Fiona - Gefühle. Zsolt Majsai
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„Den bin ich gewohnt.“ Ich mustere meine Hände. Für einen Moment kommt die Erinnerung an die Zerstückelung hoch, doch ich schicke sie wieder in den Keller. Im Moment kann ich sie überhaupt nicht gebrauchen. Aber ich sollte mal was dagegen unternehmen, sobald diese Scheiße hier vorbei ist.
„Du machst es also? Du bist bereit, dieses Opfer für deinen Freund zu bringen?“
Ich sollte Nein antworten, aber es wird ein gepresstes Ja daraus. Das ist eine neue Qualität, mich selbst zu verstümmeln. Ohne das Wissen, dass der Schmerz nach einigen Minuten nachlässt und der Finger nachwächst, wäre es sicherlich noch einmal schlimmer. Und dass ich am falschen Ort für Gleichgewicht sorgen will. Mir kommen die Bilder in den Sinn, von Menschen, die im Namen der Scharia verstümmelt werden.
Dämonen gibt es überall, nur ihre Gesichter wechseln.
Auf einen Wink von Emily bringt mir einer der Gopfs ein Fleischermeister. Wenigstens soll ich meinen Finger nicht mit einem Reisschneider zerschnippeln. Ich prüfe die Schärfe der Klinge und stelle erleichtert fest, dass sie sehr scharf ist.
„Wir sind keine Sadisten“, erklärt Emily.
„Ach?“
„Nein. Es geht nicht darum, dass du leidest, sondern darum, ob deine Worte deine Worte sind.“
„Ein Dämon mit Prinzipien?“
„Ich bin kein Dämon!“, sagt sie aufbrausend und zeigt auf die Gopfs. „Das sind Dämonen, ich nicht!“
„Was bist du dann? Ein Mensch jedenfalls nicht.“
„Ich bin eine Lilith!“, erwidert sie aufgebracht.
„Eine Lilith? Oder die Lilith?“
„Die Lilith, wie du das nennst, war unsere Quelle und Vorfahrin.“
„Oh, von dir gibt es also noch mehr?“
Emily starrt mich wütend an, doch dann werden ihre Gesichtszüge wieder weicher und schließlich lächelt sie sogar. „Du bist raffiniert, Fiona. Wirklich raffiniert. Genug geredet. Du hast eine Minute, sonst schneiden wir deinem Freund alle Finger ab und du isst mit uns.“
Nachtragendes Weib. Das kann ja noch heiter werden. Doch vorher wird es schmerzhaft. Ich atme tief durch, vermeide jeden Blick in die Richtung von Ben. Dann lege ich meine rechte Hand so an die Tischkante, dass nur der Zeigefinger aufliegt. Eigentlich gefällt er mir ganz gut, der Finger, auch wenn er nicht das erste Mal erneuert wird. Aber das erste Mal, dass ich ihn selbst … abnehme.
Mit der linken Hand positioniere ich die Klinge so, dass sie wie ein Fallbeil möglichst schnell sogar den Knochen durchschneidet. Das verringert den Schmerz auf ein hoffentlich halbwegs ertragbares Maß.
Jetzt werfe ich doch noch einen Blick auf Ben, der mich fassungslos anstarrt.
„Los jetzt!“, befiehlt Emily. „Finger abschneiden und verfüttern!“
Arschloch. Ich atme tief ein und während ich die Luft stoßartig ausatme, drücke ich die Klinge mit einer schnellen und starken Bewegung nach unten.
Der Schmerz geht. Zumindest im ersten Moment. Dann raubt er mir den Atem. Füllt meine Augen mit Tränen. Lässt mich das Messer krampfartig festhalten. Ich verharre regungslos, Sekunden oder Minuten lang. Dann atme ich langsam wieder aus. Der Schmerz wird weniger. Ich lasse das Messer los und wische mir die Tränen aus den Augen, um wieder sehen zu können. Die Gopfs stehen erwartungsvoll um mich herum.
„Du musst den Finger einem von ihnen in den Mund geben“, erklärt Emily. „Sie warten darauf und sind schon ganz gespannt, wen du auserwählst.“
Mit zusammengebissenen Zähnen schaue ich sie kurz an, dann packe ich den abgeschnittenen Finger. Es ist ein unheimliches Gefühl, weil ich den Gegenreiz nicht spüre. Ich halte meinen Finger fest, aber der Finger spürt es nicht. Pervers.
Ich atme tief durch. Dann strecke ich den Finger dem Gopf, der mir auf der linken Seite am nächsten steht, entgegen. Er öffnet den Mund, und als ich den Finger hineinschiebe, packt er mit den Zähnen zu. Der Knochen kracht, dann ist der Finger verschwunden.
Ich betrachte meine rechte Hand. Sie sieht irgendwie lustig aus, ohne den Zeigefinger. Aber der Schmerz hat fast völlig aufgehört, und ich kann zusehen, wie sich langsam ein neuer Finger formt. Er wächst aus der Hand heraus, Stück für Stück baut er sich auf, bis das erste Glied fertig ist. Dann entsteht das Gelenk und das nächste Glied. Als Letztes wächst der Nagel nach, bis auf das Blut deutet nichts mehr darauf hin, dass ich mir grad den Finger abgeschnitten habe.
Ben schnappt nach Luft.
„Lass ihn jetzt gehen“, sage ich gepresst. „Oder bist du eine Lügnerin?“
„Nein, ich halte mein Wort. – Bringt ihn weit weg und setzt ihn aus. Er darf nicht wissen, wo das Haus ist!“
Zwei der Gopfs springen zu Ben und zerren ihn mit sich, obwohl er wild um sich schlägt. Zumindest bis es den Gopfs zu bunt wird und sie ihn auf ihre Art beruhigen.
Emily wendet sich mir zu. „Du hast mich beeindruckt, Fiona. Sehr sogar.“
„Wie schön für dich.“
„Du bist jetzt sauer auf mich. Aber ich habe meine Gründe für das, was ich tue.“
„Das haben wir alle“, erwidere ich und atme tief durch.
„Ja, das ist richtig. Ich möchte jetzt mit dir rauchen. Auf der Terrasse.“
Was für ein Glück, dass ich Zigaretten und Feuerzeug von Ben eingesteckt habe, sonst wäre die Prinzessin jetzt enttäuscht. Prinzessin? Hat nicht mich mal jemand so genannt? In einer ruhigen Minute sollte ich darüber vielleicht nachdenken. Jetzt vibrieren meine Nerven noch im Nachgang des Schmerzes. Meine Hand zittert leicht, als ich Emily Feuer gebe.
„Die Nachwirkungen des Schmerzes“, stellt sie fest.
„Was du nicht sagst.“
„Und immer noch bist du sauer. Warum eigentlich? Wir wussten beide, dass dein Finger nachwachsen wird. Etwa wegen des Schmerzes? Dann solltest du niemals ein Kind bekommen!“
„Du hast Kinder?“
„Nein. Aber ich war oft genug dabei, wenn unsere Frauen … bei Geburten, und ich weiß, was für Schmerzen damit verbunden sind.“
„Die Schmerzen müssen nicht zwingend sein.“
„Wenn du Glück hast, geht es ohne. Aber manchmal hat man auch Pech. – Rauchen macht wirklich Spaß!“ Sie pustet den Rauch aus und beobachtet, wie er langsam aufsteigt und sich dabei in der Luft immer mehr verteilt.
Ich beschließe, einen Versuch zu wagen. Was sollte schon schiefgehen? Ich bin allein mit einer Wahnsinnigen und ihren sieben Zwergen. Vielleicht würde ich es sogar schaffen zu entkommen, wenn ich mich in die Büsche schlüge. Nur, das will ich gar nicht. Mir geht es, als Kriegerin, darum, Emily und die Dämonen aufzuhalten. Und dazu muss ich mich im Auge des Hurrikans befinden – so wie jetzt.