Krieg und Frieden. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Krieg und Frieden - Лев Толстой страница 62
»O mein Gott! Mein Gott! Schmidt!« sagte er auf deutsch. »Welch ein Unglück, welch ein Unglück!«
Nachdem er die Depesche durchflogen hatte, legte er sie auf den Tisch und blickte den Fürsten Andrei an; offenbar überlegte er etwas.
»Ach, welch ein Unglück! Der Sieg, sagen Sie, war ein zweifelloser? Mortier ist aber doch nicht gefangengenommen.« Er dachte nach. »Es freut mich sehr, daß Sie gute Nachrichten gebracht haben, wiewohl Schmidts Tod ein teurer Preis für den Sieg ist. Seine Majestät wird Sie wahrscheinlich zu sehen wünschen, aber nicht mehr heute. Ich danke Ihnen; erholen Sie sich. Finden Sie sich morgen nach der Parade zur Cour ein. Übrigens werde ich Sie noch näher benachrichtigen.«
Das dumme Lächeln, das während des Gesprächs verschwunden gewesen war, erschien wieder auf dem Gesicht des Kriegsministers.
»Auf Wiedersehen; ich bin Ihnen sehr dankbar. Seine Majestät der Kaiser wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Wunsch haben, Sie zu sehen«, sagte er noch einmal und machte mit dem Kopf eine Verbeugung.
Als Fürst Andrei aus dem Schloß heraustrat, fühlte er, daß er das ganze Gefühl freudiger Erregung, das der Sieg in ihm hervorgerufen hatte, gleichsam fortgegeben und in die Hände dieser kühlen, gleichgültigen Leute, des Kriegsministers und des höflichen Adjutanten, gelegt hatte. Seine gesamte Anschauungsweise hatte sich in dieser kurzen Zeit verändert: das Treffen erschien ihm wie ein längst vergangenes, für die Erinnerung weit zurückliegendes Ereignis.
X
Fürst Andrei stieg in Brünn bei dem russischen Diplomaten Bilibin ab, mit dem er bekannt war.
»Ah, lieber Fürst! Ein erwünschterer Gast konnte mir gar nicht kommen«, sagte Bilibin, der auf die Meldung von der Ankunft des Fürsten diesem entgegenkam. »Franz, bring das Gepäck des Fürsten in mein Schlafzimmer!« wandte er sich an den Diener, welcher Bolkonski hereingeführt hatte. »Nun, sind Sie ein Siegesherold? Wunderschön! Und ich sitze hier als Kranker, wie Sie sehen.«
Nachdem sich Fürst Andrei gewaschen und umgekleidet hatte, trat er in das luxuriös ausgestattete Arbeitszimmer des Diplomaten und setzte sich zu dem für ihn zubereiteten Diner nieder. Bilibin nahm gemächlich am Kamin Platz.
Nicht nur im Gegensatz zu seiner Reise, sondern auch im Gegensatz zu dem ganzen Feldzug, währenddessen er alle Bequemlichkeiten hatte entbehren müssen, welche Reinlichkeit und Komfort gewähren, empfand Fürst Andrei ein behagliches Gefühl der Erholung inmitten dieser luxuriösen Lebenseinrichtung, an die er von seiner Kindheit an gewöhnt war. Außerdem war es ihm nach dem Besuch bei den Österreichern angenehm, wenn auch nicht russisch (denn sie sprachen französisch), aber doch wenigstens mit einem Russen reden zu können, der, wie er voraussetzte, die allgemeine Abneigung der Russen gegen die Österreicher teilte, eine Abneigung, die Fürst Andrei gerade jetzt besonders lebhaft empfand.
Bilibin war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, unverheiratet und derselben Gesellschaftssphäre angehörig wie Fürst Andrei. Sie waren schon in Petersburg miteinander bekannt gewesen, und diese Bekanntschaft war während des letzten Aufenthaltes des Fürsten Andrei in Wien, wo er mit Kutusow gewesen war, eine noch vertrautere geworden. Wie Fürst Andrei ein junger Mann war, der Aussicht hatte, eine gute militärische Karriere zu machen, so Bilibin im diplomatischen Fach, sogar noch mit größerer Sicherheit. Er war noch ein junger Mann, aber kein junger Diplomat mehr, da er schon im Alter von sechzehn Jahren in den Dienst getreten und bereits in Paris und in Kopenhagen tätig gewesen war. Jetzt nun hatte er in Wien einen recht wichtigen Posten inne. Sowohl der Kanzler als auch unser Gesandter in Wien kannten ihn genau und wußten ihn zu schätzen. Er gehörte nicht zu der großen Zahl derjenigen Diplomaten, die, um als sehr gute Diplomaten zu gelten, nur von gewissen Fehlern frei zu sein, gewisse Dinge zu unterlassen und französisch zu sprechen brauchen; er war einer von den Diplomaten, die zum Arbeiten Lust und Fähigkeit besitzen, und obwohl er eigentlich von Natur träge war, brachte er gar manche Nacht am Schreibtisch zu. Er arbeitete gleichmäßig gut, von welcher Art auch immer die Arbeit war. Ihn interessierte nicht die Frage »wozu?«, sondern die Frage, »wie?«. Um welche diplomatische Angelegenheit es sich handelte, war ihm ganz gleichgültig; aber ein Zirkular, ein Memorandum oder einen Bericht geschmackvoll, akkurat, elegant abzufassen, das machte ihm das größte Vergnügen. Abgesehen von solchen schriftlichen Arbeiten wurden Bilibins dienstliche Leistungen auch wegen seiner Geschicklichkeit, sich in den höchsten Sphären zu bewegen und mit den höchsten Persönlichkeiten zu sprechen, hoch bewertet.
Bilibin fand, wie an einer schriftlichen Arbeit, so auch an einem Gespräch nur dann Vergnügen, wenn das Gespräch elegant und geistreich war. In Gesellschaft wartete er stets eine Gelegenheit ab, wo es ihm möglich war, etwas Bemerkenswertes zu sagen, und beteiligte sich an dem Gespräch überhaupt nur unter solchen Umständen. Dem, was er sagte, pflegte er in Gestalt von eigenartigen, geistreichen, formvollendeten, allgemein interessierenden Aussprüchen beständig gleichsam besondere Lichter aufzusetzen. Diese Aussprüche präparierte Bilibin, wenn er sie in dem Laboratorium seines Geistes herstellte, absichtlich derart, daß sie die Eigenschaft leichter Faßlichkeit besaßen, damit schwach befähigte Mitglieder der vornehmen Gesellschaft sie bequem im Gedächtnis behalten und von einem Salon zum andern weitertragen könnten. Und wirklich wurden »Bilibins Geistesblitze« in den Wiener Salons viel kolportiert und hatten häufig Einfluß auf sogenannte »Angelegenheiten von hoher Wichtigkeit«.
Sein mageres, ausgemergeltes, gelbliches Gesicht war ganz von großen Falten überzogen, die immer so sauber und reingewaschen aussahen wie die Fingerspitzen nach einem Bad. Sein Mienenspiel bestand fast nur in den Bewegungen dieser Falten. Bald bedeckte sich seine Stirn mit breiten Runzeln, und die Augenbrauen zogen sich in die Höhe; bald zogen sich die Augenbrauen nach unten, und es bildeten sich große Falten auf den Backen. Seine kleinen, tiefliegenden Augen blickten immer geradeaus und hatten einen heiteren Ausdruck.
»Na, nun erzählen Sie uns von Ihren Großtaten«, sagte er.
Bolkonski berichtete in der bescheidensten Weise, ohne auch nur ein einziges Mal seine eigene Person zu erwähnen, von dem Gang des Treffens und von seinem Empfang beim Kriegsminister.
»Sie haben mich mit meiner Nachricht aufgenommen wie einen Hund, der auf die Kegelbahn gerät«, schloß er mit einer französischen Redewendung.
Bilibin lächelte, wobei sich seine Hautfalten auseinanderzogen.
»Aber, mein Lieber«, sagte er, indem er von weitem seine Fingernägel betrachtete und die Haut über dem linken Auge zusammenzog, »trotz aller Hochachtung, die ich vor dem rechtgläubigen russischen Kriegsheer habe, muß ich doch gestehen, daß euer Sieg keiner von den glänzendsten ist.«
Wie bisher, so sprach er auch weiter französisch und schob nur dann russische Worte ein, wenn er einem Begriff eine geringschätzige Färbung verleihen wollte.
»Wie? Ihr mit eurer ganzen Truppenmacht seid über den unglücklichen Mortier mit seiner einen Division hergefallen, und dieser Mortier ist euch dann doch aus den Händen entschlüpft? Wie kann man das einen Sieg nennen?«
»Aber, um ernsthaft zu reden«, entgegnete Fürst Andrei, »wir können doch ohne Prahlerei sagen, daß dies etwas besser gewesen ist als Ulm ...«
»Warum habt ihr uns nicht einen, wenigstens einen einzigen Marschall gefangen?«
»Weil sich nicht alles so ausführen läßt, wie man es sich wohl vornimmt, und es im Kampf nicht so regelrecht zugeht wie auf der Parade. Wie ich Ihnen schon sagte, nahmen wir an, wir würden dem Feind um sieben Uhr morgens in den Rücken fallen können,