Mami Bestseller 60 – Familienroman. Rosa Lindberg
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Auf das Angebot, vor den Kindern den Schein einer Ehe so lange aufrechtzuerhalten, bis sie groß genug waren, ging Joachim sofort und bereitwillig ein. Aber – das wußte Juliane jetzt oder glaubte sie zumindest zu wissen – er hätte in alles eingewilligt damals, wenn sie ihn nur gehen ließe. Und sie hatte ihn gehen lassen.
Reisende soll man nicht aufhalten.
Die Kinder, dachte Juliane und spürte eine leise Müdigkeit, bedeuteten ihm nichts. Und er – er bedeutete ihnen auch nichts. Sie waren einander fremd geblieben.
Kunststück!
Sie sahen sich einmal im Jahr, und Joachim unternahm nicht den geringsten Versuch, auf die Kinder einzugehen.
»Vielleicht…«, fragte Juliane sich selbst laut, »kann er es gar nicht…«
Die Kinder begegneten ihm bei diesem meist einwöchigen, jährlichen Besuch mit einer Reserviertheit, die ihrer sonstigen Art vollkommen zuwiderlief. Im letzten Jahr hatte sie beobachtet, wie Achim, damals neunjährig, seinen Vater mit runden, ernsten Augen angesehen hatte. Nein, nicht angesehen! Er hatte ihn betrachtet, fixiert und sich dann abgedreht, wie resignierend.
Zehn…
Vielleicht, Julianes Herz zog sich schmerzhaft zusammen, ahnte er schon etwas? Er war so – so gescheit schon für sein Alter, so verständig. Und deshalb war es doch eigentlich sonderbar, daß er niemals Fragen stellte. Wieder einmal schob Juliane diese Überlegungen beiseite.
Sie ging zum Telefon.
Erst rief sie Großmutter Barlach an und pfiff auf deren zwischendurch immer wieder gemachten Ermahnungen, ob sie auch daran dächte, wie teuer dieses Gespräch würde!
Jedenfalls ließ sie nach gut zehn Minuten eine glückliche, alte Frau in Hamburg an ihrem Telefon sitzen.
Dann rief sie Annegret an, die ihr zuhörte und dann lediglich: »Na, siehste!« sagte.
Juliane lachte leise und fühlte, wie sich langsam ein Glücksgefühl in ihr sammelte, ein kleines warmes noch, doch es würde sich vergrößern, wenn sie mit den Kindern erst »zu Hause« war.
»Wann soll es losgehen?« erkundigte Annegret sich. »Sobald die Kinder zu Hause sind.«
»Prima, dann suche ich mir jetzt auch mal einen Job in Hamburg! Du…«
»Ja?«
»Ich freue mich für euch!«
»Ich mich auch…«, sagte Juliane nach einem tiefen Seufzer, der mehr sagte als hundert oder sogar tausend Worte. Sie hatte nicht gewußt, daß sie ihre Sehnsucht zurückgehalten hatte, spürte es erst jetzt, wo sie imstande war, ihr endlich, endlich freien Lauf zu lassen.
Als sie aufgelegt hatte, bemerkte sie, daß ihr Gesicht naß von Tränen war.
*
Am Nachmittag ging sie zu ihren Kindern.
Sie durfte sie jetzt schon direkt besuchen und nicht mehr nur durch die Glasscheibe sehen und sprechen.
»Noch drei Tage«, rief sie, und ihre drei kamen ihr entgegen, der Große stand vor ihr, lehnte sich, schmal und jungenhaft, gegen sie. Susan hakte sich bei ihr ein, und Tanja, ein bißchen klein für ihr Alter, aber sie würde schon noch wachsen, umfaßte mit beiden Armen ihr cordbehostes Bein.
Nein…, dachte Juliane voller Glück und in einem kleinen Taumel einer Beinah-Seligkeit, nein, es tut mir nichts leid! Nichts – nichts – nichts!
Was auch immer war, was auch immer wird, für diese drei Kinder bin ich alles. Bin der Nabel ihrer Welt, bin – noch – ihr Herz und ihre Liebe, bin für sie der Arm, den sie brauchen, um gehen zu lernen, fest und sicher, hinein in ein Leben, das nicht immer rosig sein würde. Ich bin für sie die Sonne bei Regenwetter und ihr Mondschein beim Einschlafen. Ich bin die Speise ihrer Seelen, ihre Wärme bei Kälte.
Welche Frau, fragte sie sich, und ihr Herz weitete sich in Liebe zu diesen dreien, ist schon so vieles zugleich?
Welche?
Nicht eine.
Nur sie, die Mutter von drei genesenden Scharlachkranken, deren jetzt ein bißchen bläßliche Gesichter vertrauensvoll zu ihr emporgehoben waren und in deren Augen die Liebe so offen zu lesen war, daß es einem die Tränen hochtreiben konnte. Sie lächelte.
»Hallo…«, sagte sie und wunderte sich, daß ihre Stimme belegt war.
»Hallo!« sagte Achim männlich und lächelnd.
»Endlich!« sagte Tanja und rieb ihre Nase gegen Julianes Bauch.
»Wir warten schon ewig!« meinte Susan, deren Hang zu Übertreibungen hoffentlich nicht noch wachsen würde.
»Ewig!« sagte da Achim auch schon mit einem Seitenblick auf seine Schwester. »Weißt du überhaupt, was ewig ist?«
Susann hob den Kopf und sah ihren Bruder an. Die schmalrandige Brille, die sie tragen mußte, weil sie kurzsichtig war, vergrößerte ihre Augen enorm und hob deren langbewimperte Schönheit geradezu hervor.
»Klar!« sagte sie.
»Und?« fragte Achim.
»Wieso und?«
»Na und, was heißt es?«
»Ewig«, Susan konnte manchmal so sprechen, als rezitiere sie, »heißt einfach lange!«
»Hast du eine Ahnung! Ewig, das ist nicht nur lange, das ist ewig lange. Ewigkeit – verstehst du? Ewigkeit, Tod, Warten…«
»Hör auf!« sagte Tanja, der die geschwisterlichen Diskussionen zwischen Achim und Susan bisweilen auf die Nerven ging. So wie jetzt.
Susan hob die Nase, ließ die Brille leicht hinabrutschen, wobei Juliane dachte: Mein Gott, sie hat auch noch ein komisches Talent, und fragte: »Warum?«
»Darum!« sagte Tanja.
Jetzt würde die Diskussion zur anderen Seite weitergehen, wußte Juliane und sagte deshalb: »Ich habe sensationelle Neuigkeiten für euch.«
Drei Gesichter wandten sich ihr wieder zu. Und in allen dreien lag eine so offensichtliche und fast lüsterne Neugier, daß Juliane lachen mußte, ihre drei vor sich her in deren Zimmer schob und sich dort erst einmal setzte.
Eine Schwester kam herein, begrüßte sie. Fragte freundlich:
»Alles in Ordnung, Frau Hellberg?
»Alles!« sage Juliane und zog einen Blumenstrauß hervor. »Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit mitgebracht, weil Sie immer so nett zu meinen Kindern sind!«
»Aber, aber! Das war aber wirklich nicht nötig!« Doch man sah der altgedienten Nonne an, daß sie sich freute.
»Übrigens…«, meinte sie im Hinausgehen, »ist es nicht schwer, nett zu Ihren dreien