Das hungrige Biest. Zsolt Majsai
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Читать онлайн книгу Das hungrige Biest - Zsolt Majsai страница 3
Direkt vor mir.
Scheiße.
„Warum verfolgst du mich?“
Ich erhebe mich stöhnend, wische die Überreste meines Mageninhalts vom Kinn und starre das Biest dabei entgeistert an.
„Warum frisst du Menschen?“
„Das ist eine lange Geschichte“, erwidert es mit seiner tiefen, brummigen Stimme, und ich muss mich sehr konzentrieren, es überhaupt zu verstehen. „Aber ich habe niemanden getötet!“
„Na ja, die Krankenschwester, die du gebissen hast, hat einen Schock fürs Leben.“
„Das tut mir leid“, erwidert es mit gesenktem Kopf. „Ich wollte es nicht. Es überkam mich einfach.“
Das wird ja immer lustiger. Ein Monster mit Gewissensbissen?
„Hast du eigentlich einen Namen?“
„Ich heiße Theodor Calvan. Und du?“
Wie? Was? Ich atme tief durch, bevor ich antworte: „Nenn mich Fiona. - Hast du zufällig auch einen Personalausweis?“
„Nicht bei mir.“
Mich überkommt urplötzlich das tiefe Gefühl von Surrealität. Ich stehe hier vor einem Tunnel des stillgelegten, alten Wasserwerks von Skyline, mitten in der Nacht, es ist fast Vollmond, saukalt, und ein Monster, das aussieht wie eine Kreuzung aus Quasimodo und einem Zombie aus „Die Nacht der lebenden Toten“, erzählt mir, dass es zwar einen Personalausweis hat, ihn aber nicht bei sich trägt.
Vielleicht sollte ich mich mal kneifen. Obwohl, inzwischen weiß ich ja, dass das nichts bringt.
„Wo hast du ihn denn?“
„Zu Hause. Aber dort kann ich nicht mehr hin.“
„Wieso nicht?“
„Ich habe mich verändert.“ Er seufzt laut. „Ich war mal ein ganz normaler Mensch. Das Menschenfleisch hat mich zu dem gemacht, was ich bin.“
„Was sagst du da? Du wurdest zu einem Monster, weil du Menschenfleisch frisst?“
„Ja.“ Das Biest lässt den Kopf hängen, was bei einem Zwei-Meter-Quasimodo-Zombie-Verschnitt einfach nur lächerlich wirkt. Trotzdem gelingt es mir unter Aufbietung all meiner Selbstbeherrschung, nicht laut loszulachen.
„Warum frisst du überhaupt Menschenfleisch? Selbst wenn du niemanden tötest dafür, zumindest bislang, ist das doch irgendwie ziemlich … irre.“
„Das ist eine lange Geschichte.“
„Ich habe Zeit.“ Ich sehe es herausfordernd an. „So oder so, ich kann dich ja nicht gehen lassen.“
„Wie willst du das verhindern?“ Es richtet sich zu seiner vollen Größe auf und funkelt mich wütend an.
Nach einem Tritt zwischen die Beine und einem Faustschlag gegen seinen Rücken findet es sich auf dem Boden wieder.
„So“, erwidere ich ruhig. Langsam macht es mir Spaß, so was wie ein Engel zu sein. „Das war übrigens die Rache für den Schlag mit dem Hammer.“
„Das war keine Absicht“, sagt es dumpf, während es sich schwerfällig wieder aufrichtet. Seiner monströsen Fratze sehe ich an, dass es dabei Schmerzen hat, und plötzlich empfinde ich Mitleid für es.
„Klar, der Hammer hat deine Hand gezwungen, ihn gegen meinen Kopf zu führen.“
„Ich geriet in Panik, als du plötzlich da warst. Ich bekam es mit der Angst zu tun, weil ich wusste, das war wegen der Sache mit der Krankenschwester.“
„Genau, die du gebissen hast. Also gut, du erzählst mir jetzt schön deine Geschichte und ich überlege mir, was wir tun können.“
„Wer bist du überhaupt?“
„Sagte ich doch schon: Fiona.“
Es, oder eigentlich er, Theodor, mustert mich nachdenklich. „Dich kenne ich aber irgendwoher.“
„Kann schon sein. Vor zweieinhalb Jahren war ich viel in den Zeitungen und im Fernsehen.“
„Ich erinnere mich“, sagt er und nickt. „Wir können uns da drin hinsetzen.“ Er deutet auf den Tunnel und mich schüttelt es.
„Nein, danke, das muss nicht sein. Gibt es hier keinen gemütlicheren Ort? Sonst setzen wir uns in mein Auto.“
Wie auf ein Stichwort klingelt plötzlich mein Handy. Ben ist dran.
„Brauchst du Verstärkung?“, erkundigt er sich ohne Umschweife.
„Nein.“
„Hast du das Ding?“
„Äh … ja und nein.“
„Was zum Teufel heißt das denn?“
„Dass ich noch etwas Zeit brauche. Ich rufe dich an, wenn ich fertig bin.“
„Wenn du womit fertig …?“ Ich lege auf. Mir ist grad nicht nach Diskussionen mit ihm.
„War das die Polizei?“, erkundigt sich das … Theodor.
„Eigentlich nur ein Polizist. Die Polizei kann nicht telefonieren.“ Ich ignoriere seinen ratlosen Gesichtsausdruck und zeige auf mein Auto. Dann fällt mir ein, wie viel Blut und andere menschlichen Teile an uns kleben und ich entscheide mich um. „Das heißt, warte mal. Bestimmt gibt es hier irgendwo verlassene Büros, oder?“
Theodor nickt ergeben und geht voraus. Ich beobachte ihn aufmerksam, falls er fliehen oder mich angreifen will, möchte ich es rechtzeitig merken. Aber anscheinend hat er sich mit seinem Schicksal abgefunden. Direkt eine Kämpfernatur scheint er eh nicht zu sein. Jedenfalls führt er mich in ein Bürogeböude, wo wir uns in einem heruntergekommenen Meetingraum niederlassen. Immerhin gibt es hier Mobiliar.
„Fehlt nur noch die Sekretärin, die uns Kaffee bringt“, bemerke ich.
„Was?“
Ich beschließe, Theodor nicht zu überfordern. Er muss seine ganze Lebensportion Humor aufgebraucht haben, als er die Vogelscheuche gebaut hat.
„Also gut, dann erzähl mal. Wieso hast du angefangen, Menschenfleisch zu essen?“
„Daran war Yvonne schuld.“
„Wer ist Yvonne?“
„Yvonne ist … war eine Kollegin. Ich … ich dachte, ich könnte bei ihr landen, als sie mich zu einer besonderen Party eingeladen hat. Eine Art Tupperparty, sagte sie, nur interessanter.“
„Und da gab es Menschenfleisch?“
„Ja“, erwidert er langsam und starrt an mir vorbei ins Nichts. „Da habe ich zum ersten Mal Menschenfleisch gegessen.“