Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis. Max Bernhard Weinstein

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Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis - Max Bernhard Weinstein

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die, trotz unserer Babylonier, götzendienerischen Mesopotamier. Als zweites Beispiel werden die Götzendiener der Gesellschaftsinseln und die vom Götzendienst freien Bewohner der Tonga- und Fidschiinseln genannt. Selbst Religionen, die überhaupt nicht auf Götterverehrung basieren, wie der Buddhismus, haben zuletzt doch zu Idolatrie und Fetischismus geführt, sobald sie zu Völkern gelangten, die die hohen Lehren nicht begriffen und nur das aufnahmen, was ihrem, ich möchte fast sagen, Wildeninstinkt entsprach. So ist die edle Lehre Gotamas bei Tibetanern und Mongolen zu einem elenden Götzendienst herabgesunken, mit Geister- und Hexenwesen und allem möglichen Beschwörungsunfug. In China ist ein Götze nach einem Prozeß gegen ihn aus einer Provinz ausgetrieben worden, weil er einem Mädchen durch seinen Priester Heilung versprach und das arme Wesen dennoch starb. Mir fällt ein amüsantes Histörchen aus Herodot ein. Der joviale Vater der Geschichte erzählt, die Männer von Kaunos, der Vaterstadt des großen Malers Protogenes, hätten von ihren Göttern manches erfleht, aber es nicht erhalten. Da seien sie mit Lanzen und Schwertern in den Tempel gestürzt und hätten mit Schreien und Herumstechen in der Luft die Götter aus dem Tempel gejagt, seien in gleicher Weise hinter ihnen her gerannt, bis sie sie über ihre Grenze gescheucht hätten. Dann hätten sie neue Götter in den Tempel geladen. Als es aber unter diesen nicht besser wurde, hätten sie auch diese hinausgetrieben und ihre alten Götter zurückgeholt. Völlig negermäßig! Und ähnliche Beispiele gibt es in großer Zahl bei Griechen, Römern und anderen Völkern, wenn auch nicht so ganz naturnaiv. Sehr lehrreich ist, was Curtis in seinem lesenswerten Buche „Ursemitische Religion“ von den mohammedanischen Stämmen in Syrien und den angrenzenden Gebieten erzählt. Bei vielen dient Mohammeds Lehre kaum als Deckmantel für einen Heiligen-Fetischglauben. Die Heiligen, Weli, können in Gräbern — die große Zahl solcher in allen mohammedanischen Ländern ist ja bekannt — leben, aber auch in Bäumen, Felsen, Steinen, Quellen, Wassern usf. „Theoretisch,“ sagt der genannte Verfasser — und er beruft sich auch auf den bekannten Palästinaforscher Conder — „werden sie in Verbindung mit Gott verehrt; tatsächlich jedoch kennen viele Leute keinen anderen Gott als sie. Sie sind die Gottheiten, welche das Volk fürchtet, liebt, verehrt und anbetet.“ Ein frommer Moslem erzählte, sein Schutzpatron sei in einen in Asâl befindlichen Stein gefahren. Und Steine als Aufenthalt scheinen überhaupt bei den Weli nicht unbeliebt zu sein, namentlich irgend bemerkenswerte, wie Pfeiler, Denksteine usf. Curtis erinnert daran, daß auch im Alten Testament Steine mitunter eine besondere Rolle spielen, wie der Stein Jakobs, auf dem sein Haupt bei dem schönen Traum geruht hatte und den er salbte und ein Haus Gottes nannte. Auch Bäume sind in obigem Sinne heilig. „Offenbar sind nach dem Volksglauben heilige Bäume Stätten der Offenbarung von Geistern.“ „In solchen Bäumen wird Fleisch aufgehängt, gleichsam die Nahrung für die darin wohnhaften Geister.“ Besonders seltsam sind die Gewässer, in denen Heilige wohnen. Sie werden namentlich von Frauen aufgesucht, welche unfruchtbar sind und glauben, daß wenn sie sich dem Wassergeist ergaben, sie fruchtbar werden. Sie legen sich darum in den Wasserlauf und lassen die Fluten über ihren Schoß spülen. Daß es sich hier um etwas anderes handelt als Baden, erhellt aus folgender sonderbaren Erzählung Curtis’. Ein reicher Moslem in Damaskus hatte seine Frau im Zorn verstoßen und die dreifache Scheidung ausgesprochen. Bald tat es ihm leid, er konnte sie aber nach dem Gesetz nunmehr nicht wieder heiraten, bevor sie nicht mit einem anderen vermählt gewesen und von ihm geschieden war, oder bevor sie nicht wenigstens einem anderen sich hingegeben hatte. Die mohammedanischen Ulemas wußten ihm nicht zu helfen. Aber der Patriarch (!) gab ihm den Rat, die Frau sollte sich in den Rásadafluß niederlegen, „sich vom Wasser umspülen lassen und so eine Ehe vollziehen; dann könne er sie wieder heimführen. Damit erklärten sich auch die Ulemas einverstanden.“ Einen viel anderen Rat als hier erste Priester zweier hoher Religionen gaben, würde ein Medizinmann Afrikas auch nicht gegeben haben. Selbst die Bestechung fehlt hier nicht, wobei es ganz handelsmäßig zugeht, indem dem Heiligenbild mehr und mehr geboten wird, wenn es anscheinend nicht in der Laune ist, den Wunsch zu gewähren.

      Je bedeutender die Seele, desto höher wertet, wie bemerkt, der Fetischgötze, in dem sie wohnte. Und so konnten Häuptlingsseelen Götzen für ein ganzes Volk abgeben, so daß manche Volksgötzen nach Häuptlingen benannt sind, wie auch umgekehrt Häuptlinge nach Götzen. So müßte die Bevölkerung des Olymps der Naturmenschen ins Ungemessene wachsen, wenn nicht durch Vergessen oder absichtliches Entfernen für Abgang gesorgt würde. Es ist bekannt, daß der Messenier Euemeros zur Zeit Alexanders behauptete — was übrigens andere schon vor ihm angenommen hatten —, die griechischen Götter seien lediglich vergötterte Fürsten und Helden. Er ist wegen dieser öden Ansicht viel angefeindet worden und wird, mit bezug auf die griechischen Götter, die wir kennen, auch im Unrecht sein. Daß aber Götter ursprünglich solche Fetischgötzen von Häuptlingen sein können, wird man kaum bezweifeln dürfen, und die griechischen Sagen tragen selbst viel dazu bei, ihren Göttern Menschenursprung zuzuschreiben. Bei den Naturvölkern aber sind solche Vergötterungen selbstverständlich. Der Häuptling ist der mächtigste im Stamm, er kann zu Lebzeiten Gutes und Übles, und namentlich letzteres, zufügen. Also muß seine Seele der gleichen Art sein, und der Gegenstand, in dem sie wohnt, ein Menschenbild, ein Tierbild oder auch ein lebendes Tier, durch sie besondere Kraft besitzen, gleichfalls Gutes und namentlich Übles anzustiften, und muß durch Opfer, oft sogar Menschenopfer, bei guter Laune erhalten werden. Selbst in Menschen kann die Seele einziehen, dann fallen diese in Raserei. So erzählt Stuhlmann von den Waganda. Er erwähnt auch, daß, wenn ein Priester stirbt, bald sich jemand zu seinem Nachfolger aufwirft, indem er behauptet, jenes Seele sei in ihn gefahren.

      12. Zauberwesen.

      Nun können noch Seelen frei in der Luft leben oder in Bergen, Höhlen, Wäldern, Gewässern, Wolken usf. Diese geben das Heer der Geister, Gespenster, Dämonen, von denen es um den Naturmenschen wimmelt. Nichts Unangenehmes kann vorgehen, daran nicht irgendein Geist schuld ist. Deshalb ist dem Naturmenschen der Zauberer so unentbehrlich, der es versteht, die Dämonen auszutreiben und zu bannen und sie auch gegen die Feinde auszusenden. Manaia, so erzählt Grey in seiner Polynesian Mythology, hatte die Schwester des Ngatoro-i-Rangi zur Frau. Diese kochte ihm eines Tages schlechtes Essen. Da verfluchte er ihren Bruder und entsandte so böse Geister gegen ihn und sein Volk. Die Frau schickte sofort ihre Tochter aus, den Bruder zu warnen. Das Mädchen kam hin und erzählte den Vorfall; darauf grub Ngatoro-i-Rangi, nachdem er und seine Angehörigen sich durch Untertauchen in Wasser gereinigt hatten, mit diesen eine Grube, und unter Beschwörungen schaufelte er die gegen ihn ausgesandten bösen Geister in diese Grube hinein, überschüttete sie mit Erde, stampfte diese fest und spannte darüber beschwörte Gewänder und zuletzt ein Geflecht. So hatte er die Dämonen vernichtet. Später zieht er mit seinen Leuten gegen Manaia und gebraucht eine Kriegslist. Sie schlagen sich alle die Nasen wund und legen sich für tot, die Waffen verborgen, auf die Erde. Priester Manaias kommen und finden sie und meinen nicht anders, als ihre Geister hätten sie getötet und hergebracht. Auf ihren Ruf strömt das Volk hinzu. Aber während sie noch über die Verteilung der vermeintlich Toten streiten, springen diese auf, fallen über sie her und erschlagen alle. Dann — fressen sie sie auf. Noch eigenartiger ist eine zweite Erzählung Greys, gleichfalls aus Neuseeland. Zwei Zauberer, Purata und Tautohito, besaßen in einer Festung einen holzgeschnitzten Kopf, der auf Beschwörung Geister über Geister aussandte, die alles, was sich der Festung nahte, töteten, so daß niemand mehr wagte, in die Gegend zu kommen, die einem Leichenfelde glich. Da beschließt ein gewaltiger Zauberer, Hakawau, hinzugehen und jenen Zauber zu vernichten. Zuerst beruft er seine Geister und läßt sich von ihnen im Schlafe sein Schicksal zeigen. Dieses ist günstig, denn er träumt, sein Haupt berühre den Himmel und seine Füße ständen fest auf der Erde. Nun macht er sich auf. Und wie er der Festung sich naht, schickt er mit Beschwörung seinerseits Geister wider die feindseligen Geister. Es entsteht eine förmliche Schlacht zwischen den zwei Geisterscharen. Die Zauberer in der Festung schreien lauter und lauter auf den hölzernen Kopf ein, der mehr und mehr Geister entsendet. Hakawau aber ist kräftiger, und so siegt sein Geisterheer und erschlägt das feindliche. Zuletzt dringt er in die Festung ein, indem er über den Zaun klettert, und vernichtet den tödlichen Zauber vollends.

      Anrufungen, Beschwörungen und Kulte der Geister und Dämonen wechseln ständig miteinander, und so ist der Naturmensch auch der ständige Sklave dieses Glaubens und lebt namentlich

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