Der kleine Fürst 250 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst 250 – Adelsroman - Viola Maybach Der kleine Fürst

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schlimm?«

      Lola nickte, ganz plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Ich weiß nicht, ob ich das noch aushalte, bis ich mit der Schule fertig bin, Karina. Papa trinkt jetzt schon seit Wochen wieder, und mir kommt es so vor, als wäre es dieses Mal schlimmer als sonst.« Sie wischte sich über die Augen. »Mama hat ihren Job verloren, weil sie ständig krank ist. Der Chef hat ihr gesagt, er kann nicht dauernd Ersatz für sie suchen, sie ist ihm zu unzuverlässig. Seitdem liegt sie die meiste Zeit im Bett. Sie steht nur auf, um etwas zu essen zu machen, bevor er nach Hause kommt, damit Papa nicht auch deswegen noch ausrastet.«

      Karina nahm Lola in die Arme und drückte sie an sich. »Es ist zu klein hier bei mir, aber willst du trotzdem kommen? Wenigstens für eine Weile? Irgendwie würden wir uns schon arrangieren können, schätze ich. Ich kann mir ja vorstellen, wie es zu Hause ist, schließlich habe ich das selbst lange genug mitgemacht.«

      Lola überlegte, schüttelte aber schließlich den Kopf. »Ich möchte schon weg, aber wenn ich gehe, ist Mama völlig allein mit ihm, dann … dann stirbt sie, glaube ich. Ich merke immer, wie froh sie ist, wenn ich aus der Schule komme. Sie sagt ja nicht viel, aber ich merke es trotzdem, auch wenn sie dann noch im Bett liegen bleibt. Manchmal weint sie auch. Sie hat keine Kraft mehr und wenn sie mit Papa allein wäre, wäre das noch schlimmer für sie. Ich …«

      Lola stockte, bevor sie nach einer Weile mit viel leiserer Stimme hinzusetzte: »Er schlägt sie weniger, wenn ich dabei bin. Das letzte Mal habe ich ihm mit der Polizei gedroht, da hat er es mit der Angst zu tun bekommen.«

      Karina ließ sie los, sie war blass geworden. »So weit ist das mittlerweile?«

      Lola senkte den Kopf, sie konnte ihre Schwester nicht ansehen. »Schon länger«, sagte sie. »Wenn Papa wieder nüchtern ist, tut es ihm jedes Mal wahnsinnig leid, aber du weißt ja, wie er ist, wenn er getrunken hat.«

      Karina begann, in ihrem winzigen Wohnzimmer auf und ab zu laufen. »Ich rede noch einmal mit ihr. Sie muss ihn verlassen, sonst geht sie vor die Hunde.«

      »Aber sie hat doch kein Geld! Sie müsste zum Sozialamt, das macht sie nicht, du kennst sie doch. Sie würde sich in Grund und Boden schämen. Und Papa …« Lola biss sich auf die Unterlippe. »Er ginge noch schneller vor die Hunde als Mama. Sie sorgt immerhin dafür, dass er morgens frühstückt und anständig angezogen aus dem Haus geht. Manchmal ist er morgens noch nicht wieder richtig nüchtern. Wenn sie nicht wäre, würden das schnell alle merken. Ich meine nicht nur seine Kollegen, auch die Chefs, und dann würde er seinen Job wirklich verlieren.«

      »Den verliert er über kurz oder lang sowieso«, sagte Karina. »Das kann auf Dauer nicht gut gehen, das habe ich dir ja neulich schon gesagt.«

      Lola nickte, sie weinte wieder. Diese Schwäche erlaubte sie sich nur bei Karina. Keiner ihrer Freunde hatte sie jemals weinen sehen.

      Karina schloss sie erneut in die Arme, dieses Mal hielt sie sie länger fest. Am liebsten hätte sie selbst geweint, weil ihre Kräfte nicht ausreichten, um ihre Familie zu retten. Aber das hätten sie nur alle gemeinsam schaffen können. Sie allein konnte da überhaupt nichts ausrichten. Auch Lola und sie gemeinsam waren zu schwach, um die Mutter aus ihrer Erstarrung zu lösen und den Vater vom Alkohol wegzubringen, den er einmal als seinen ›besten Freund‹ bezeichnet hatte, der ihn nie im Stich ließ.

      Alles geht kaputt, dachte sie trostlos. Alles.

      Aber dann fiel ihr wieder die Preisverleihung ein, auf die sie Lola neulich begleitet hatte: Frieda Eckert, Marcos Schwester, war geehrt worden. Das war immerhin ein Lichtblick, zwar nicht für ihre Familie, aber doch für Menschen, die sie gut kannte. Frieda würde vielleicht eine große Karriere machen.

      Ihr nächster Gedanke galt bereits dem jungen Mann, der den zweiten Preisträger begleitet und der sie im Laufe der Veranstaltung mehrmals angesehen und angelächelt hatte. Seitdem hoffte sie, ihm zufällig wieder zu begegnen, denn Sternberg war schließlich nicht besonders groß. Bis jetzt jedoch war es leider zu keiner weiteren Begegnung gekommen.

      Sie gab sich einen Ruck. Auch was ihre Familie betraf, wollte sie die Hoffnung noch nicht aufgeben. Ihre Eltern waren ja nicht immer so gewesen wie heute. Vielleicht brauchten sie nur den richtigen Anstoß, um aufzuwachen und ihrem Leben wieder eine andere Richtung zu geben? Unmöglich war das nicht.

      Aber als Lola sich verabschiedet hatte, merkte Karina erst, wie niedergeschlagen sie durch den Besuch ihrer Schwester geworden war. Die Bilder ihrer apathischen Mutter im Schlafzimmer und ihres betrunkenen Vaters im Wohnzimmer verfolgten sie bis in den Schlaf.

      *

      »Onkel Ben!«, sagte Alina erfreut, als sie ihrem Onkel die Tür öffnete. »Du hast dich ja lange nicht blicken lassen.«

      »Stimmt, aber jetzt bin ich da, ich hatte Sehnsucht nach dir.«

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