Die schwarze Galeere. Wilhelm Raabe

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Die schwarze Galeere - Wilhelm  Raabe Große verfilmte Geschichten

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seid Ihr mit dem Alexander Farnese als Sieger in die Stadt eingezogen? O, Ihr Glücklicher!«

      »Nein«, sagte der alte Soldat finster. »Ich bin nicht im Triumphzuge gewesen; man hatte mir einen andern Auftrag gegeben, um welchen man mich damals im Lager sehr beneidete. Ich war der Bote, welchen der tapfere Prinz mit der Nachricht von der Übergabe der Stadt zu Don Philipp – Gott habe seine Seele gnädig – sandte.«

      »Ihr? Ihr, Hauptmann Jeronimo, durftet solche Botschaft dem König bringen? – O, dreimal Glücklicher! Bitte erzählt davon, wir dürfen den Wall doch noch nicht verlassen.«

      Die andere Offiziere der Besatzung hatten sich allmählich näher an den Kommandanten und den Hauptmann herangezogen; jetzt bildeten sie als aufmerksame Zuhörer einen Kreis um die beiden. Es war nicht häufig, daß man den alten Jeronimo zum Erzählen brachte.

      »Was ist davon zu sagen?« hub der Hauptmann an. »In der Nacht vom vierten auf den fünften September fünfzehnhundertfünfundachtzig hielt ich meinen atemlosen Gaul an vor dem Schloß zu Madrid, – ich bin ein Kind der Stadt und kann euch wohl sagen, ihr Herren, daß mein Herz doch hoch schlug, als ich den Manzanares wieder einmal rauschen hörte. Ich hatte von seinem Rauschen oft genug vor nicht langer Zeit im Feldspital im Wundfieber geträumt. Und das erreichte Ziel, die stolze Botschaft, die ich trug, die Erwartung einer fabelhaften Belohnung, die ich träumte, trieben mir auch das Blut heftiger in den Adern um. Finsternis und Grabesstille lagen auf der Burg und der Stadt; es war, wie ich nachher vernahm, am gestrigen Tage ein großes Autodafé gewesen, und die Bevölkerung schlief den Festestaumel aus; – alles schlief, selbst der König Don Philipp. Die Wachen hielten mir die Partisanenspitzen auf die Brust in dem Augenblick, als mein erschöpftes Roß unter mir auf dem Pflaster zusammenstürzte. Ich war ebenso atemlos vom letzten wilden Ritt, wie mein Pferd, aber doch hatte ich noch Kraft genug, zu keuchen: Briefe aus Flandern! Briefe an den König! Briefe vom Prinzen Alexander von Parma! Viktoria! – Die Waffen senkten sich, Hofleute eilten herbei, fragten mich aus, und dann wurde ich durch die Hallen des Schlosses zu dem Schlafgemach unseres Herrn geführt. Mein Herz erzitterte wie meine todmüden Glieder. Es schwamm mir vor den Augen, als ich in des Königs Kammer an dem Bette des Königs kniete und ihm den Brief des großen Prinzen reichte. Auf seinen Ellenbogen gestützt, erbrach unser Herr Don Philipp das Schreiben, überflog es mit seinen scharfen, scheuen Augen – der Oberkämmerer hielt die goldene Lampe – in Ewigkeit vergesse ich das Gesicht des Königs nicht, das Zittern nicht, welches die gelblichbleichen Züge überkam. Hoch auf richtete er sich von seinem Lager, hager und schwächlich, und stieß einen Ruf aus, der fast ein Schrei war:

      ›Antwerpen ist über! Antwerpen ist über!‹

      Und die Lampe in der Hand des Höflings fing auch an zu zittern. Aus dem Bette erhob sich der König; er stützte sich ganz gegen die Etikette dabei auf meine Schultern, die Schulter des einfachen mit dem Staub und Schweiß der Wege bedeckten Soldaten. Die adligen Herren warfen ihm einen Rock um die Schultern; – seit der Nachricht vom Sieg bei Lepanto hatte solche Freudenbotschaft das Ohr des Monarchen nicht getroffen. Durch die Gänge des Schlosses eilte er schnellen Fußes an die Tür seiner Lieblingstochter, der Donna Clara Isabella Eugenia, klopfte, – was war der katholischen Majestät ihre Etikette in diesem Augenblick? – an die Tür der Prinzessin klopfte er, öffnete sie ein wenig, schob den Kopf in das Gemach und flüsterte der schlaftrunkenen, erschreckten Tochter zu:

      ›Antwerpen ist über! Antwerpen ist über, Donna Clara!‹

      Wie regte sich dann das Schloß, als die große Nachricht sich verbreitete...«

      »Und Ihr? Ihr, Sennor Jeronimo?« fragte der Kommandant von Fort Liefkenhoek seinen Hauptmann. »Was war Euer Lohn für solche freudiges glorreiche Botschaft?«

      »Ja, was war Euer Lohn, Jeronimo? Ihr seid nicht Calatravaritter?« fragten die anderen Offiziere.

      »Nein, ich bin nicht Ritter vom Calatravaorden«, antwortete der alte Krieger. »Und was meine Belohnung anbetrifft, nun, eine goldene Kette hing mir die katholische Majestät um, und ein Obristenpatent gab man mir auch.«

      »Ah!« machte der Kommandant, und die übrigen Befehlshaber drängten näher heran.

      »Jawohl«, sagte der Alte, »ich verstehe wohl, was Euer Blick sagen will, Sennor Colennello; er will sagen: nun, und was steht Ihr hier jetzt als mein Untergebener, als ein armer, halbinvalider Söldner? Ist es nicht so?« fragte er und blickte im Kreise umher. »Nun, ich will's Euch auch sagen, da ich grad am Erzählen bin. Knöpft die Ohren auf, junges Volk, es mag eine Lehre für euch drin liegen. Am dreizehnten Julius 1591 schlug der Prinz Farnese sein Lager vor Fort Knodsenburg, Nimwegen gegenüber, es zu belagern; aber Gerhard de Jonge, der niederländische Befehlshaber, war ein tapferer Mann und machte uns blutige Arbeit. Ihn zu entsetzen, rückte auch Moritz von Oranien über Arnheim in die Betau und zog nach gelegtem Hinterhalt her zur Rekognoszierung vor unser Lager. Da ritten wir aus, sieben Kornetten, spanische und italienische Speerreiter gegen den Feind. Kann euch sagen, wackere Ritter saßen auf: Francesco Nicelli, Alfonso Davales, Padilla, Jeronimo Caraffa, Decio Manfredi und andere. Des Herzogs Leibkornette führte ich an dem Tage – Fluch sei ihm! Vorwärts gegen den Feind ging's, und eilends zog sich dieser zurück, bis – wir in den Hinterhalt fielen und aufgerieben wurden bis auf den letzten Mann. O heftiger Gott, dreißig Wunden, ehrliche Narben trug ich schon damals auf dem Leib, bei jedem Gefecht hatt' ich geblutet, und dieses Mal – dieses Mal, als alle Gefährten tot und wund das Feld deckten, blieb ich allein unverletzt. Des Herzogs von Parma sieghafte Standarte aber, die ich führte, blieb in der Hand des Feindes! Einen gestickten Christus trug sie mit der Unterschrift: 'Hic fortium dividet spolia'. – Da ging meine Kriegsehre zugrunde. Am folgenden Tag riß man mir die goldene Ehrenkette ab, die mir Don Philipp gegeben hatte; meine Stelle bekam ein anderer, Glücklicherer; ich durfte mich als gemeiner Söldner in der großen Masse verlieren; meinen Namen warf ich fort und nahm Dienste in einem deutschen Regiment, grau und gebeugt ward ich in einer einzigen Stunde, Hauptmann unter meinem jetztigen Namen auch wieder und so – Euer Untergebener, Kommandant, euer Kamerad, ihr Herren – wendet euch nicht ab!«

      Der Kommandant von Fort Liefkenhoek reichte dem Erzähler die Hand und schüttelte sie stumm und herzlich: auch die andern drängten sich, ihm die Hände zu reichen.

      »Basta!« sagte der Alte. »Was tut's, zuletzt ist's doch alles einerlei. Wieviel Glanz, Ehre und Ruhm hab’ ich verlöschen sehen – im Eskorial schläft Don Philipp der Zweite; zu Parma liegt der große Prinz Alexander; – wo blieb Fernando Alvarez von Toledo, der Herzog von Alba? Wo blieb unser gewaltiger Feind Wilhelm der Schweigende?« 'Quo pius Aeneas, quo divus Tullus et Ancus?' lachte ein junger Fähnrich, der eben erst der hohen Schule zu Salamanca entlaufen war; aber niemand achtete seiner, und der Kapitän Jeronimo fuhr fort: »Basta, Kameraden; ein jeder tue seine Pflicht und halte sich für einen ehrlichen Mann! Sennor Kommandant, laßt die Leute das Gewehr wegsetzen, die rote Ruhr streicht sie Euch morgen sonst von der Musterrolle. Die Geschichte auf den Wassern dort drüben ist zu Ende – seine katholische Majestät Don Philipp der Dritte und seine genuesischen Gnaden Signor Federigo Spinola haben ein gutes Schiff weniger. Laßt die Leute schlafen gehen, Oberst; morgen werdet Ihr schon das Weitere und Nähere erfahren.«

      »Ihr glaubt, Unglücksverkünder? Ach, Euer teuflisches Mißgeschick hat Euch den frischen Mut allzu sehr geknickt. Faßt Mut, wackerer Jeronimo.«

      Der Hauptmann zuckte nur die Achseln.

      »Nun, es sei«, sagte der Kommandant. »Laßt die Zeichen geben, die Wälle zu verlassen. Nachher erwarte ich euch alle, meine Herren, zu einem Trunk Wein; es wird ja doch wohl keiner von euch mehr schlafen in dieser Nacht. Mut ihr Herren, und Spanien für immer!«

      Die Offiziere riefen das letzte Wort ihres Befehlshabers nach, aber doch mit ziemlich beklemmten Stimme. Dann wirbelten die Trommeln, und die Truppen zogen zurück

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