IMMODESTIA. Philipp Spiering

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IMMODESTIA - Philipp Spiering

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Position wechseln. Paulo fand nicht, dass so viel Macht begehrenswert war.

       „Die Nachfrage steigt, Salvatore. Wir brauchen weit mehr, als uns gerade zur Verfügung steht“, sagte Fiore gerade auf Englisch.

       Salvatore Morales schnippte seinen Zigarettenstummel auf den Boden und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

       „Antonio“, begann er seinen Monolog, „Wir machen schon lange Geschäfte und ich zweifle nicht an Ihrem Sachverstand. Aber Sie vergessen, meine Sicht der Lage mit in Ihre Überlegungen einzubeziehen. Ich kenne die Männer nicht, die persönlich die Drogen auf die Fähren, Jachten, und Lastwagen packen. Aber es sind meine Männer, jeder von ihnen. Und jedes Gramm, das sie mehr schmuggeln, erhöht die Chance, dass sie gefasst werden. Und den Verlust habe dann ich zu tragen, weil kein Kunde für etwas bezahlt, das er nicht kriegt.“

       „Wissen Sie, wie viel mehr Profit Sie machen könnten?“, fragte Fiore, der es nicht gewohnt war, dass man seine Anfragen ablehnte.

       „Ich brauche nicht noch mehr Profit, Antonio.“

       Fiore biss die Zähne aufeinander und Paulo wusste, dass er bereit sein musste. Er wusste, dass er bei Bedarf knapp zwei Sekunden brauchen würde, um seine 9mm Glock zu ziehen, zu zielen und abzudrücken.

       „Das ist bedauerlich. Gerade weil wir schon so lange Geschäftspartner sind, hatte ich gehofft, dass Sie eine Lösung finden würden, die uns beide zufriedenstellt. Gestützt auf diese naive Hoffnung habe ich einem meiner Partner nämlich schon eine Großlieferung versprochen“, gab Fiore zur Antwort.

       Kettler, dachte Paulo. Natürlich hatte sein Mentor niemandem im Voraus etwas versprochen, aber es war vor kurzer Zeit das Gerücht aufgekommen, dass Heinrich Kettler seinen Absatz an Kokain vergrößern wolle. Und darin sah Fiore eine gute Möglichkeit, seinen Gewinn zu maximieren.

       „Es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss“, sagte Salvatore Morales.

       Antonio Fiore wartete ein paar Sekunden, bevor er antwortete:

       „Ich fürchte, Sie verstehen mich nicht. Ich habe ein Problem, wenn Sie mir die Lieferung verweigern.“

       Paulo wurde unruhig. Das hier würde nicht nach Plan verlaufen, da war er sich sicher.

       „Es ist nicht mein Fehler, dass Sie vorschnell Versprechungen gemacht haben“, sagte Morales.

       „Sie verstehen mich immer noch nicht“, begann Fiore und Paulo sah den zwei Sicherheitsleuten am anderen Ende des Raumes an, dass auch sie bereit für eine Eskalation waren, „Sie können sich sicher sein; wenn ich ein Problem habe, dass Sie hätten verhindern können, dann haben Sie auch eins.“

       Nach diesem Satz war es einen Augenblick lang zu still und Paulo zog seine Waffe genau im selben Moment wie die zwei anderen Aufpasser auch. Er zielte auf den Kopf des einen, wusste aber, dass er sich eine Kugel des anderen einfangen würde, wenn er abdrückte. Es waren zwei Waffen auf ihn gerichtet. Aus dieser Situation konnte er nicht als Sieger hervorgehen. Alle warteten auf die Anweisungen ihrer Mentoren, die immer noch auf den Holzstühlen saßen und sich in die Augen sahen.

       „Nimm die Waffe runter, Paulo“, sagte Fiore seelenruhig, ohne den Blick von seinem Gegenüber abzuwenden, „Wir sind Geschäftsleute, keine Metzger. Das hier ist eine Verhandlung zwischen alten, guten Freunden.“

       Für ein paar sehr lange Augenblicke herrschte vollkommene Stille, dann gab Morales seinen Männern die Anweisung, die Pistolen wegzustecken. Erst dann ließ auch Paulo die Glock sinken.

       „Salvatore“, begann Fiore, wieder ganz seinem Gegenüber zugewandt, „Mein Ego hat kurz die Kontrolle übernommen. Die Drohung war nicht gerechtfertigt, so etwas gehört sich nicht unter langjährigen Geschäftspartnern“, er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, „Ich bitte Sie, mir meine Lieferung zu gewähren. Ansonsten muss ich, auch wenn es mir nicht gefällt, darauf hinweisen, dass ich mir einen neuen Lieferanten suchen muss. Denn ich muss meine Nachfrage abdecken können. Alles andere untergräbt meine Autorität. Das werden Sie, als Mann vom Fach, verstehen.“

       Es herrschte wieder die unangenehme Stille. Paulo war immer noch bereit, jederzeit wieder seine Waffe zu ziehen. Jede noch so entschärfte Situation konnte innerhalb von Sekunden kippen und sich ins genaue Gegenteil wandeln. Das hatte er schnell gelernt.

       Scheiß verlogene Heuchler, schoss es Paulo durch den Kopf und er runzelte überrascht die Stirn. Wo war denn dieser Gedanke hergekommen?

       „In Ordnung“, sagte Morales, „Weil wir uns schon so lange kennen. Wie viel braucht ihr genau?“

      Niro

      Daniel Niro hievte einen mit Schrauben gefüllten Karton in eines der unzähligen Hochregale.

       „So eine Scheiße“, murmelte er, als er von der Leiter stieg und den nächsten Karton vom Boden hob.

       „Was sagst du?“, fragte Joel, ein mit Steroiden aufgepumpter Arbeitskollege, von der anderen Seite des Regals aus.

       „Ich habe nicht mit dir geredet“, antwortete Daniel.

       „Was?“, schrie Joel, um den Lärm der herumfahrenden Gabelstapler zu übertönen.

       Es war Daniel ein Rätsel, wie dieser Idiot beinahe alles vernahm, das man vor sich hinmurmelte und nichts verstand, was man in normalem Tonfall sagte.

       „Ich habe nicht mit dir geredet“, wiederholte er genervt.

       „Ah fick dich doch.“

       „Fick dich selbst.“

       Im Großen und Ganzen waren genau solche Konversationen der Alltag an Daniels Arbeitsplatz. Es war schwierig, dabei nicht selbst zu verblöden. Daniel schaute auf die große Uhr, die auf der anderen Seite des Lagers an der Wand hing und stellte fest, dass er Feierabend machen konnte. Er stellte die letzten Kartons ins Regal und ging Richtung Aufenthaltsraum, um noch einen Kaffee zu trinken, bevor er den Heimweg antrat. Wie immer war der Raum fast leer. Nur ein älterer Arbeiter saß in eine Autozeitschrift vertieft auf einem der Stühle und rauchte eine Zigarette. Als Daniel die heiße Brühe aus der Thermoskanne in einen Pappbecher schüttete, hörte er Schritte hinter sich.

       „He Niro“, rief Joel.

       „Was gibt's?“, antwortete Daniel, ohne sich umzudrehen.

       „Hast du eben gesagt, ich soll mich ficken?“

       Langsam drehte er sich um. Joel hatte sich vor ihm aufgebaut und spannte peinlicherweise seine Muskeln an, um noch breiter zu wirken.

       „Das hast du richtig verstanden.“

       „Sowas sagst du nie mehr zu mir“, Joels Augen funkelten vor Wut.

       Der alte Mann sah von seiner Zeitschrift auf und beobachtete das Schauspiel aufmerksam.

       Daniel spürte, wie sich Wut in ihm ansammelte. Er ballte die Fäuste.

       Aber er brauchte den Job. Er musste so schnell wie möglich raus, sonst würde die Situation eskalieren.

      

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