Die Geheimnisse von Paris. Эжен Сю

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Die Geheimnisse von Paris - Эжен Сю Große verfilmte Geschichten

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zu rühren; dann bewegte er erst die Beine, dann die Hände; endlich gelang es ihm, sich in die Höhe zu richten ... Die Schalldirne flüchtete wieder nach dem Hausflur und zog ihren Beschützer am Arme hinter sich her ... »Vorgesehen!« flüsterte sie; »er könnte den Stiel leicht umdrehen.« – »Keine Bange, Kindchen, keine Bange!« erwiderte der Unbekannte; »falls er mit der ersten Tracht nicht genug hätte, steht ihm gern eine derbere zur Verfügung.«

      Der Bandit hörte die Worte ... »Hast recht,« sagte er, »für heute Hab ich satt; aber verreden mag ichs nicht, daß wir noch einmal aneinander geraten.« – »He? Verlangts dich wirklich nach frischen Sengen?« rief der Unbekannte in drohendem Tone, »ich sollte meinen, daß ich ehrlich genug an die Arbeit gegangen wäre?« – »Na, das muß dir der Neid lassen, Kamerad,« sagte der Bandit, aber in mürrischem Tone, »hast deine Sache gut gemacht und durchaus ehrlich angefangen, aber...« – »Aber... was?« versetzte der Unbekannte, einen Schritt näher auf den Banditen zutretend. – »Aber,« sagte dieser, ich hab meinen Meister gefunden, und – ob früher oder später – du findest den deinigen auch einmal, wenn es dir auch fürs erste, seit du den Schuri untergekriegt, in unserm Alt-Paris nicht fehlen kann. Alle Dirnen werden dir zu Füßen liegen, und kein Kaschemmenvater wird riskieren, dir einen Pump zu weigern. Aber wer bist du? Du sprichst jenisch, als wärst du unter Jenischleuten aufgewachsen?« – »Na komm, trinken wir ein paar Stampferle mitsammen,« sagte der Unbekannte, »bekannt werden wir bald miteinander sein.« – »So laß ichs mir gefallen«, erwiderte der andere, »mit den Fäusten verstehst du ja zu arbeiten. Schockschwerenot, hast du mir den Schädel traktiert! Das ging wie bei, Hammer und Ambos. Ein ganz neues Manöver! Darin mußt du mir Stunde geben.« – »Ei! im Moment, sofern es dir recht ist.« – »Aber bloß nicht wieder auf meinem Schädel als Amboß. Mir funkelts ja noch jetzt vor den Augen. Sag mal, kennst du den Rotarm, aus dessen Hause du tratest?« – »Rotarm?« wiederholte der Unbekannte, durch die Frage verblüfft, »was willst du mit Rotarm? Verstehe dich nicht. Wohnt Rotarm hier?« – »Ja, solo. Hat seine Gründe dazu, von Nachbarn und guten Freunden Abstand zu nehmen,« erwiderte der Bandit mit seltsamem Lächeln. – »Um so besser für ihn,« sagte der Unbekannte, der keine Lust zur Weiterführung der Unterhaltung zu haben schien, »kenne weder einen Rot- noch einen Schwarzarm. Bin, weils regnete, bloß auf einen Moment hier unters Dach getreten. Du wolltest dem Mädel an den Kragen, und dafür habe ich dich verhauen, das ist die ganze Geschichte.« »Na, was du nicht sagen willst, laß sein. Ich schere mich nicht um deine Geheimnisse. Wer mit Rotarm zu tun haben will, stellt sich nicht auf den Markt und posaunts aus. Also reden wir nicht weiter davon!« – Darauf wandte er sich zu dem Mädchen. »Na, du bist ja ein ganz gutes Mädel, Schalldirne, ein Wort, ein Mann! War, wenn du mich auch mit der Schere stachst, doch nett von dir, den Kerl da nicht schärfer über mich zu hetzen. Komm, trink mit uns, der Hitzkopf berappt.«

      Die drei Leutchen waren nun ein Herz und eine Seele und traten in die Kaschemme. Ein Kohlenträger, auch ein Hüne von Gestalt, hatte sich, während die beiden Männer zusammen gekämpft hatten, behutsam in einen andern Hausflur begeben und abgewartet, wie die Rauferei ausgehen werde. Jetzt folgte er den drei Leutchen in die Kaschemme. Vor der Tür suchte er dem Unbekannten an die Seite zu gelangen und flüsterte ihm auf englisch und in behutsam warnendem Tone zu: »Sehen Sie sich vor, gnädiger Herr, sehen Sie sich vor!«

      Mit den Achseln zuckend, trat der Unbekannte durch die Tür und verschwand hinter dem Banditen und dem Mädchen in der Gaststube.

      Zweites Kapitel. Wirtin und Gäste

      Die Kaschemme führte das Schild »Zum weißen Kaninchen« und stand mitten in der Rue des Poix. Sie nahm das Erdgeschoß eines hohen Hauses ein, dessen Fassade aus zwei sogenannten Fallbeilfenstern bestand. Ueber der Tür einer dunklen gewölbten Flur stand: »Hier ist Nachtquartier zu haben.« – Die Gaststube ist ein großer, niedriger Saal mit verräucherter Decke und von Qualm und Rauch geschwärzten Balken, der durch das rötliche Licht eines Ueberrestes von Wandleuchter erhellt wird. An jeder Seite der großen Stube steht ein halbes Dutzend Tische, die wie die dazu gehörigen Bänke an der Wand festgemacht sind. Im Hintergrunde führt eine Tür nach der Küche; eine andere kleinere Tür führt rechts vom Schenktische auf den Flur hinaus, über den man gehen muß, um zu den Löchern zu gelangen, in denen es für 3 Sous eine Schütte Stroh statt eines Bettes gibt.

      »Mutter Ponisse« heißt die Wirtin dieser Kaschemme. Ihre Geschäfte sind dreifacher Art: sie beherbergt Leute zur Nacht, unterhält einen Ausschank verbunden mit Kneipe und verleiht schmutzige Garderobe an die noch schmutzigeren Geschöpfe, die sich in diesen schmutzigen Gassen wie Schmeißfliegen umhertreiben. Sie zählt 40 Jahre, ist alt, groß, korpulent und hat einen Anflug von Bart. Ihre Stimme hat einen fast männlichen Klang, ist rauh und heiser. Ihre starken Arme und großen Hände weisen auf große Körperstärke. Von reichlichem Schnapsgenuß hat ihr Gesicht eine Kupferfarbe bekommen.

      Auf dem Schenktische stehen allerhand Zinnmaße und Krüge, um die eiserne Reifen gelegt sind. Auf einem Wandbrette stehen allerhand Gläser, die allerhand Liköre enthalten: solche von grünlicher und solche von rötlicher, auch ein paar von goldgelber Farbe.

      Neben der Wirtin hockt eine große, schwarze Katze mit gelben Augen, die der Hausteufel der Kaschemme zu sein scheint. Hinter dem Gehäuse einer altertümlichen Wanduhr hängt ein Zweiglein geweihten Osterbuchsbaums, dessen Anwesenheit sich nur erklären läßt, wenn man den Satz gelten läßt, daß das menschliche Gemüt ein unergründlicher Abgrund von Widersprüchen ist.

      Zwei Kerle von polizeiwidrigem Aussehen, mit struppigem Barte, kaum mit Lumpen bedeckt, sitzen an einem Tische bei einem Weinkruge, trinken aber kaum einmal, sondern sind in reger, wenn auch leiser Unterhaltung begriffen. Der eine hat eine bleiche, fast bleifarbene Haut. Das Gesicht wird von einer schäbigen griechischen Mütze fast bis zu den Brauen bedeckt. Sein linke Hand hält er fast immer unter dem Tische und läßt, wenn er sich ihrer einmal bedienen muß, so wenig wie möglich davon sehen.

      Ein Stück weiter vom Tische entfernt sitzt ein junger Mensch von knapp 16 Jahren mit bartlosem, ebenfalls bleichem Gesicht und mattem Blicke. Um den Hals herum hängt ihm langes, schwarzes Haar. Dieses Musterexemplar frühzeitigen Lasters raucht aus einer kurzen Tonpfeife und trinkt aus einem kleinen Kruge elenden Fusel.

      Von den übrigen Gästen läßt sich weiter nichts Besonderes sagen; es sind Männer und Weiber, aber die ersten sind in der Ueberzahl. Sie sehen alle roh und tierisch aus, lärmen und schreien, reißen Zoten und sitzen, wenn sie sich ausgetobt haben, in dumpfem Schweigen beisammen.

      Zu diesen Gästen gesellten sich unser Unbekannter, der Bandit und die Dirne. Jetzt können wir uns den Schuri genau ansehen: er ist, wie gesagt, ein Hüne von kolossalen Körperverhältnissen, mit aschblondem, fast weißlichem Haar, dichtverwachsenen Brauen und feuerrotem Backenbart von erstaunlicher Länge. Sonnenbrand, Elend und harte Arbeit im Bagno haben ihm die fast allen Galeerensträflingen eigentümliche Bronzefarbe gegeben. Sein Gesichtsausdruck verrät mehr brutale Verwegenheit als wilde Notzeit; wer aber seinen Hinterschädel aufmerksam betrachtet, findet dort die Kennzeichen für Mordsucht stark ausgeprägt.

      In seltsamer Anomalie zeigen die Gesichtszüge der Schalldirne einen madonnenhaften Ausdruck, wie er zuweilen auch bei tiefster Verworfenheit erhalten bleibt. Die Dirne steht im 17. Jahre. Ihr Gesicht ist oval geschnitten, die großen blauen Augen werden von langen Wimpern beschattet; auf den runden roten Wangen liegt noch der erste Jugendglanz; ihr kleiner purpurroter Mund und herrliches Blondhaar, ihre feine gerade Nase und ein allerliebstes Grübchenkinn machen es erklärlich, daß die Dirne fast alle Männer dieser verbrecherischen Welt bezaubert, hat doch schon ihre Stimme allein durch ihren reinen harmonischen Klang den unbekannten Mann in Fesseln geschlagen. Sie sang vortrefflich, und dieses Talent hatte ihr in der Kaschemme den Rufnamen der Schalldirne eingetragen, der im Rotwelsch soviel wie Primadonna bedeutet. Neben ihm führte sie auch noch den Namen »Marienblümchen«, der im Rotwelsch beliebten

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