Der Bergpfarrer 252 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer 252 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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ein paar Tage drehfrei sind, komm’ ich nach München.«

      Lukas streichelte weiter, aber eher automatisch, denn mit Gefühl. Nervös leckte er sich über die Lippen.

      »Das wird net nötig sein, Schatz«, antwortete er ein wenig zu rasch und ein wenig zu laut. »Weil ich jede freie Minute in St. Johann verbringen werde. Net dass dich mir doch noch einer der Jungbauern ausspannt, die alle auf den Pörnbacher-Hof wollen.«

      Christine schlang ihre Arme um Lukas’ Nacken und blinzelte dem Kollegen und Freund verliebt zu.

      »Davor brauchst du keine Angst zu haben. Ich werd’ dir net untreu, Luk«, versicherte sie. »Erstens mag ich nur dich allein. Und zweitens möcht’ ich wissen, was ausgerechnet ich mit einem Bauern anfangen sollte. Schließlich spiel’ ich ja nur die Aussteigerin. Den ganzen Tag Stall ausmisten, Kühe melken und im Feld arbeiten, würd’ mir grad noch fehlen.« Sie lachte. »Vielleicht stell’ ich mich zu all den Sachen ja sogar so dumm an, dass mich dieser Pörnbacher schon nach einer Woche wieder vor die Tür setzt. Dann sehen wir uns schneller wieder, als Gregor dem Großen lieb ist.«

      Lukas Brenner stimmte in Christines Lachen ein, wenn ihn auch beim Gedanken an Kerstin und mögliche Überraschungsbesuche Christines in München eine leise Unruhe beschlich.

      *

      Mit ausgreifenden, aber doch bedächtigen Schritten marschierte Pfarrer Trenker in Richtung Pörnbacher-Hof. Einmal warf er kurz einen leicht wehmütigen Blick zum Kogler hinauf und zu der Senke, in der die Streusachhütte lag, lief dann aber zügig weiter, bis er Franz’ und Burgls Anwesen erreicht hatte.

      Luxl, der Hofhund, kam ihm aufgebracht bellend und knurrend entgegen, verstummte aber, als er den Geistlichen erkannte, und wedelte freundlich mit dem Schwanz. Nur Murr, der Kater, kannte kein Pardon. Er fauchte, auf dem Fensterbrett buckelnd, den Bergpfarrer giftig an, als er sich der offen stehenden Haustür näherte.

      Sebastian klopfte. Als sich nichts regte, rief er nach den Bewohnern, betrat schließlich den Flur und schaute sich um, aber keine Menschenseele war zu sehen. Schulterzuckend verließ er das Haus wieder und wandte sich in Richtung Stall. Gerade wollte er die große Holztür öffnen, als sie sich öffnete.

      Aus dem Halbdunkel trat Burgl Pörnbacher, einen Melkeimer in der Hand.

      »Guten Morgen, Herr Pfarrer«, grüßte Burgl freudig überrascht. »Das ist aber schön, dass Sie uns wieder einmal besuchen.«

      Sie hielt dem Bergpfarrer die nicht ganz saubere Hand hin, die der Geistliche warm und herzlich drückte.

      »Guten Morgen, Burgl«, erwiderte er freundlich den Gruß der Pörnbacher-Bäuerin. Er zögerte einen Moment, weil er nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wollte, dann setzte er hinzu: »Wie geht es dir und dem Franz? Alles in Ordnung bei euch hier heroben?«

      Burgl holte tief Luft.

      »So weit schon«, antwortete sie, trat dann einen Schritt zurück und musterte Pfarrer Trenker mit einem leicht verlegenen Seitenblick. »Allerdings wollen wir unseren Hof aufgeben und sind auf der Suche nach einem Nachfolger. Aber davon haben Sie wahrscheinlich schon gehört. So etwas spricht sich in einem Ort wie St. Johann schließlich schnell herum. Vor allem, wenn man, wie wir gestern, in den Wohnstuben sämtlicher Häuser über den Bildschirm flimmert.«

      Pfarrer Trenker lächelte.

      »Sogar im Pfarrhaus«, meinte er und blinzelte Burgl zu. »Ehrlich gesagt, ein wenig gewundert hab ich mich schon. Im Grunde seid ihr ja für den Ruhestand noch ein bissel jung, du und dein Franz. Findest net auch, Burgl?«

      Die Pörnbacherin zuckte die Schultern.

      »In den Fünfzigern sind wir halt«, sagte sie. Freilich ist das in der heutigen Zeit noch kein Alter. Und eigentlich wollten wir ja immer hier auf unserem Hof arbeiten, solang wir irgend können. Bloß auf einmal hat der Franz dann nur noch davon geredet, dass wir auf die Art und Weise gar nix mehr von unserem Leben haben.« Burgl hielt inne, griff nach ihrem Taschentuch und schnäuzte sich. »Wenn ich ehrlich bin, war ich von der Idee, jetzt schon in Rente zu gehen, am Anfang gar net sonderlich begeistert. Aber nach und nach hat der Franz mich überzeugt. Für wen rackern wir uns eigentlich ab? Wir haben keine Kinder. Unser Hof kommt, wenn der Franz und ich einmal nimmer können, sowieso in fremde Hände. Was macht es für einen Unterschied, ob jetzt gleich oder in zehn Jahren?« Burgl machte wieder eine kleine Pause und setzte den schweren Melkeimer ab. »Der Franz hat gemeint, je eher wir übergeben, desto mehr gemeinsame Zeit bleibt uns noch. Sorglos und frei. Mein Schwiegervater ist als junger Mann über zwei Jahre in Amerika gewesen und hat dem Franz, als er noch ein Bub war, immer wieder von der Neuen Welt erzählt. Und ihn neugierig gemacht. Kein Wunder, dass mein Mann sich gewünscht hat, die Berge von Montana einmal mit eigenen Augen zu sehen. Aber eine so weite Reise ist, wenn man einen Bauernhof hat, schlicht unmöglich.« Burgl ließ ihre Blicke für einen Moment über ihren Hof hin schweifen. »Was mich selbst betrifft, hab ich als junges Madl ständig von einer Hochzeitsreise nach Venedig geträumt. In einer warmen Sommernacht eine Gondelfahrt zu zweit auf dem Canale Grande, wenn sich die Sterne im Wasser spiegeln und der Gondoliere ein romantisches Liebeslied singt … Aber nachdem der Franz und ich geheiratet hatten, war leider keine Zeit für Flitterwochen. Ein paar Flitterstunden haben wir gehabt, das war alles. Während unserer bescheidenen Hochzeitswanderung auf die Kandereralm haben wir uns geschworen, alles nachzuholen. Aber wie das halt so ist im Leben …«

      Pfarrer Trenker nickte.

      »Von der Seite hab ich die Sache bis jetzt noch gar net betrachtet«, meinte er, nachdenklich geworden. »Vielleicht ist die Entscheidung, die dein Mann getroffen hat, wirklich gar net so schlecht. Wo ist der Franz eigentlich? Im Wohnhaus hab ich geklopft, aber niemanden angetroffen.«

      »Das glaub ich Ihnen gern«, gab Burgl zurück. »Der Franz ist heut früh gleich nach dem Frühstück in die Kreisstadt gefahren, einen wichtigen Behördengang erledigen. Und den Hannes, unseren Knecht, hat er mitgenommen. Ria, die Magd, hat heut’ ihren freien Tag, und …« Burgl unterbrach sich mitten im Satz und tippte sich gegen die Stirn. »Und ich bin unhöflich, dass es gar nimmer unhöflicher geht«, vollendete sie. »Ich red’ und red’ und lass Sie einfach mitten auf dem Hof stehen, Herr Pfarrer. Anstatt Sie ins Haus zu bitten. Ich hoff’, Sie sind mir net bös. Aber die Geschichte mit der Hofübergabe treibt mich halt doch um. Und ich war einfach froh, mit Ihnen reden zu können. Mit einem Menschen, der einem einen ehrlich gemeinten Rat gibt und auf dessen Urteil man sich unbedingt verlassen kann.«

      Pfarrer Trenker wusste nicht so recht, was er antworten sollte. Burgls Vertrauen ehrte und rührte ihn. Aber dass der Bäuerin die Entscheidung für den Ruhestand offenbar doch schwererfiel, als sie es sich eingestehen wollte, war kaum zu überhören und das beunruhigte Sebastian.

      »Es ist alles in Ordnung, Burgl, mach dir keine Gedanken«, sagte er und schüttelte lächelnd den Kopf.

      »Gott sei Dank«, gab die Pörnbacher-Bäuerin erleichtert zurück. Sie wies auf den Melkeimer. »Ein Glas frische Milch mögen Sie doch sicher, Herr Pfarrer«, bot sie an. »Und einen Kaffee mach’ ich Ihnen auch noch. Zu dem Guglhupf, den ich gestern gebacken hab. Er schmeckt zwar bestimmt net halb so gut wie der, den Ihre Frau Tappert Ihnen kredenzt, aber der Franz und unser Knecht waren bisher mit meinen Koch- und Backkünsten jedenfalls net unzufrieden.«

      Sebastian Trenker konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er Burgl Pörnbacher, die ihm das Tragen des schweren Melkeimers nur widerstrebend überließ, ins Haus folgte. Er nahm auf dem Sofa in der geräumigen Wohnküche Platz und stellte angenehm berührt fest, dass der Raum seit seinem letzten Besuch nichts von seiner Behaglichkeit eingebüßt

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