Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis. Max Bernhard Weinstein

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Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis - Max Bernhard Weinstein

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hervorgehoben worden, wie wenig dieses Volk, trotz seines so langen Aufenthaltes unter den Ägyptern, von diesen an Anschauungen angenommen habe. Der Gott, den Mose das Volk lehrte, war absolut verschieden selbst von dem höchsten Gott Ägyptens, denn dieser gehörte so ganz zur Materie, daß man den Ägyptern nicht mit Unrecht eine Art Pantheismus zugeschrieben hat. Der Gott Mose steht aber ganz außerhalb der Materie. Gleichwohl bezeugt es die Bibel selbst, daß den Hebräern vor dem Exil dieser Gott nur selten genügte, daß sie sich Götzen schufen, auf Höhen opferten und besondere Hausgötter (Theraphim) besaßen und verehrten. Das ist so bekannt, daß ich darauf nicht einzugehen brauche. Eine andere Frage aber ist, ob die Hebräer auch dem Seelen- und Ahnenglauben und dem Fetischglauben huldigten. Lippert hat in Konsequenz seiner Theorie das in vollem Umfange bejaht. Aber ich glaube doch, daß der Einwand dagegen, über den er zu leicht hinweggeht, entscheidend ist. In der Bibel wird nämlich so wenig von dem Leben nach dem Tode gesprochen, daß oft und von vielen der Schluß gezogen worden ist, die Hebräer hätten ein solches Leben überhaupt nicht gekannt. Ist auch dieser Schluß übereilt, so bleibt doch die Tatsache bestehen: die Bibel spricht nicht von dem Leben nach dem Tode, oder nur in ganz dunklen Ausdrücken (S. 193). Daß die Verfasser und Redaktoren der Bibel, um den ägyptischen Seelenkult auszumerzen, absichtlich alle Hinweise darauf ferngehalten hätten, wie Lippert annimmt, kann nicht zugegeben werden, denn sie hätten mehr Grund und Anlaß gehabt, den Götzen- und Theraphimdienst zu übergehen, und das haben sie nicht getan. Wie in der Antike, spricht die Bibel überall objektiv von ihren Menschen, sie verhehlt nicht einmal bei ihren Lieblingen selbst das Schlechteste in ihrem Beginnen. Einen Seelenglauben wird man hiernach bei den Hebräern nicht annehmen können. Daß ein Ahnenglaube nicht bestand, ist wohl am besten dadurch erwiesen, daß weder einer der Patriarchen, noch der Führer — und Abraham und Mose waren doch gewiß verehrungswürdige Gestalten — irgend einen Kult, auch nur den allereinfachsten, geschweige göttlichen, empfingen. Es bleiben also noch die Fetische. Diese verlieren eigentlich ohne Seelenglauben ihre besondere Bedeutung. Sie werden kleine bequem im Hause aufzubewahrende und auf Reisen mitzunehmende Götzenbilder gewesen sein, wie etwa die Heiligenbilder, mit denen Ludwig XI. von Frankreich seinen Hut gespickt hatte und zu denen er betete, indem er den Hut vor sich hinstellte, wenn er eine seiner bekannten Unternehmungen beabsichtigte oder ausführte. Mitunter handelte es sich auch um große Götzenbilder, wie in Davids Hause und bei Micha. Will man dieses alles Fetische nennen, so mag das sein. Aber ich glaube, daß das goldene Kalb und die ehernen Schlangen die einzigen Tierfetische sind, die man als solche bestimmt deuten kann. Die Stiftshütte mit ihren Einrichtungen hält Lippert für eine Fetischbehausung mit zugehörigen Spenden. Als was sie in der Bibel gedeutet werden, weiß jeder. Indessen überall, wo wir Opfer finden, werden wir auf anthropomorphische Auffassungen gestoßen. Daher die Propheten von diesem ganzen Dienst nichts wissen wollten. Geisterbeschwörung, Zauberei und Wahrsagung kannten und übten die Hebräer in reichem Maße. Man denke an die Beschwörung für den tragischen König Saul. Man darf aber wohl wieder auf die Propheten und Seher verweisen, um darzutun, daß hier im ganzen doch ein anderer Geist herrschte als bei rohen Naturvölkern und selbst als bei den umgebenden Kulturvölkern. Was noch aus den Weissagungen geschlossen wird, aus der Beschneidung usf., kann aus einem Seelenglauben gerechtfertigt werden. Dann aber bezieht sich — wie doch nun einmal die Bibel zu dem Leben nach dem Tode sich verhält — dieser Glaube allein auf das Lebende und hat mit dem eigentlichen naturmenschlichen Seelenglauben, wie er geschildert ist und der gerade auf den Tod sich bezieht, nichts zu tun und ist von ihm so weit verschieden, wie die Blutsbrüderschaft von dem Totenopfer, obwohl beide Ansichten von der Seele betreffen.

      Die Phönizier müssen noch in sehr später Zeit einen ziemlich ausgedehnten Fetischglauben, neben ihrer Astral- und Naturreligion gehabt haben. Berge werden als Baal genannt und verehrt, wie Baal-Hermon, Baal-Libanon, und auch Bäume tragen diese Auszeichnung, wie der Baal-Thamar, die Palme. Steine wurden als Beth-el, Heim (Aufenthaltsort) der Gottheit (βαίτυλος) angesehen und empfingen, wo Phönizier waren und hinkamen, Opfer. Heliogabal war, ehe er Kaiser wurde, Priester eines schwarzen Steines zu Emesa, wahrscheinlich eines Meteorsteines, da er vom Himmel gefallen sein sollte. Astarte wurde zu Byblos als konischer Stein verehrt, eine hier abgebildete Münze aus der Zeit des Kaisers Macrinus zeigt ihren Tempel mit Altar und diesem Stein im Säulenhofe. Doch wurde sie freilich meist in menschlicher Figur dargestellt. Wir wissen von den Anschauungen der Phönizier zu wenig, wenn wir auch ihren blutigen und menschenmordenden Molochskult kennen. Aus Inschriften in Gräbern und auf Sarkophagen muß man schließen, daß die Phönizier sehr besorgt um Erhaltung ihrer sterblichen Reste waren. Aber es finden sich auch Verwahrungen dagegen, daß die Toten Schätze besäßen, König Eschmunazar sucht sich in dieser Weise gegen Grabräuber zu schützen.

Münze mit Astarte-Stein zu Byblos

      Den ausgesprochenen Fetisch- und Seelenglauben der Araber habe ich bereits in meinem genannten Buche geschildert. Wie es mit den Babyloniern und Assyriern in dieser Beziehung steht, läßt sich nur vermuten. Ihre Religion, wesentlich eine Astralreligion, sollen sie von dem so rätselhaften Volke der Sumerer überkommen haben; sie steht in vieler Beziehung hoch genug. Daß aber bei ihnen Wahrsagekunst, Traumdeuterei, Zauber- und Beschwörungswesen, Magie jeder Art, Astrologie in höchster Blüte standen, weiß man sicher. Sie hatten Geister und Dämonen in reicher Zahl, wie die sieben Hauptdämonen, von denen es in einer Legende heißt (Greßmann, Altorientalische Texte):

      Anstürmende Wetter, böse Götter sind sie,

      Schonungslose Dämonen, die auf dem Himmelsdamm geboren wurden, sind sie usf.

      Der Himmelsdamm soll der Tierkreis sein. Vielleicht ist es aber der Horizont, wohin es, wie überall, zur Unterwelt geht. Jene Dämonen sind Sturm-, Finsternis- und Wettergeister, sie verschlingen auch Sin, den Mond. Andere Dämonen in besonders großer Menge bringen Pest, Not und alle Krankheiten. Ihre Darstellung ist tierisch und oft grotesk-furchtbar; Drachen und Greife spielen eine Hauptrolle, aber auch Hunde, Skorpionen, Schlangen, Panther, Wölfe usf. Soviel ich jedoch sehen kann, findet sich keine Angabe, die auf eine Beziehung zu Seelen Abgeschiedener deutete, wiewohl Hexen und Verhexungen sehr bekannt und gefürchtet sind; schon das zweite Gesetz Hammurabis behandelt Zauberer und solche, die der Zauberei bezichtigt werden. Ein Gottesurteil, Werfen in den Strom, entscheidet. Ein Leben nach dem Tode wird durchaus angenommen, und zwar wie bei Naturmenschen mit den Bedürfnissen des Diesseits. Gilgames (Jzdubar), der Held des gleichbenannten Epos, hat seinen Freund Eabani durch Tod verloren. Er denkt nun voll Furcht auch an seinen Tod, und nachdem ihm sich unsterblich zu machen oder wenigstens das Jenseits zu schauen mißlungen, muß Nergal, der Totengott, auf Eas Befehl ein Loch in der Erde öffnen, durch das Eabanis Geist emporsteigen kann. Gilgames befragt ihn nun. Wir besitzen nur den Schluß, aber er entscheidet. Eabani sagt:

      Wer den Tod des Eisens starb — sahst du einen solchen? — Ich sah ihn —

      Auf dem Ruhebett liegt er und trinkt klares Wasser.

      Wer in der Schlacht getötet ist — sahst du (einen solchen)? — Ich sah (ihn) —

      Sein Vater und seine Mutter halten sein Haupt und sein Weib (beugt sich) über ihn.

      

      Dessen Leichnam aufs Feld geworfen ist — sahst du (einen solchen)? — Ich sah (ihn).

      Sein Geist findet keine Ruhe in der Erde.

      Dessen Geist keinen Pfleger hat — sahst du (einen solchen)? — Ich sah (ihn) —

      Im Topf Zurückgebliebenes, Bissen, die auf die Straße geworfen, ißt er.

      Das entspricht völlig uns schon bekannten Ansichten. In dem furchtbaren Fluch, den Hammurabi auf denjenigen herabbeschwört, der seine Gesetze mißachten sollte, findet sich auch: „Unten in der Unterwelt möge er (Samas, „der große Richter Himmels und der Erde“) seinen Totengeist nach Wasser schmachten

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