Leni Behrendt Classic 52 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Leni Behrendt Classic 52 – Liebesroman - Leni Behrendt Leni Behrendt Classic

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Elisa preßte die Lippen zusammen, und auf ihrer Stirn erschien eine scharfe Falte. Das war immer ein Zeichen höchsten Unwillens.

      »Das wird ja immer merkwürdiger. Sie sollten nicht so viel Befugnis haben, hinterlassene Briefe des Verewigten, die zweifellos vorhanden sind, den Erben ausliefern zu dürfen?«

      »Bedaure sehr, gnädige Frau.«

      Da wandte sie sich schroff ab. Ihre Kinder wußten, wie böse nun die Mama war, wenn man ihr äußerlich auch kaum etwas anmerken konnte. Sie verhielten sich so ruhig wie möglich. Der Justizrat verspürte sowieso keine Lust zu großen Gesprächen, und Wieloff wagte überhaupt nicht, ungefragt zu reden.

      Daher war es sehr ungemütlich an der Tafelrunde, und sie atmeten alle erleichtert auf, als Frau Elisa sich erhob.

      Sie äußerte kurz den Wunsch, den Toten zu sehen, und der Anwalt war bereit, sie zu führen.

      Als sie den großen Saal, in dem der Tote aufgebahrt war, betraten, umklammerte Elke Gerswints Arm und preßte ihr Gesicht daran. Der düstere Raum, der nur von den Kerzen in den Wandleuchtern erhellt wurde, der Duft der Blumen und der Bäume, die den Katafalk umstanden, und endlich der stumme Schläfer in seinem Sarge flößten dem Kinde zitternde Angst ein.

      Frau Elisa ließ ihre Blicke umherschweifen, und ihren scharfen Augen entging nichts. Aber sie sah nicht den friedlichen, fast lächelnden Ausdruck in dem Antlitz des Toten, das im Leben nie so schön und edel gewesen war wie jetzt. Sie fand nur, daß alles lächerlich einfach war. Als wäre hier nicht ein reicher Mann, sondern ein armer Schlucker aufgebahrt.

      *

      In ihren Räumen sagte Frau Elisa: »Herba ist vom Ableben Onkel Leopolds benachrichtigt. Sie wird hier erscheinen, und ich erwarte von dir, mein Sohn, daß du deine spätere Gattin vor allen Menschen auszeichnest.

      Auch Alf kommt«, wandte sie sich dann an ihr schönstes und liebstes Kind, es mit wohlgefälligen Blicken betrachtend. Sie sah aber Edna unwillig an, die erfreut ausrief: »Dann kommt auch sein Bruder mit.«

      »Hoffentlich kommt er nicht mit!« betonte die Mutter scharf. »Deine Vorliebe für ihn gefällt mir nicht, mein Kind. Er ist weiter nichts als der Schatten seines bedeutenden Bruders Alf – in jeder Beziehung. Und mir daher als Gatte meiner Tochter ganz und gar unerwünscht. Ich habe andere Pläne mit dir. Mache erst deine Prüfung, dann sollst du sie erfahren.«

      »Ich dachte, das wäre jetzt nicht mehr nötig«, meinte Edna niedergeschlagen und schwer enttäuscht. »Wir sind doch jetzt wieder reich, Mama.«

      »Um so mehr müßt ihr danach streben, euch ein angemessenes Wissen anzueignen. Ich will nicht nur schöne, sondern auch kluge und gebildete Töchter haben«, belehrte sie in einem Ton, der jede Widerrede von vornherein ausschloß.

      Da wußte Edna, daß sie weiterlernen mußte.

      *

      Der Tag der Beisetzung war gekommen – ein grauer, regnerischer Septembertag. Im Schlosse war alles feierlich still. Nichts deutete darauf hin, daß eine Stunde später der tote Schloßherr zu Grabe getragen werden sollte.

      Frau Elisa und ihre Kinder kleideten sich sorgfältig an und sahen denn auch sehr schön und elegant aus, als sie unten im Schloß erschienen. Sie war heute mit ihren Kindern zufrieden. Hauptsächlich auf Gerswint ruhten ihre Augen mit Mutterstolz. Diese Tochter war ganz nach ihrem Geschmack.

      Aber auch Edna hatte sich gut entwickelt, das fiel der Mutter besonders heute auf. Sie glich Gerswint auffallend. Nur daß ihr das Überlegene, Hochmütige fehlte – das war in Frau Elisas Augen eine Unvollkommenheit.

      In der Halle des Schlosses standen schon die Herren Glang, Melch und Wieloff und mit ihnen die Beamten der Hellersenschen Güter. Es war eine ansehnliche Schar, wie Frau Elisa mit der Befriedigung feststellen konnte; die Herrschaft Waldwinkel mußte also noch größer sein, als sie angenommen hatte. Die Frauen und Kinder, die unter den Männern standen, gehörten wohl zu den Beamten.

      Frau Elisa und die Ihren schritten an der Gruppe vor­über und suchten sich in gemessener Entfernung einen Platz, als wollten sie den Leuten klarmachen, daß sie keine Gemeinschaft mit ihnen wünschten. Und die ohnehin schon traurigen Mienen der Frauen und Männer wurden immer trostloser. Voll Wehmut gedachten sie der guten Tage, die sie bei ihrem verstorbenen Herrn gehabt hatten.

      »Da stehen einem ja die Haare zu Berge bei so viel Unnahbarkeit«, spottete der Sanitätsrat halblaut. »Und was werden Ihre Gnaden dazu sagen?« zeigte er mit einer Kopfbewegung zum Portal hin, durch das soeben die Gutsleute die Halle betraten. Männer, Frauen und Kinder, alle sahen sie niedergeschlagen und verschüchtert aus.

      »Arme Leute«, sagte der Arzt mitleidig. »Die guten Tage, die sie bei dem Dahingeschiedenen hatten, werden sie nun doppelt büßen müssen durch die, die jetzt die Herrschaft antreten.«

      Der Justizrat nickte zerstreut.

      »Ich werde jetzt den Zug eröffnen und in das Totenzimmer gehen, damit den Leuten noch Zeit genug bleibt, von ihrem Herrn Abschied zu nehmen. In einer halben Stunde ist der Pfarrer hier.«

      Langsam bewegte sich der lange Zug zum Saale hin. Trotz der vielen Menschen herrschte eine tiefe Stille, die nur von unterdrücktem Schluchzen unterbrochen wurde.

      Und dann standen sie vor dem toten Gutsherrn. Die Frauen und Kinder weinten bitterlich, und auch die Männer wurden hier und da von einem trockenen Schluchzen geschüttelt.

      Frau Elisa und ihre Kinder sahen mit großen Augen auf das erschütternde Bild. Daß man um einen Menschen so trauern konnte, und um einen fremden noch dazu, das war ihnen neu. Sie fühlten sich recht unbehaglich und hatten nur den einen Wunsch, daß die Trauerfeierlichkeiten erst zu Ende wären.

      Doch plötzlich weiteten sich ihre Augen.

      Diese hohe Gestalt, die da soeben durch den Saal schritt, das war doch…?

      Tatsächlich, es war Swen. Ja, was wollte der denn hier? Der hatte dem Verstorbenen doch gewiß nicht nahegestanden, hatte ihn nicht einmal gekannt.

      Und wie gut er aussah, wie er sich in den fünf Jahren, da sie ihn nicht gesehen, herausgemacht hatte!

      Einfach unglaublich!

      Und wie er dahinschritt. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre er hier der Herr.

      Frau Elisa und ihre Kinder sahen sich an, und einer las in des andern Augen Überraschung und Bestürzung.

      Nur Elke erkannte den Vetter nicht. Sie war ja auch erst fünf Jahre alt gewesen, als er Hirschhufen verlassen hatte.

      Jetzt schien Swen die Verwandten bemerkt zu haben, denn er verhielt den Schritt. Als er jedoch ihre eisigen Mienen sah, ging er weiter, und ein ironisches Lächeln zuckte um seinen Mund.

      Wie war Swen hierhergekommen?

      Das war die Frage, die Frau Elisa und die Ihren sehr beschäftigte, viel mehr als alles andere.

      Wie die Leute ihm ehrerbietig Platz machten, als er an den Sarg trat. Da gehörte er doch wirklich nicht hin! Aber so war es ja schon immer gewesen; er hatte sich Rechte angemaßt, die ihm nicht zukamen.

      Frau Elisa schrak aus ihren unerfreulichen Gedanken auf, als Christian plötzlich vor ihr

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