Fiona - Gefühle. Zsolt Majsai
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„Ich habe keine Angst!“
„Sie haben gerade das Gegenteil bewiesen“, stelle ich fest und nehme einen tiefen Zug.
„Rauchen ist ungesund.“
„Und jetzt lenken Sie auch noch ab. Und ja, ich weiß.“ Ich sehe den Hund an, der David anstarrt. Ein Wink von dem und er stürzt sich auf mich.
„Ich habe keine Angst, aber ich frage mich, wonach genau Sie suchen.“
„Hm.“ Ich lege den Kopf in den Nacken und betrachte den leicht grauen Himmel. „Ein guter Freund von mir wurde entführt, und ich würde ihn gerne in einem Stück finden.“
„Und dann sitzen Sie hier … ah, jetzt verstehe ich! Sie vertrauen wohl niemandem?“
Ich muss lächeln. Er ist wirklich intelligent. „Das ist keine Frage des Vertrauens. – Wollen Sie Ronin nicht doch erlauben, sich zu entspannen? Ich möchte ihn streicheln.“
„Er wird sich nicht streicheln lassen.“ David macht eine angedeutete Bewegung, und Ronin geht zu ihm hin. Nachdem er seine Kopfmassage bekommen hat, setzt er sich so hin, dass er mich wieder im Blickfeld hat.
Ich halte ihm meine rechte Hand entgegen.
David beobachtet uns neugierig.
Ronin mustert die Hand, dann sucht er meinen Blick. Danach mustert er wieder die Hand. Ich warte ab. Nach einigen Minuten erhebt er sich, kommt näher und schnuppert an meinen Fingern. Ich lasse ihn gewähren, auch als seine Nase an meinem Handgelenk ankommt. Dabei schaue ich ihn nicht direkt an, um ihn nicht zu verunsichern. Schließlich setzt er sich hin und lässt es zu, dass ich sanft seinen Kopf berühre und streichele.
„Alle Achtung“, sagt David. „Das hat noch niemand geschafft.“
„Er merkt, dass ich keine Angst vor ihm habe, aber auch, dass ich ihm nichts Böses will. Und er spürt vermutlich auch ...“
„Was denn?“
„Nichts“, erwidere ich. „Erzählen Sie was über sich. Wieso leben Sie hier mit einem Hunderudel?“
„Ein Geheimnis? Faszinierend.“ Er lehnt sich zurück und legt seine Hände aneinander, mit den Fingerspitzen Kinn und Lippen berührend. „Im Grunde ist es keine große Geschichte. Ich war 20 Jahre lang Kinderarzt mit eigener Praxis. Und eines Tages hatte ich es satt. Ich hatte es satt, die vielen Kinder, die geschlagen und missbraucht wurden, die verwahrlost wurden, die gezwungen wurden, Abbilder ihrer Eltern zu werden, deren verlorene Wünsche zu erfüllen. Kinder, die vergewaltigt und schwanger wurden. Kinder, die angeblich die Treppe runtergefallen sind. Irgendwann wünschte ich mir, eine Pistole nehmen zu können und diese Eltern einfach zu erschießen. Und die Onkel und Tanten. Die Polizisten, die dann noch einmal auf der Seele der Kinder herumtrampelten. Die unfähigen Idioten von den Jugendämtern. Und irgendwann beschloss ich, dass ich einfach gehen sollte, bevor es ein Blutbad gibt.“
Er schaut mir in die Augen. „Habe ich Sie erschreckt?“
Meine Hand liegt auf dem Kopf von Ronin. Ich verneine kopfschüttelnd.
„Sie haben Tränen in den Augen, Fiona. Wen beweinen Sie?“
„Alle.“
Er nickt langsam. „Danke, dass Sie das sagen. Haben Sie Kinder?“ Und als ich verneine: „Werden Sie welche haben?“
„Keine Ahnung ...“
„Ich glaube, dass ja. Sie werden eine gute Mutter sein. Ich weiß, Sie denken jetzt, wie kann der das wissen, er kennt mich ja erst seit ein paar Minuten. Nun, das stimmt. Aber ich sehe, wie Sie mit den Hunden umgehen. Und ich sehe, welches Vertrauen Ronin Ihnen entgegenbringt. Das reicht mir.“
Ich wische meine Tränen ab und nehme einen Zug von der Zigarette, bevor ich sie ausdrücke. „Ich sollte jetzt gehen.“
„Das finde ich bedauerlich, aber ich kann verstehen, dass Sie Ihre Suche fortsetzen wollen.“
Er bringt mich zum Gartentor, begleitet von den Hunden und vor allem Ronin. Ich halte ihm die Hand hin, die er nimmt. Sein Griff ist fest, seine Hand rau. Dann wende ich mich Ronin zu, der sich vor mich setzt. Lächelnd gehe ich vor ihm in die Hocke und streichele seinen Kopf.
„Langsam werden Sie mir unheimlich.“ Ich genieße Davids Verblüffung mit einem Lächeln.
Das nächste Haus befindet sich in einer Gegend, die schon mal bessere Zeiten erlebt hat. Es ist nicht ansatzweise so abgelegen wie das von David, und schon als ich es erblicke, weiß ich, dass ich hier nichts finden werde. Dennoch mache ich einen Rundgang auf dem Grundstück und durch das Haus.
Es ist kurz vor Zehn, als ich in der Nähe von dem dritten Haus den Wagen abstelle. Der Himmel bleibt bewölkt. Die Villa, die ich von außen betrachte, hat bis vor wenigen Monaten einer alten, einsamen Millionärin gehört, die ihr Geld mit Öl gemacht hatte. Genauer, ihr Mann war mal vor vielen, vielen Jahren einer der Drei Ölbarone gewesen. Er starb vor 30 Jahren und hinterließ Norma J. Elko ein nicht unbeträchtliches Vermögen. Vor einem halben Jahr etwa fand ihr Butler sie tot im Bett, als er ihr das Frühstück servieren wollte. Mit 96 war sie sanft entschlummert. Gar kein übler Tod. Und was unangenehme Tode angeht, da kenne ich mich aus.
Ich stehe auf einem Waldparkplatz, von dem aus die hohe Mauer und die Einfahrt zu sehen sind, und rauche eine Zigarette. Hohe Mauer, moderne Überwachungsanlage, das Ganze noch sehr gut erhalten … keine guten Voraussetzungen für mich. Durchaus möglich, dass von den sich streitenden Erben so viel Geld in die Anlage gepumpt wurde, dass die Polizei in zwei Minuten da ist, wenn nicht sogar ein privater Wachdienst.
Alternativ ist Schneewittchen hinter dieser Mauer. Und dann wäre der Wachdienst wahrscheinlich die angenehmere Variante.
Hilft aber alles nichts.
Ich mache die Zigarette aus und lasse den Wagen zurück. Man kann wunderbar joggen, ohne die Mauer aus den Augen zu verlieren. An das Grundstück grenzt Waldgebiet, durch das zwar kein Weg führt, aber das stört mich ja nicht. Dafür kann ich mich unbeobachtet wähnen, sofern keine unsichtbaren Kameras mich längst entdeckt haben. Die Straße ist nicht mehr zu sehen und auch kein Mensch. Eine gute Gelegenheit, einen Blick zu riskieren.
Ich springe so weit hoch, dass ich die Mauerkrone zu fassen kriege und mich hochziehen kann. Sicher könnte ich problemlos über die Mauer springen, aber wer weiß, was auf der anderen Seite lauert.
Noch mehr Wald.
Ich blicke nach rechts, ich blicke nach links. Keine Kameras. Ich schwinge mich über die Mauer und lande auf dem weichen Boden. Ich verharre regungslos und lausche mit angehaltenem Atem.
Kann es wirklich sein, dass das Grundstück so schlecht gesichert ist? Fällt mir schwer, das zu glauben. Wahrscheinlich stehe ich gleich einem weißen Tiger oder so was gegenüber.
Ich ziehe meine Pistole aus dem Hosenbund unter dem Pullover hervor. Die hatte ich David gar nicht erst gezeigt, weil es keine Notwendigkeit gab. Er wird sich auch so gedacht haben, dass ich nicht unbewaffnet bin.
Der Wald wirkt gepflegt, allerdings sieht man ihm an, dass er keine Besitzerin mehr hat. Aber verlassen