Wenn Sie Rennen Würde. Блейк Пирс
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Es war schon eine ganze Weile her, seitdem Kate zum letzten Mal in New York gewesen war. Mit ihrem verstorbenen Mann Michael hatte Kate kurz vor seinem Tod ein Wochenende hier verbracht. Sie staunte jedesmal aufs Neue darüber, wie unglaublich lebendig, voll und bunt New York war. Die Straßen waren so dermaßen verstopft, dass New York den Verkehrskollaps, der ständig in Washington DC drohte, absolut lächerlich erscheinen ließ. Dass es fast 21 Uhr an einem Freitagabend war, machte die Sache kaum besser.
Sie erreichten den Tatort um 20:42 Uhr. Kate parkte den Mietwagen so dicht wie möglich am Polizeiabsperrband. Der Tatort befand sich in einer finsteren Seitengasse der 43. Straße, nur einige Blocks von Central Station – wo zu jeder Tages- und Nachtzeit viel los war – entfernt. Am Zugang zu der Gasse standen zwei mit den Kühlern einander zugewandt parkende Polizeiwagen. So versperrten sie weder die Sicht auf das gelbe Band, das den Tatort umgab, noch versperrten sie die Seitengasse selbst, aber machten dennoch jedem Neugierigen, der versuchte, einen Blick zu erheischen, klar, dass dies Ärger nach sich ziehen würde.
Als Kate und DeMarco das Band erreichten, versuchte ein Beamter, ihnen den Zugang zu versperren, doch als Kate ihm ihre FBI-Marke zeigte, zuckte er nur mit den Schultern und hob das Band für sie an, so dass sie darunter hindurch schlüpfen konnten. Kate fiel auf, dass der Beamte zumindest nicht offensichtlich DeMarco eines näheren Blickes würdigte und fragte sich unbewusst, ob DeMarco, die offen lesbisch lebte, an männlichem Interesse Anstoß genommen oder es als Kompliment verstanden hätte.
„FBI“, kommentierte der Beamte nur, „ich habe schon gehört, dass sie euch gerufen haben. Scheint mir etwas übertrieben. Wie es aussieht, handelt es sich hier um einen ziemlich simplen Fall.“
„Wir überprüfen nur etwas“, meinte Kate, als sie und DeMarco in die finstere Gasse traten.
Die Polizeiwagen am Zugang der Seitengasse waren in einem Winkel geparkt, so dass ihre Scheinwerfer die ansonsten dunkle Gasse beleuchteten. Die langen Schatten von Kate und DeMarco ließen die Szene geradezu unheimlich erscheinen.
Am Ende der Gasse, wo sie auf eine Steinmauer traf, befanden sich zwei Polizeibeamte und ein Beamter in Zivil, die alle in einem Halbkreis standen. Etwas lehnte in ihrer Mitte an der Mauer. Das Opfer, nahm Kate an. Sie gingen zu den dreien hinüber, zeigten erneut ihre FBI-Marken, und stellten sich den drei Beamten vor.
„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte einer der Beamten. „Um ehrlich zu sein, frage ich mich allerdings, warum es dem FBI so wichtig ist, hier jemanden herzuschicken.“
„Herrgott nochmal“, meinte der Beamte in Zivil. Er schien in seinen Vierzigern zu sein und wirkte leicht ungepflegt. Lange, dunkle Haare, Dreitagebart und eine Brille, die Kate an jedes Bild erinnerte, das sie jemals von Buddy Holly gesehen hatte.
„Das haben wir doch nun schon mehrfach durchgekaut“, sagte er. Er blickte Kate an, rollte die Augen und fuhr fort: „Wenn es um einen Tatort geht, der älter als eine Woche ist, will das NYPD nichts mehr davon wissen. Es übersteigt deren Vorstellungskraft, dass jemand einen ungeklärten Mord von vor acht Jahren ausbuddeln will. Ich war übrigens derjenige, der das FBI verständigt hat. Ich weiß, dass sich das FBI damals in den Nobilini-Fall eingeschaltet hat. Da ging es doch auch um irgendeine Freundschaft mit einem Kongressmitglied, richtig?“
„Richtig“, sagte Kate. „Und ich war als der leitende Agent mit dem Fall betraut.“
„Oh. Schön Sie kennenzulernen. Ich bin Detective Luke Pritchard. Ich bin ein wenig besessen von ungeklärten Fällen. Was hier meine Aufmerksamkeit erregt hat, war die Waffe, die scheinbar benutzt wurde, und die Tatsache, dass der Mord nach einer Hinrichtung aussieht. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie Schrammen an der Stirn des Opfers. Der Killer hat ihn offensichtlich gezwungen, sich mit der Stirn an die Steinmauer zu lehnen, und zwar genau hier.“ Er legte seine Hand an die Mauer, auf die großflächig inzwischen getrocknetes Blut gespritzt war.
„Darf ich?“, fragte Kate.
Die zwei Polizeibeamten zuckten mit den Schultern und traten einen Schritt zurück. „Tun Sie sich keinen Zwang an“, sagte einer von ihnen. „Wo jetzt ein Detective und zwei FBI-Agents involviert sind, überlassen wir den Fall gerne Ihnen.“
„Viel Spaß dabei“, fügte der andere Beamte hinzu, als sich beide schon abwandten und die Seitengasse verließen.
Kate und DeMarco gingen vor dem Opfer in die Hocke. Pritchard trat einen Schritt zurück, um ihnen etwas mehr Raum zu geben, blieb aber dicht bei ihnen.
„Also“, begann DeMarco, „ich würde sagen, es ist ziemlich klar, woran er gestorben ist.“
Dies war richtig. Im Hinterkopf des Opfers befand sich ein einzelnes Einschussloch. Es war recht sauber, wenn auch an den Rändern leicht verkohlt und blutig – genau wie damals bei Frank Nobilini. Dieses Opfer hier war ein Mann, den Kate auf Ende Dreißig oder Anfang Vierzig schätzte. Er trug teure Fitnesskleidung – eine dünne Kapuzenjacke mit Reißverschluss und teuer wirkende Fitnesshosen. Die Schnürbänder seiner High-Class-Laufschuhe waren sorgfältig gebunden und die Apple-Kopfhörer lagen wie absichtlich platziert neben seinem Kopf.
„Ist er schon identifiziert worden?“, fragte Kate.
„Ja“, sagte Pritchard. „Er heißt Jack Tucker. Nach den Ausweispapieren in seinem Portemonnaie wohnt er in einer Stadt namens Ashton. Das war für mich eine noch stärkere Verbindung zu dem Nobilini-Fall.“
„Kennen Sie Ashton, Detective?“, fragte Kate.
„Nicht besonders gut. Ich bin ein paar Mal durchgefahren, aber der Ort sagt mir nicht sonderlich zu. Zu perfekt, zu ruhig; stößt mir sauer auf.“
Kate wusste, was der Detective damit meinte. Sie fragte sich, wie er es wohl finden würde, wieder nach Ashton zurückkehren zu müssen.
„Wann wurde die Leiche entdeckt?“, fragte DeMarco.
„Heute morgen um 4:30 Uhr. Um kurz nach 5 Uhr bin ich hier am Tatort eingetroffen und habe gleich die Verbindungen zum Nobilini-Fall erkannt. Ich musste das NYPD geradezu anflehen, die Leiche nicht zu bewegen, bis Sie eintreffen, denn ich meine, Sie müssen den Tatort und die Leiche selbst in Augenschein nehmen.“
„Na, das hat Sie bei denen sicher sehr beliebt gemacht“, kommentierte Kate.
„Ach was, daran bin ich nun wirklich gewöhnt. Ich meine das ernst, wenn ich sage, dass mich viele der Polizisten hier „Cold Case Pritchard“ nennen.“
Kate wusste, dass unaufgeklärte Fälle polizeiintern oftmals als „Cold Cases“ bezeichnet wurden und fand den Spitznamen für Pritchard daher passend.
„Sie haben das ganz richtig entschieden“, stimmte Kate ihm zu. „Selbst wenn sich herausstellt, dass die Fälle nichts miteinander zu tun haben… dennoch läuft ja jemand frei herum, der diesen Mann erschossen hat. Jemand, den wir so schnell wie möglich ausfindig machen müssen, denn wir müssen in Betracht ziehen, dass dies kein Einzelfall war.“
„Tja, dazu kann ich nichts sagen“, sagte Pritchard. „Ich