Die schwarze Galeere. Wilhelm Raabe
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»Er hat recht; es ist ein leidig Ding um diesen Krieg. Vierzehn Jahre flattert nun wieder das Banner von Spanien auf diesen Wällen und auf den Mauern und Türmen von Antwerpen; sind wir aber darum nur einen Schritt weiter in der Besiegung dieses heldenmütigen, starrköpfigen Volkes? Welche Männer haben auf dieser winzigen angeschwemmten Erdscholle gekämpft und geblutet! Welche Männer haben gekämpft um diesen Fleck! Wie leuchtende Sterne glänzen durch die Zeiten die Namen von Freund und Feind, die Namen Alexander Farnese, Mansfeld, Mondragone, Johannes Pettin von Utrecht, Aldegonde, Gianibelli, Johannes Baptista Plato, Barrai, Capisucchi, Olivera, Paz, La Motta, Delmonte und hundert andere. Tausend und aber tausend Ungenannte liegen dort unter dem Sande, unter den Fluten; – wie viele werden noch darin versinken?«
Die Besatzung hatte sich längst zurückgezogen, und man vernahm nichts mehr auf dem Wall von Fort Liefenhoek, als den Ruf und Schritt der Ronden und das Brausen der Wogen und des wiedererwachenden Sturmes.
Nochmals umschritt der Kommandant seine Mauern und schärfte den verdoppelten Wachen ein, ja gute Wacht zu halten; dann stieg auch er hinab und suchte seine Wohnung auf, wo er seine Offiziere, seiner Einladung gemäß, alle bereits versammelt fand. Nur der Hauptmann Jeronimo fehlte; er pflegte immer zu fehlen bei den Gelagen seiner Kriegsgesellen; man ließ ihn gewähren, bedauerte ihn und scherzte und lachte über seine Prophezeiungen.
Der Alte aber hatte doch recht! Wohl hatten in dieser Sturmnacht der katholische König und Friedrich Spinola von Genua ein wackeres Schiff verloren. Der nächste Morgen warf die verkohlten Trümmer der Immacolata Concezione an die Dünen von Südbeveland dem ketzerischen Volk vor die Füße, und die Abendflut trug mehr als eine verstümmelte Leiche mit der hispanischen Feldbinde zu den Mauern von Fort Bats. Die schlimme Voraussagung des Kapitäns Jeronimo war eingetroffen, die Wassergeusen hatten den Sieg behalten in dem nächtlichen Gefecht.
An Bord der Andrea Doria
In die Stadt Antwerpen brachten Fischer die Botschaft von dem nächtlichen Vorgang, und groß war darob, je nach der Parteistellung, der heimliche Jubel oder die laute Wut der Bevölkerung.
Auch in der Stadt lief baldigst durch das Volk der Name der »schwarzen Galeere« und wurde mit mehr oder weniger Zuversicht mit dem geschehenen Unheil in Verbindung gebracht.
Wer konnte in solcher Sturmnacht, wie die vergangene war, solche Tat anders getan haben als die schwarze Galeere?
Auf den Plätzen, in den Gassen, in den Werkstätten, in den Kirchen, auf dem Rathause und in der Zitadelle wurde das Wort gehört. Auf den Kriegs- und Handelsschiffen, die am Kai, dicht an den Häusern und Mauern der Stadt vor Anker lagen, lief es um. Überall, wie gesagt, sah man Bestürzung oder geheimes Frohlocken auf den Gesichtern.
»Die schwarze Galeere! Die schwarze Galeere!« –
Das war Federigo Spinola, ein edler Genueser Patrizier, ein unternehmender Sohn des berühmten Geschlechtes jener reichen Republik, welcher mit dem König von Spanien, Philipp dem Dritten, einen Vertrag abgeschlossen hatte, für den Dienst der katholischen Majestät eine Flotte gegen die niederländischen Rebellen auszurüsten und dieselbe in die Nordsee zu führen. Alle Beute, alle Schiffe, welche den Ketzern abgenommen wurden, waren Eigentum des Admirals Federigo, und so fuhr er mit einer bedeutenden Anzahl Galeeren und Galeonen, bemannt mit sechzehnhundert kühnen Männern, aus von Genua, schiffte durch die Straße von Gibraltar, umfuhr das Kap Finisterre, nahm im Busen von Biscaya eine große Anzahl verwegener biscayischer Piraten und Kaper in sein Schiffsgefolge auf, desgleichen eine große Anzahl Dünkirchner Freibeuter und erschien am 11. September 1599 im Hafen von Sluis, wo er Anker warf und von wo aus er seine Tätigkeit in dem nordischen Meer begann.
Zum erstenmal wurden die Wellen der Nordsee von diesen romanischen Ruderfahrzeugen gepeitscht, deren sich bis dahin nur die Anwohner des Mittelländischen Meeres bedient hatten. So kam es, daß anfangs selbst die wackern, nichts fürchtenden seeländischen Schiffsleute den Schrecken des Unbekannten fühlten vor diesen italienischen Galeeren, die gleich riesenhaften Wasserkäfern mit hundert Ruderfüßen die Wogen schlugen.
So machte Federigo Spinola anfangs ein vortreffliches Geschäft und gewann manch reichbeladenes Kauffahrteischiff, manch armes Fischerboot den Niederländern ab, bis der erste Schrecken von den letzteren überwunden war und sie es wagten, den neuen Feinden kühner an den Leib zu gehen. Ein zahlreiches Geschwader sandten die Generalstaaten aus, und in einem heißen Gefecht ward nicht nur eine große Anzahl der feindlichen Kaper vernichtet, sondern sogar auch eine der schrecklichen Galeeren genommen.
Im Triumph brachte man das merkwürdige Schiff nach Amsterdam, und hier wurde nach diesem Modell ein ähnliches Fahrzeug gebaut und mit den kühnsten Herzen und Händen bemannt. Drohend schwarz war seine Farbe, und bald genug wurde die schwarze Galeere den Spaniern und dem Admiral Federigo Spinola schrecklich. Die Spekulation des Genuesers trug von da an nicht mehr so gute Früchte wie im ersten Anfang. So war die schwarze Galeere kein Geisterschiff, kein Gespensterschiff, sondern ein Ding von Holz und Eisen, und seine Bemannung war auch keine Gespensterschar. Wesen von Fleisch und Blut kletterten in den Tauen, richteten die Segel, luden die Drehbassen, schlugen die Lunten auf und enterten die feindlichen Schiffe mit dem wilden Schrei:
»Lieber Türk als Pfaff!« – – –
Über die schwarze Galeere unterhielt sich auf den Plätzen und in den Gassen der großen Handelsstadt Antwerpen das Volk, und jeder Nachbar wollte Genaueres wissen über das Gerücht, daß das treffliche Ruderschiff, die unbefleckte Empfängnis, gestern Nacht durch die Seeländer in die Luft gesprengt worden sei.
Dann wurde es allmählich wieder Abend; ein dichter Nebel stieg auf von der Schelde und legte sich über die ganze Stadt Antwerpen. Die Lichter am Kai schimmerten rötlich durch den Dunst, feucht träufelte es aus dem Tauwerk der Galeone Andrea Doria, welche dicht unter den Mauern und Häusern am Kai vor Anker lag und auf deren Deck der Capitano Antonio Valani, ein junger Mann von ungefähr dreißig Jahren, in seinen Mantel gehüllt, auf und ab schritt, während die Wellen des Flusses leise klatschend den Bauch seines Schiffes umspülten und von dem Kai und der Stadt her noch dumpf das Getöse der regen Bevölkerung hersummte.
Eben hielt der Kapitän in seiner Wanderung ein und starrte nach den Lichtern der Stadt, die über die Mauer schimmerten, hinüber, als an seiner Seite sein Leutnant Leone della Rota, ein Jugendfreund aus der Strada Giulia, erschien und ihm die Hand auf die Schulter legte:
»So in Gedanken, Antonio?«
Der Angeredete blickte fast erschreckt in die Höhe.
»Ah, du bist's, Leone? Nun, bringst du eine Nachricht von draußen?«
»Ja, aber leider eine sehr schlechte. Sie ist vom Fort Liefkenhoek an den Admiral gekommen; die Geschichte von der vorigen Nacht ist wahr. Die Immacolata hat der Teufel geholt, Schiff und Mannschaft, Mann und Maus. Nur der Kajütenjunge ist bei Fort Bats auf einer leeren Wassertonne lebendig an das Land geritten. Da hat's großen Jubel unter den Ketzern gegeben, und die seeländischen Weiber – schauderhaft häßliche Kreaturen, Antonio – haben den Burschen fein säuberlich abgetrocknet und ihn mit einem gottverdammten Kompliment hierher an seine Exzellenz, den Gouverneur, geschickt. Sie haben ihn oben auf der Zitadelle gehabt; na, wir werden wohl bald vom Admiral Nachricht erhalten.«
»Gott gebe es«, rief der Kapitän des Andrea Doria, unwillig sein Deck mit dem Fuß stampfend. »Leone, ich halt's nicht mehr aus, hier so müßig vor Anker zu liegen!«
»Müßig?!« lachte der Schiffsleutnant. »Nun, beim schönen Leib der Venus, das wüßte ich doch nicht. Ich sollte denken,