Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой Große verfilmte Geschichten

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      Schon waren zwei feindliche Kanonenkugeln über die Brücke hinweggeflogen, und auf der Brücke war ein gewaltiges Gedränge. In der Mitte der Brücke stand Fürst Neswizki, der vom Pferd gestiegen war und nun seinen dicken Leib dicht an das Geländer preßte. Lachend blickte er zu seinem Kosaken zurück, der, die beiden Pferde am Zügel haltend, einige Schritte hinter ihm stand. Sowie Fürst Neswizki den Versuch machte, vorwärtszukommen, wurde er jedesmal von Soldaten und Fuhrwerken sofort wieder zurückgedrängt und gegen das Geländer gedrückt, und es blieb ihm nichts weiter übrig als zu lächeln.

      »Aber hör mal, Brüderchen!« sagte der Kosak zu einem Trainsoldaten mit einem Fuhrwerk, der rücksichtslos auf die Infanterie losfuhr, welche ganz dicht die Räder und Pferde umdrängte, »aber hör mal! So warte doch ein bißchen; du siehst doch, daß ein General hindurch will.«

      Aber der Trainsoldat achtete gar nicht auf den Generalstitel, sondern rief den Soldaten, die ihm den Weg versperrten, zu:

      »Heda! Liebe Landsleute, haltet euch links, wartet mal!«

      Aber seine lieben Landsleute marschierten Schulter an Schulter gedrängt, so daß die Bajonette gegeneinanderstießen, ohne sich aufhalten zu lassen, in einer einzigen, festgeschlossenen Masse über die Brücke. Fürst Neswizki sah über das Geländer und erblickte unter sich die schnellen, rauschenden, kleinen Wellen der Enns, welche Schaumkrönchen bildeten, zusammenflossen, von den Brückenpfählen zurückprallten und eine die andere weitertrieben. Und als er dann wieder nach der Brücke hinschaute, sah er die ebenso gleichförmigen, lebenden Wogen der Soldaten, die Tschakos mit den Überzügen, die Schnüre an den Tschakos, die Tornister, die Bajonette, die langen Gewehre, und unter den Tschakos die Gesichter mit den breiten Backenknochen, mit den eingefallenen Wangen und dem sorglosen, müden Ausdruck, und dann die Beine, die sich rastlos in dem klebrigen Schmutz weiterbewegten, der die Brückenbohlen überzog. Zuweilen drängte sich zwischen den gleichförmigen Wogen der Soldaten, wie ein weißer Schaumfleck auf den Wellen der Enns, ein Offizier mit vorwärts, in einem Pelerinenmantel und mit einer von den Soldatengesichtern abstechenden Physiognomie; manchmal wurde, wie ein auf dem Fluß tanzendes Holzspänchen, von den Wogen der Infanterie ein zu Fuß gehender Husar, ein Offiziersbursche oder ein Ortsbewohner über die Brücke getragen; manchmal schwamm, wie eine auf dem Fluß treibende Holzklobe, eine von allen Seiten dicht umdrängte Fuhre mit Kompanie-oder Offiziersbagage, hochbepackt und mit Lederbezügen bedeckt, über die Brücke.

      »Nu seh einer, das ist ja eine Flut wie bei einem Dammbruch«, sagte der zum Stillstehen gezwungene Kosak ganz verzweifelt. »Kommen denn noch viele von euch?«

      »Eine Million, weniger einen Mann!« antwortete ein dicht an ihm vorbeikommender lustiger Soldat in einem zerrissenen Mantel und zwinkerte dabei mit den Augen; dann verschwand er sofort wieder in dem weiterflutenden Menschenstrom. Hinter ihm kam ein andrer, schon älterer Soldat.

      »Wenn er« (»er« war der Feind) »jetzt anfängt, auf die Brücke loszupfeffern, dann brauchst du dir nie wieder den Kopf zu kratzen«, sagte der alte Soldat finster, zu einem Kameraden gewendet.

      Auch dieser ging vorüber. Hinter ihm fuhr ein anderer Soldat auf einem Fuhrwerk.

      »Wo hast du denn nur die Fußlappen hingestopft, nichtswürdiger Kerl?« sagte ein Offiziersbursche, der eilig hinter dem Wagen herging und hinten in ihm herumwühlte.

      Auch dieser zog mit dem Fuhrwerk vorüber. Hinter ihm kamen fröhliche, offenbar angetrunkene Soldaten.

      »Nein, Bruder, wie er dem Kerl ohne weiteres mit dem Kolben in die Zähne schlug ...«, sagte lustig ein Soldat mit hoch aufgeschürztem Mantel und machte dabei eine weitausholende Bewegung mit dem Arm.

      »Ja, ja, es war aber auch ein prachtvoller Schinken«, antwortete ein anderer lachend.

      Sie gingen vorbei, so daß Neswizki nicht erfuhr, wem in die Zähne geschlagen worden war, und in welcher Beziehung der Schinken dazu stand.

      »Was lauft ihr denn so, Kerle!« sagte ein Unteroffizier ärgerlich und vorwurfsvoll. »Weil er eine ganz gewöhnliche kalte Kanonenkugel abgefeuert hat, da denkt ihr gleich, ihr werdet alle erschossen.«

      »Wie die Kanonenkugel so an mir vorbeiflog, Onkelchen«, sagte ein junger Soldat mit übergroßem Mund, indem er sich halbtot lachen wollte, »da wurde ich ganz starr vor Schreck. Wahrhaftigen Gottes, ich habe einen furchtbaren Schreck bekommen, einen ganz gewaltigen Schreck!« Er prahlte förmlich mit der Angst, die er gehabt hatte.

      Auch dieser ging vorüber. Hinter ihm folgte ein Wagen von ganz anderem Aussehen als alle, die vorher vorbeigefahren waren. Es war ein mit zwei Pferden bespannter Leiterwagen, hochbeladen, wie es schien, mit der ganzen Einrichtung eines Hauses; hinter dem Wagen, den ein daneben gehender Deutscher lenkte, war eine schöne, bunte Kuh mit gewaltigem Euter angebunden. Auf den Federbetten saß eine Frau mit einem Säugling, eine Alte und ein junges, gesund aussehendes, rotbackiges deutsches Mädchen. Offenbar wurden diese fortziehenden Einwohner aufgrund einer besonderen Erlaubnis herübergelassen. Die Augen aller Soldaten richteten sich auf die Frauen, und solange der Wagen, der nur Schritt vor Schritt vorwärtskam, über die Brücke fuhr, bezogen sich alle Bemerkungen der Soldaten nur auf die beiden jüngeren weiblichen Wesen. Auf allen Gesichtern lag fast das gleiche Lächeln, welchem unanständige Gedanken mit Bezug auf diese Frauen zugrunde lagen.

      »Seht mal, der Wurstmacher1 macht sich auch davon!«

      »Verkauf uns deine Frau!« sagte ein andrer Soldat, sich an den Deutschen wendend; dieser ging, die Augen auf den Boden gerichtet, zornig und ängstlich mit großen Schritten weiter.

      »Hat die Junge sich aber herausgeputzt! Das sind ein paar Racker!«

      »Bei denen müßtest du in Quartier liegen, Fedotow.«

      »Alles schon dagewesen, Bruder.«

      »Wohin fahrt ihr?« fragte ein Infanterieoffizier, der einen Apfel aß und gleichfalls mit leisem Lächeln das hübsche Mädchen ansah.

      Der Deutsche schloß die Augen und deutete dadurch an, daß er nichts verstände.

      »Wenn du magst, nimm ihn«, sagte der Offizier und reichte dem Mädchen den Apfel hin.

      Das Mädchen lächelte und nahm den Apfel. Neswizki, wie alle die auf der Brücke waren, verwandte kein Auge von den Frauen, solange diese vorbeifuhren. Als der Wagen mit den Frauen vorbei war, kamen wieder Soldaten der gleichen Art, mit denselben Gesprächen, und endlich blieben sie alle stehen. Wie das häufig so vorkommt, waren am Ausgang der Brücke die Pferde eines Kompaniewagens stätisch geworden, und die ganze Menschenmasse mußte warten.

      »Warum gehen die da vorn denn nicht weiter? Es ist keine Ordnung drin!« sagten die Soldaten. »Was drängst du, Kerl! Du kannst wohl nicht warten? Es wird noch schlimmer kommen, wenn er die Brücke in Brand schießt. Seht mal, ein Offizier ist da auch eingekeilt.« So redeten die Soldaten hier und da in der zum Stehen gekommenen Masse; alle sahen einander an, und alle drängten nach vorn zum Ausgang.

      Während Neswizki von der Brücke herab auf das Wasser der Enns blickte, hörte er auf einmal einen ihm noch unbekannten Ton, wie wenn ein großer Gegenstand sich schnell näherte und ins Wasser plumpste.

      »Nun seht mal, wie weit er schon reicht!« rief ärgerlich ein in der Nähe stehender Soldat, der sich nach dem Geräusch umwandte.

      »Er ermuntert uns, schneller herüberzugehen«, sagte ein anderer beunruhigt.

      Die Menge setzte sich wieder in Bewegung.

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