Sophienlust Classic 46 – Familienroman. Bettina Clausen
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»Ich weiß, aber ich habe keins mehr«, beklagte sich Alice. »Eins ist schmutzig, zwei sind kaputtgegangen und die anderen sind viel zu klein. Das hast du selbst gesagt, Cindy.«
Cindy nickte. Alice und Peter waren fast gleich groß. Sie wuchsen viel zu schnell aus allen Kleidungsstücken heraus. Für neue Wäsche aber reichte das Geld nicht. »Weißt du was, Peter, du schenkst Alice dein Hemd. Dafür bekommst du von Chris die dunkle Hose, die ihm nicht mehr passt«, schlug sie vor.
»Aber die ist mir noch zu groß!«
»Dann mache ich sie dir kleiner. Einverstanden?«
Der Kleine nickte versöhnt, und Alice verschwand eiligst in dem Zimmer, das sie mit Cindy teilte, um sich vollends anzuziehen.
Bevor alle ausgehbereit waren, stritten sich Alice und Chris noch einmal um den Spiegel im Badezimmer, aber auch hier griff Cindy schlichtend ein. All das wurde ihr nie zu viel, und sie verlor auch nie ihre gute Laune. Ich muss dem Schicksal dankbar sein, dass meine Geschwister wenigstens noch mich haben, sagte sie sich immer wieder. Denn was aus den drei Kindern ohne sie geworden wäre, daran mochte sie gar nicht denken.
Endlich, nach einer weiteren halben Stunde, standen alle fix und fertig im Wohnzimmer. Cindy nahm ihre Handtasche, und nun verließen sie das Haus.
Peter sprang auf dem Weg singend und trällernd vor den anderen her, sodass die ruhige und vorsichtige Alice dauernd befürchtete, er könnte sich wieder wehtun oder fallen.
Aber sie erreichten die Pizzeria ohne Zwischenfälle. Der Geschäftsführer, der Cindy und ihre Geschwister kannte, geleitete sie höflich zu einem schönen großen Nischentisch. Wie überall, wo Cindy auftauchte, folgten ihr bewundernde Blicke. Es war auch gleichgültig, was sie trug. Sogar die billigsten Kleidungsstücke wirkten an ihrer großen, überschlanken Gestalt elegant und schick.
Cindy wählte eine Pizza mit Schinken, Käse und Oliven aus und bestellte davon vier. Dazu leisteten sie sich noch eine große Salatschüssel und tranken Coca-Cola.
»Bekomme ich hinterher ein Eis?«, fragte Peter und schaute stur nach links, da er den tadelnden Blick seines größeren Bruders auf der rechten Seite spürte.
»Wenn du nach der Pizza noch Appetit darauf hast, darfst du dir ein Eis bestellen. Ihr natürlich auch«, wandte Cindy sich an Alice und Chris. Eigentlich konnten sie sich das nicht leisten, aber Cindy brachte es einfach nicht fertig, Peter die sehnsüchtige Bitte abzuschlagen. Insgeheim rechnete sie auch damit, dass ihre Geschwister nach der umfangreichen Pizza viel zu satt sein würden, um noch ein Eis zu vertragen.
So war es dann auch. Schon nach der halben Pizza stöhnte Peter, er sei satt, und schob Chris den Rest zu.
Zwei Tische entfernt saß ein älterer Herr, der Cindy und ihre Geschwister während des Essens schmunzelnd beobachtete. Natürlich war ihm Cindy anfangs nur aufgrund ihres ungewöhnlich aparten Gesichtes aufgefallen. Dann hatte er sie und ihre Geschwister aufmerksamer beobachtet und Gefallen an ihrer unkomplizierten Art gefunden. Da das Lokal zu dieser frühen Stunde nur spärlich besetzt war, konnte er sogar den größten Teil ihrer Unterhaltung verfolgen.
Er erkundigte sich bei dem Ober nach der fröhlichen Runde und erfuhr, dass Cindy mit ihren Geschwistern ganz in der Nähe wohne. Für ein fürstliches Trinkgeld verriet der Ober ihm sogar die genaue Adresse. Doch als der ältere Herr Cindy und ihre Geschwister einladen wollte, riet ihm der Ober, der Cindy kannte, davon ab. »Die junge Dame würde mit Bestimmtheit ablehnen«, sagte er leise.
Aber sogar diese Auskunft gefiel dem stillen Beobachter. Er hielt sich weiterhin unbeobachtet im Hintergrund.
»Meinst du, dass wir uns zu zweit einen Espresso leisten können?«, fragte Chris beinahe schüchtern nach dem Essen. Aber sein Blick verriet, dass er auch sofort bereit war, darauf zu verzichten.
Doch Cindy, die wusste, wie gern Chris Kaffee trank, stimmte sofort zu. »Wir können uns sogar zwei leisten.« Und um niemand vorzuziehen, wandte sie sich auch an Peter und Alice. »Was möchtet ihr noch?«
»Nichts mehr. Ich bin so satt, dass mein Bauch direkt heraussteht«, stöhnte Peter.
»Peter und ich könnten gemeinsam noch eine Coca-Cola trinken«, schlug Alice vor. Damit war der Bruder einverstanden.
»Mit Mutti und Vati waren wir auch immer hier!« Diese Worte waren Alice herausgerutscht, noch bevor sie an deren Wirkung gedacht hatte. Eigentlich war es ihr nur eingefallen, weil der Vater nach dem Essen auch immer Kaffee getrunken hatte. Doch nun hüllte melancholische Stimmung die vier Kinder ein. Ihre Fröhlichkeit schien verlorengegangen.
Cindy, die ihre Gefühle noch am ehesten meistern konnte, weil sie es ganz einfach musste, versuchte dem Gespräch sofort eine andere Richtung zu geben. »Das stimmt. Mama und Papa wären bestimmt stolz, wenn sie sehen könnten, wie gesittet und erwachsen wir uns bereits benehmen. Weniger stolz aber wären sie auf eure Zeugnisse, Alice und Peter. Das muss ich euch schon sagen.«
»Aber du weißt doch noch gar nicht, wie die Zeugnisse aussehen! Wir bekommen sie ja erst in zwei oder drei Wochen«, wandte Peter ein.
»Trotzdem kann ich mir vorstellen, wie sie aussehen werden, wenn ich an eure letzten Zwischenzeugnisse denke.«
Cindy wollte die Geschwister nicht tadeln. Sie wusste, dass ihre Leistungen nach dem Tod der Eltern in der Schule nachgelassen hatten. Das würde auch wieder besser werden. Aber mit ihrem Einwand war es ihr gelungen, die Gedanken der Geschwister der aufkommenden Melancholie zu entreißen. Ein Blick von Chris bewies ihr, dass er sie verstanden hatte.
Als Peter zu gähnen begann, winkte Cindy dem Ober und bat um die Rechnung.
Sie musste zwar etwas mehr bezahlen, als sie einkalkuliert hatte, aber Cindy fand, dass es sich gelohnt hatte. In der einstimmigen Meinung einen schönen Abend verbracht zu haben, verließen sie das Lokal. Keiner von ihnen bemerkte den hingebungsvoll, bewundernden Blick des stillen, älteren Beobachters, der ausschließlich Cindy galt.
Hand in Hand und leise vor sich hin summend legten die vier den kurzen Weg bis zum Haus zurück.
»Wir haben Vollmond, Cindy.« Chris wies auf die runde Scheibe des vollen Mondes, der den etwas verwilderten Garten in ein unwirkliches Licht tauchte, weiß, kalt und geheimnisvoll.
Cindy nickte nachdenklich. Der große Garten hatte einen gewissen Wert. Aber der wurde durch das halb zerstörte Haus beträchtlich geschmälert. Wer kaufte schon ein Grundstück mit einem Haus, dessen zweite Hälfte in die Luft geflogen war?
Also würden sie weiterhin in dem halben Haus wohnen. Aber das störte Cindy am wenigsten. Schließlich war es ihr Elternhaus. Wovor sie sich fürchtete, war die Tatsache, dass sie noch minderjährig waren und praktisch ohne Vormund aufwuchsen. Die Fürsorge hatte deshalb auch schon bei den Geschwistern vorgesprochen. Aber Cindy hatte im Brustton der Überzeugung erklärt, dass sie genug verdiene, um die Geschwister zu ernähren. Trotzdem war die Furcht, dass sie auseinandergerissen werden könnten, geblieben.
Aus ihren Gedanken heraus seufzte Cindy auf, sodass Chris sofort mitfühlend ihre Hand ergriff. »Hast du Sorgen, Cindy?«
»Keine echten, Chris. Ich habe nur Angst vor dem Tag, an dem sich irgendetwas an unserem jetzigen Leben ändert. Wir sind doch glücklich, solange wir beisammenbleiben können, oder?«
»Absolut«,