Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher страница 5
Seit geraumer Zeit befanden sie sich hier schon, und es schien, als tue sich eine völlig neue Welt für Veronika Seebacher auf. Bisher kannte sie Käse nur von der Theke aus dem Supermarkt, und wenn sie ehrlich war, mußte sie zugeben, daß sie sich nie Gedanken darüber gemacht hatte, wie aus der Milch der Kühe Käse wurde.
»Das macht das Lab«, hatte der Großvater zuvor erklärt und ihr erläutert, wie die Milch erhitzt, mit dem Ferment versetzt und schließlich der Bruch geschnitten wurde.
Anschließend schöpfte er den Käsebruch mit großen Tüchern aus der Wanne und preßte ihn mit ihn bereitstehende Formen. So lernte das Madel alles, was es mit der Herstellung des Käses auf sich hatte, und natürlich ließ Urban Brandner es sich nicht nehmen, ihr seine ›geheimen‹ Rezepte zu verraten, mit denen er das Rohprodukt weiter veredelte.
»Das ist wirklich alles sehr interessant gewesen«, bedankte Veronika sich.
Sie saßen vor dem Haus und ließen sich das Mittagessen schmecken. Die Enkelin staunte nicht schlecht – ihr Großvater war nicht nur ein Käsefachmann, er konnte auch sehr gut kochen.
»Ach weißt, Madel, wenn man allein auf sich gestellt ist, dann lernt man so etwas schnell«, wehrte er bescheiden ihr Lob ab. »Und außerdem kommen oft Wandersleut’ vorbei, die net immer nur Rühreier mit Speck essen wollen.«
Später saß Urban alleine auf der Bank. Er hatte seine Pfeife angezündet und rauchte gemütlich, während er stillvergnügt Veronika beobachtete, die mit den Hunden herumtollte. Immer noch war er von dieser frappierenden Ähnlichkeit verblüfft, die das Madel mit seiner Mutter hatte. Dieselbe Grazie und Anmut. Der alte Senner spürte, daß es feucht wurde in seinen Augen, als er Veronika betrachtete. Und er spürte einen leisen Stich in seinem Herzen, als er einmal den flüchtigen Gedanken hatte, er könne sie wieder verlieren. Aber das durfte niemals geschehen! Er würde alles dransetzen, daß er nicht den gleichen Fehler machte, wie damals, als er Maria für immer verlor.
Er war froh, daß heute keine Wandergäste gekommen waren. Sie hätten nur gestört, und Urban war sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht sogar wieder fortgeschickt hätte. Nun, vielleicht hätte er sich diese Unartigkeit heute verkniffen. Er wußte selber, daß er manchmal unausstehlich sein konnte. Doch vor Veronika wollte er sich benehmen. Schließlich sollte sie einen guten Eindruck von ihm haben – und bei ihm bleiben… so, wie sie es ja gesagt hatte.
Als sie dann am Abend im Schein der Petroleumlampe in der Hütte saßen, holte Urban einen alten Schuhkarton hervor. In ihm bewahrte er etliche Fotografien auf. Zum Karton stellte er eine Flasche Veltliner und zwei Gläser, und dann betrachteten Großvater und Enkelin den ganzen Abend die Bilder und schwelgten in Erinnerungen. Bewegt sahen sie die Fotografien von Maria und Theresa Brandner, Urbans Frau und Veronikas Großmutter an, und so manche Träne floß.
*
Die Abendmesse war gerade vorüber. Langsam leerte sich die Kirche. Pfarrer Trenker stand an der Tür und verabschiedete die Gläubigen. Es war niemand darunter, der von dem Einbruch und dem Raub nicht erschüttert gewesen wäre.
Nachdem der letzte gegangen war, drehte der Geistliche sich um und schritt hinüber zur Sakristei. Unwillkürlich fiel sein Blick auf die Stelle im Bogengang, wo bis gestern noch die Madonna ihren Platz gehabt hatte.
»Eine Schande ist das!« vernahm Sebastian Trenker die Stimme des Mesners. »Eine Sünde und ein Verbrechen an Gott.«
»Der oder die Täter werden die gerechte Strafe bekommen«, sagte der Priester und legte Stola und Soutane ab.
Alois Kammeier, der Mesner von St. Johann, nahm den Meßdienern die Gerätschaften ab und verstaute diese im Regal. Dann beugte er sich verschwörerisch zum Pfarrer hinüber.
»Ich weiß ja net, ob’s stimmt«, sagte er leise, damit die beiden Buben nichts mitbekamen, »aber die Leut’ behaupten, die Anderer hätten etwas damit zu tun.«
Er hob die Schulter.
»Ich weiß es ja net – aber es war von denen auch niemand in der Messe. Auch die Burgl net…«
»So ein Schmarr’n«, schimpfte Sebastian Trenker. »Wer behauptet denn solch einen Blödsinn? Die Polizei verfolgt bereits eine Spur, und die führt gewiß net zu den Anderern! Die Leut’ soll’n sich bloß mit ihren dummen Anschuldigungen zurückhalten!«
Die Anderer waren eine wenig angesehene Tagelöhnerfamilie. Der Alte, Jacob Anderer, war als Raufbold und Trinker verschrien, Walburga, seine Frau, schuftete von früh bis spät, um die Familie über Wasser zu halten, zu der auch noch ein Sohn gehörte. Allerdings war ihr Thomas der Typ, der lieber den Madeln hinterherstieg, als einer vernünftigen Arbeit nachzugehen.
Trotz aller Vorbehalte, die man ihnen gegenüber vielleicht haben mochte, war Sebastian Trenker weit davon entfernt, die Familie des Kirchenraubes zu verdächtigen. Das sagte er auch seinem Bruder, der schon von diesem Gerücht gehört hatte. Max winkte ebenfalls kopfschüttelnd ab.
Sie saßen in der gemütlichen Pfarrhausküche und ließen sich das Abendessen schmecken. In der Aufregung des Tages war das Mittagessen ausgefallen, und so hatte Frau Tappert es kurzerhand wieder aufgewärmt.
»Es schmeckt köstlich«, lobte Pfarrer Trenker seine Haushälterin.
»Wie immer«, fügte Max hinzu und stopfte sich eine Gabel Rotkraut in den Mund.
Sophie Tappert registrierte das Lob, antwortete aber nicht. Sie sprach überhaupt nicht viel. Reden ist Silber – Schweigen ist Gold, war ihre Devise. Wer viele Worte macht, läuft Gefahr, viel Dummes zu schwätzen.
Nein, redefleißig war die Perle des Pfarrhaushaltes wahrlich nicht, und wenn sie überhaupt einmal etwas zu einer Sache zu sagen hatte, dann tat sie es kurz und knapp. Meistens begnügte sie sich mit einem Blick, der, je nachdem, Zustimmung oder Mißbilligung ausdrückte.
»Also, wie gesagt, das mit dem Anderern ist wirklich völliger Unsinn«, bemerkte Max, als sie später bei einem guten Tropfen im Arbeitszimmer des Pfarrers saßen. »Aber dieser Mann, von dem du erzählt hast – der ist interessant. Beschreib’ ihn doch einmal.«
Sebastian kramte in seiner Erinnerung und beschrieb den Mann, so wie er ihn vor sich sah.
»An wen erinnert er mich bloß«, fragte Max und dachte angestrengt nach. »Diese Beschreibung – irgendwo hab’ ich den Kerl schon mal gesehen. Wenn ich nur wüßt’ wo.«
Sebastian schenkte von dem Wein ein.
»Also, wenn er mir gegenüber stände, ich würd’ ihn sofort wiedererkennen. Jetzt, wo ich an ihn denke, kommt er mir gar nicht mehr so sympathisch vor, wie damals.«
Die beiden Brüder saßen noch bis spät in der Nacht und dachten an den Mann, der sich so intensiv die Madonnenstatue angesehen hatte.
»Ich fahr morgen in die Kreisstadt«, sagte Max zum Abschied. »Vielleicht wissen die Kollegen dann schon mehr.
Sebastian nickte und brachte ihn zur Tür. Einen Moment noch stand er dann draußen und atmete die laue Nachtluft ein. Dann ging er in sein Arbeitszimmer zurück und setzte sich nachdenklich an den Schreibtisch.
Zum einen ging ihm natürlich der Kirchenraub nicht aus dem Kopf – was waren das nur für Menschen, die sich zu solchen niedrigen Taten hinreißen