Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой Große verfilmte Geschichten

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um sie bequem erreichen zu können, und stieg sachte und vorsichtig in das Fenster. Indem er die Beine hinaushängen ließ und sich mit beiden Armen auf den Rand des Fensters stützte, probierte er den Platz aus, setzte sich hin, ließ die Arme los, rückte noch ein wenig nach rechts und nach links und langte sich die Flasche. Anatol brachte zwei Kerzen und stellte sie auf das Fensterbrett, obwohl es schon ganz hell war. Dolochows Rücken in dem weißen Hemd und sein kraushaariger Kopf waren von beiden Seiten beleuchtet. Alle standen dichtgedrängt beim Fenster, der Engländer in der vordersten Reihe. Pierre lächelte, ohne etwas zu sagen. Einer der Anwesenden, älter als die andern, drängte sich auf einmal mit erschrockenem, ärgerlichem Gesicht nach vorn und wollte Dolochow am Hemd ergreifen.

      »Meine Herren, das sind Dummheiten; er wird herunterstürzen und sich das Genick brechen!« sagte dieser Vernünftigere.

      Anatol hielt ihn zurück.

      »Rühr ihn nicht an; du erschreckst ihn, und er fällt herunter. Na, und was sagst du dann, he?«

      Dolochow drehte sich um, richtete sich gerade auf und stemmte sich wieder auf die Arme.

      »Wenn mich noch einmal jemand stört«, sagte er, indem er die Worte einzeln zwischen den zusammengepreßten feinen Lippen herausdrückte, »so werfe ich ihn sofort hier hinunter ... Also jetzt!«

      Als er »Also jetzt!« gesagt hatte, drehte er sich wieder um, nahm die Arme aus der Stützstellung, faßte die Flasche, führte sie an den Mund, legte den Kopf zurück und hob, um das Gleichgewicht herzustellen, die freie Hand in die Höhe. Ein Diener, welcher angefangen hatte, die Scherben der Fensterscheibe aufzusammeln, verharrte unbeweglich in seiner gebückten Haltung, ohne die Augen vom Fenster und von Dolochows Rücken wegzuwenden. Anatol stand gerade aufgerichtet mit weitgeöffneten Augen da. Der Engländer streckte die Lippen vor und blickte zur Seite. Derjenige, der die Sache zu verhindern gesucht hatte, lief in eine Ecke des Zimmers und legte sich auf ein Sofa, mit dem Gesicht nach der Wand zu. Pierre hatte sich die Augen mit den Händen bedeckt; ein schwaches Lächeln war wie infolge einer Vergeßlichkeit auf seinem Gesicht zurückgeblieben, während dieses doch jetzt den Ausdruck des Schreckens und der Angst trug. Alle schwiegen. Pierre nahm die Hände wieder von den Augen. Dolochow saß noch in derselben Stellung da; nur war sein Kopf weiter zurückgebogen, so daß das krause Nackenhaar den Hemdkragen berührte, und die Hand mit der Flasche hob sich zitternd und mit Anstrengung immer höher und höher. Die Flasche leerte sich offenbar, und in demselben Maß hob sie sich und zwang zu weiterem Zurückbiegen des Kopfes. »Wie kann das nur so lange dauern?« dachte Pierre. Es kam ihm vor, als sei schon mehr als eine halbe Stunde vergangen. Auf einmal machte Dolochow mit dem Rücken eine Bewegung nach rückwärts, und sein Arm begann nervös zu zittern; dieses Zittern war ausreichend, um den ganzen Körper des auf der abschüssigen Böschung Sitzenden zu verschieben. Dolochow bewegte sich von der Stelle, und sein Arm und sein Kopf zitterten vor Anstrengung noch stärker. Der eine Arm streckte sich bereits aus, um nach dem Fensterbrett zu greifen, zog sich aber wieder zurück. Pierre schloß von neuem die Augen und nahm sich vor, sie nicht wieder zu öffnen. Auf einmal merkte er, daß alles um ihn herum in Bewegung geriet. Er machte die Augen auf und sah hin: Dolochow stand auf dem Fensterbrett; sein Gesicht war blaß, aber vergnügt.

      »Leer!«

      Er warf die Flasche dem Engländer zu, der sie geschickt fing. Dolochow sprang vom Fenster herab. Er roch stark nach Rum.

      »Ausgezeichnet! Ein famoser Kerl! Das war mal eine Wette! Donnerwetter noch einmal!« wurde von allen Seiten geschrien.

      Der Engländer holte seine Börse hervor und zählte das Geld hin. Dolochow kniff die Augen zusammen und schwieg. Pierre sprang plötzlich auf das Fensterbrett.

      »Meine Herren, wer will mit mir wetten? Ich mache dasselbe!« rief er. »Oder es ist auch gar keine Wette nötig; ich mache es einfach so. Laß mir nur eine Flasche Rum geben, Anatol ... Ich werde es machen ... Her mit der Flasche!«

      »Laßt es ihn nur versuchen! Immerzu!« sagte Dolochow lächelnd.

      »Was redest du? Bist du verrückt geworden? Das lassen wir nicht zu! Du wirst ja schon auf einer Leiter schwindlig!« riefen alle durcheinander.

      »Ich werde austrinken! Gebt mir eine Flasche Rum!« schrie Pierre, schlug mit der Hartnäckigkeit eines Betrunkenen heftig auf den Tisch und stieg ins Fenster. Mehrere ergriffen ihn an den Armen; aber er war so stark, daß er alle, die ihm zu nahe kamen, durch seine Stöße zurücktaumeln ließ.

      »Nein, so ist er nicht zurückzuhalten, absolut nicht!« sagte Anatol. »Wartet, ich werde ihn schon auf andere Weise herumkriegen. Hör mal, ich will mit dir wetten, aber erst morgen; jetzt wollen wir alle fahren.«

      »Jawohl, jawohl!« schrie Pierre. »Da wollen wir hinfahren! Und den Bären nehmen wir auch mit!« Er packte den Bären, umfaßte ihn, hob ihn in die Höhe und tanzte mit ihm im Zimmer herum.

      X

      Fürst Wasili erfüllte das Versprechen, das er auf der Soiree bei Anna Pawlowna der Fürstin Drubezkaja gegeben hatte, von der er gebeten worden war, sich für ihren einzigen Sohn Boris zu verwenden. Er trug die Sache dem Kaiser vor, und der junge Mann wurde aus besonderer Gnade als Fähnrich in das Semjonower Garderegiment versetzt. Zu Kutusows Adjutanten wurde aber Boris denn doch nicht ernannt, trotz aller Bemühungen und Intrigen von seiten Anna Michailownas. Bald nach jener Abendgesellschaft bei Anna Pawlowna kehrte Anna Michailowna wieder nach Moskau zurück, und zwar gleich wieder in das Haus ihrer reichen Verwandten, der Rostows, bei denen sie sich gewöhnlich in Moskau aufhielt, und bei denen auch ihr vor kurzem in einem Linienregiment zum Fähnrich beförderter und dann sogleich zur Garde versetzter Sohn, ihr vergötterter Boris, von seiner Kindheit an erzogen war und viele Jahre gelebt hatte. Die Garde hatte Petersburg schon am 10. August verlassen, und der neue Gardefähnrich, der zum Zweck seiner Equipierung noch in Moskau geblieben war, sollte sie auf dem Weg nach Radsiwilow einholen.

      Bei Rostows feierten zwei Familienmitglieder, welche beide Natalja hießen, ihren Namenstag: die Mutter und die jüngere Tochter. Vom Vormittag an war bei dem großen, in ganz Moskau bekannten gräflich Rostowschen Haus in der Powarskaja-Straße ein beständiges Kommen und Abfahren von Equipagen mit Gratulanten. Die Gräfin saß mit ihrer schönen älteren Tochter und den fortwährend einander ablösenden Gästen im Salon.

      Die Gräfin hatte ein mageres Gesicht von orientalischem Typus; sie war etwa fünfundvierzig Jahre alt und offenbar durch die Entbindungen, deren sie zwölf durchgemacht hatte, stark mitgenommen. Die von ihrer Kraftlosigkeit herrührende Langsamkeit ihrer Bewegungen und ihrer Sprache verlieh ihr ein vornehmes Wesen, welches Respekt einflößte. Die Fürstin Anna Michailowna Drubezkaja saß, als zum Haus gehörig, gleichfalls im Salon und war beim Empfang und bei der Unterhaltung der Besucher behilflich. Die Jugend hatte es nicht für nötig befunden, sich an der Entgegennahme der Visiten zu beteiligen, sondern befand sich in den hinteren Zimmern. Der Graf dagegen empfing die Gratulanten, begleitete sie wieder hinaus und lud alle zum Diner ein.

      »Sehr, sehr dankbar bin ich Ihnen, meine Teuerste oder mein Teuerster« (»meine Teuerste« oder »mein Teuerster« sagte er zu allen Besuchern ohne Ausnahme, sowohl zu denen, welche höher als er, wie auch zu denen, die tiefer standen), »für meine eigene Person und im Namen meiner beiden Angehörigen, welche heute ihren Namenstag begehen. Haben Sie doch die Güte, heute zum Mittagessen zu uns zu kommen. Eine Ablehnung würde mir gar zu schmerzlich sein, mein Teuerster. Ich bitte Sie herzlich im Namen der ganzen Familie, meine Teuerste.« Diese Worte sagte er ohne Variationen zu allen ohne Ausnahme, mit dem gleichen Ausdruck in dem vollen, vergnügten, sauber rasierten Gesicht, mit dem gleichen kräftigen Händedruck und mit den gleichen, mehrmals wiederholten kurzen Verbeugungen. Sobald der Graf einen Gast hinausbegleitet hatte, kehrte er zu den Besuchern oder Besucherinnen zurück,

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