bei einem so furchtbaren Unglück an einen einfachen Jüngling und an dessen Gefangenschaft in der Schloßbastei denken können. Er war durch den Gefangenwärter von der Krankheit der Königin in Kenntnis gesetzt worden, er hatte auch das Getümmel des Volkes vor der Burg vernommen, und als er dann die lauten Klagen, das Geläute hörte, warf er sich auf die Knie nieder, und seines eigenen Schicksals eingedenk, beweinte er von ganzer Seele den Tod der vergötterten Herrin. Ihn dünkte, mit ihrem Dahinscheiden sei auch für ihn alles zu Ende, ihn dünkte, die ganze Welt müsse nun zu Grunde gehen.

      

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