Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Auf dem Weg zur Pension hoffte er vergeblich, daß sie ihm entgegenkam. Noch einmal schaute er auf die Uhr und klingelte dann.
Einmal, zweimal – niemand öffnete. War die Wirtin denn nicht im Haus? Aber dann mußten doch andere Gäste das Klingeln hören!
Verena hatte erzählt, daß die meisten zu einer Reisegruppe gehörten, die am Morgen eine Almwanderung unternahm. Die Leute waren bestimmt schon unterwegs. Und da Verena nicht öffnete, schien sie ebenfalls nicht mehr in der Pension zu sein.
Unschlüssig ging er vor dem Haus auf und ab. Daß sie an einander vorbeigelaufen waren, schien auch aus. Es gab nur zwei Straßen vom Hotel hierher. Da mußten sie sich begegnet sein.
Er wollte gerade zum Hotel zurückgehen, als er einen Kleinwagen auf den Hof der Pension fahren sah. Sofort lief er hinterher. Eine Frau mittleren Alters stieg aus, als der Anwalt durch die Einfahrt kam. Der Beschreibung nach mußte es sich bei ihr um die Pensionswirtin handeln.
»Guten Morgen«, rief er ihr zu. »Sind Sie Frau Rathmacher?«
Die Wirtin nickte.
»Ja, was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist Fortmann. Bert Fortmann«, sagte er mit einer kurzen Verbeugung. »Ich bin ein Bekannter von Verena Berger.«
Ein strahlendes Lächeln glitt über Christel Rathmachers Gesicht.
»Verena hat mir von Ihnen erzählt. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Ganz meinerseits. Frau Rathmacher, ich bin etwas in Sorge. Verena und ich waren vor beinahe einer Stunde drüben im Hotel verabredet. Aber sie ist nicht gekommen. Und als ich eben vorne an der Tür klingelte, öffnete niemand. Haben Sie eine Vermutung, wo Verena sein könnte?«
Die Pensionswirtin schüttelte den Kopf.
»Ich hab’ nur kurz heut’ morgen mit ihr gesprochen«, antwortete sie. »Ich bin ja schon sehr früh in die Stadt gefahren.«
Sie sah sich auf dem Hof um. Verenas Ente hatte neben der alten Waschküche gestanden Jetzt war der Platz leer.
»Das Auto ist fort«, sagte Christel Rathmacher. »Der Wagen von der Verena hat dort drüben gestanden. Vielleicht ist sie irgendwohin gefahren.«
Im selben Moment fiel ihr ein, daß Verena ja verabredet gewesen war. Da würd’ sie doch net so einfach fortfahren, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
»Wissen S’ was?« meinte sie kurzerhand. »Kommen S’ erstmal ins Haus. Vielleicht hat sie eine Nachricht hinterlassen, wohin sie ist und wann sie wiederkommt.«
Bert nickte dankbar und folgte ihr durch den Hintereingang. Die ganze Sache war ihm äußerst rätselhaft. Jetzt war auch noch das Auto verschwunden!
Sie fanden den Zettel und das Geld in der Küche. Christel Rathmacher las die kurzen Zeilen und schüttelte verständnislos den Kopf.
»Was steht denn da?« fragte Bert Fortmann ungeduldig.
»Sie ist fort«, antwortete die Pensionswirtin. »Verena ist abgereist!«
»Was?«
Bert riß ihr den Zettel aus der Hand und las es mit eigenen Augen. Private Gründe zwingen sie, ihren Urlaub sofort abzubrechen. Das Geld reichte, um das Zimmer für die reservierte Zeit zu bezahlen.
»Verstehen Sie das?« fragte Christel ihn.
Der Anwalt schüttelte den Kopf. Er verstand überhaupt nichts mehr. Er wußte nur, daß Verena fort war, und er hatte nicht einmal eine Telefonnummer von ihr.
*
Verena fuhr wie im Traum. Es war ein Wunder, daß es zu keiner gefährlichen Situation kam, was zum großen Teil daran lag, daß wenig Verkehr herrschte.
Warum nur? Warum? Diese Frage beherrschte ihr ganzes Denken. Konnte ein Mensch wirklich so niederträchtig und gemein sein, auf den Gefühlen eines anderen so herumzutrampeln? Dabei hatte es doch so wunderschön begonnen! Oder hatte er damals, auf dem Parkplatz, schon den Entschluß gefaßt und sie als kurzen Zeitvertreib ausgewählt, bis seine Verlobte kam, die dann wieder alles »ausbügelte«?
Es war ihr unfaßbar, wie sie sich so hatte in diesem Mann täuschen können, und jetzt wollte sie nur fort von hier. Fort von dem Menschen, der sie so bitter enttäuschte.
Mit einer energischen Handbewegung ergriff sie den Schaltknüppel und trieb den Gang weiter hoch. Es gab ein knirschendes Geräusch, und der Motor erstarb langsam.
»O nein, nicht schon wieder«, entfuhr es ihr.
Verena erinnerte sich im selben Augenblick an Tobias Rathmachers mahnende Worte, gefühlvoll mit dem Schalthebel umzugehen, denn mit dem Getriebe stehe es nicht zum besten.
Offenbar kam die Erinnerung zu spät.
Sie schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus. Mit einer Hand drehte sie das Lenkrad, mit der anderen stieß sie den Wagen vorwärts. Zum Glück ging es bergab, so daß es nicht so mühsam war. Trotzdem kam sie ins Schwitzen. Jetzt kam es nicht so sehr darauf an, die Ente zu schieben, als vielmehr sie zurückzuhalten, damit das nicht den Berg hinunter zu schnell wurde. Schließlich sprang sie wieder in den Wagen und ließ ihn im Leerlauf rollen. So schaffte sie es immerhin bis zu einer Parkbucht am Straßenrand. Sie zog die Handbremse an, lehnte sich in ihren Sitz zurück und ließ ihren Tränen freien Lauf.
War es wirklich gerecht, so viel Pech auf einmal zu haben? Sie hatte doch nichts getan, daß sie solch eine Strafe verdiente!
Und was sollte sie jetzt anfangen? Hier, mutterseelenalleine auf der Landstraße, mit einem Auto, das auf den Schrottplatz gehörte. Wütend hieb sie auf das Lenkrad.
Selbst da hatte Bert Fortmann noch recht gehabt. Und sie würde den Verlust ihres geliebten Wagens, immer mit dem Verlust des geliebten Mannes verbinden…
*
Unschlüssig stand Bert vor dem Hotel. Er, der brillante Anwalt, der Analytiker, der vor Gericht für seine Mandanten wie eine Löwin für ihre Jungen kämpfte, war völlig ratlos. Was war nur geschehen? Das war die entscheidende Frage. Welche privaten Gründe gab es, die Verenas Verhalten rechtfertigten? Sie lebte alleine, hatte weiter keine Verwandten, wie sie ihm erzählt hatte. Also mußte ihre übereilte Abreise doch mit ihm zusammenhängen.
Er ging ein paar Schritte weiter, bis er vor dem Parkplatz des Hotels stand. Glorias Wagen fiel ihm auf, der rote Sportwagen, den er kannte. Natürlich, es konnte gar nicht anders sein… Ihre Drohung fiel ihm wieder ein.
Bert stürmte durch die Hoteltür und drängte zur Rezeption.
»Welches Zimmer bewohnt Frau von Haiden?« fragte er das junge Madel hinter dem Tresen.
»Vierhundertvier,