Metamorphosen. Ovid
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Kaum hatte er so alles mit klar umrissenen Grenzen aufgegliedert, [70] als plötzlich die Sterne, die lange von undurchdringlichem Dunkel bedeckt gewesen waren, am ganzen Himmel aufzuglühen begannen. Und damit kein Bereich ohne Lebewesen sei, die ihm angehören, haben Gestirne und Göttergestalten den Himmelsboden inne, den schimmernden Fischen fielen die Wogen als Wohnstatt zu, [75] die Erde nahm Tiere auf und Vögel die bewegliche Luft.
Noch fehlte ein Lebewesen, heiliger als diese, fähiger, den hohen Geist aufzunehmen, und berufen, die übrigen zu beherrschen. Es entstand der Mensch, sei es, daß ihn aus göttlichem Samen jener Weltschöpfer schuf, der Ursprung der besseren Welt, [80] sei es, daß die junge Erde, erst kürzlich vom hohen Äther getrennt, noch Samen des verwandten Himmels zurückbehielt; diese mischte der Sproß des Iapetus mit Regenwasser und formte sie zum Ebenbild der alles lenkenden Götter. Und während die übrigen Lebewesen nach vorn geneigt zur Erde blicken, [85] gab er dem Menschen ein emporblickendes Antlitz, gebot ihm, den Himmel zu sehen und das Gesicht aufrecht zu den Sternen zu erheben. So nahm die Erde, die eben noch roh und gestaltlos gewesen war, verwandelt die bisher unbekannten menschlichen Formen an.
Die vier Weltalter
Als erstes entstand das goldene Geschlecht, das keinen Rächer kannte [90] und freiwillig, ohne Gesetz, Treue und Redlichkeit übte. Strafe und Furcht waren fern, keine drohenden Worte las man auf öffentlich angebrachten Erztafeln, keine bittflehende Schar fürchtete den Spruch ihres Richters, sondern sie waren auch ohne Rächer geschützt. Noch nicht war die Fichte gefällt und noch nicht, um ferne Länder zu besuchen, [95] von ihren Bergen in die klaren Fluten hinabgestiegen; und die Sterblichen kannten keine Küste außer ihrer eigenen. Noch umzogen keine steil abfallenden Gräben die Städte, es gab keine Tuba aus geradem, keine Hörner aus gekrümmtem Erz, keine Helme, kein Schwert: Ohne Soldaten zu brauchen, [100] lebten die Völker sorglos in sanfter Ruhe dahin. Auch gab die Erde, frei von Pflichten und Lasten, von keiner Hacke berührt, von keiner Pflugschar verletzt, alles von selbst. Und zufrieden mit den Speisen, die gewachsen waren, ohne daß jemand Zwang ausübte, sammelten sie Früchte vom Hagapfelbaum, Erdbeeren vom Berge, [105] Kornelkirschen, Brombeeren, die an stachligen Sträuchern hingen, und Eicheln, die von Iuppiters weit ausladendem Baum gefallen waren.
Ewiger Frühling herrschte, und sanfte Westwinde streichelten mit lauen Lüften Blumen, die ungesät entsprossen waren. Bald trug ungepflügte Erde auch Getreide, [110] und ohne nach einer Brache neu bearbeitet zu sein, war der Acker weiß, voll schwerer Ähren. Ja, Ströme von Milch, ja, Ströme von Nektar flossen, und gelb tropfte Honig von der grünenden Steineiche.
Als Saturn in den dunklen Tartarus verstoßen war und die Welt Iuppiter unterstand, folgte ein silbernes Geschlecht, [115] geringer als Gold, wertvoller als rötliches Erz. Iuppiter verkürzte die Dauer des ehemaligen Frühlings, und durch Winter, sommerliche Gluten, ungleichmäßige Herbstzeiten und kurzen Lenz gliederte er das Jahr in vier Zeiträume. Damals erglühte zum ersten Mal die Luft von dörrender Hitze und, [120] im Winde erstarrt, hingen Eiszapfen. Damals suchte man zum ersten Mal Unterschlupf in Häusern; als Haus dienten Höhlen, dichtes Gebüsch und mit Rinde verflochtene Reiser. Damals versenkte man zum ersten Mal Samen der Ceres in langen Furchen, und die Pflugstiere stöhnten unter der Last des Joches.
[125] Als drittes folgte darauf das eherne Geschlecht; es war grausamer von Natur und schneller bereit, zu den schrecklichen Waffen zu greifen, doch nicht frevelhaft. Das letzte ist von hartem Eisen. Alsbald brach in das Zeitalter des schlechteren Metalls alle Sünde ein, es flohen Scham, Wahrheitsliebe und Treue; [130] an ihre Stelle rückten Betrug, Arglist, Heimtücke, Gewalt und die frevelhafte Habgier. Segel setzte der Seemann den Winden aus – er war mit ihnen bisher nicht vertraut –, die Bäume, die lange auf hohen Bergen gestanden hatten, tanzten übermütig als Schiffe auf Fluten, die sie noch nicht kannten, [135] und den Erdboden, der zuvor Gemeingut gewesen war wie das Sonnenlicht und die Lüfte, zeichnete der umsichtige Feldmesser mit einer langen Grenzlinie. Und man forderte vom ertragreichen Boden nicht nur Saaten und die Nahrung, die er uns schuldig war, sondern man wühlte sich in die Eingeweide der Erde. Und die Schätze, die sie nah bei den Schatten der Styx verborgen hatte, [140] gräbt man aus – Anreiz zu allem Bösen. Schon war das gefährliche Eisen erschienen und das Gold, das noch gefährlicher ist als Eisen. Da erscheint der Krieg, der beides zum Kampf verwendet und mit blutiger Hand klirrende Waffen schüttelt. Man lebt vom Raub; kein Gastfreund ist vor dem Gastfreund sicher, [145] kein Schwiegervater vor dem Schwiegersohn, auch zwischen Brüdern ist Einvernehmen selten. Der Mann trachtet der Frau nach dem Leben und sie dem Gemahl; schreckliche Stiefmütter mischen bleichmachendes Gift; der Sohn forscht vor der Zeit nach der Lebensfrist des Vaters. Besiegt liegt die fromme Scheu darnieder; und die Jungfrau Astraea hat [150] als letzte der Himmlischen die blutgetränkte Erde verlassen.
Die Giganten
Und damit der hohe Äther nicht sorgloser sei als die Erde, sollen die Giganten, voll Gier nach der Herrschaft im Himmel, Berge zusammengetragen und bis an die Sterne empor getürmt haben. Da zerschmetterte der allmächtige Vater mit einem Blitzstrahl den Olymp [155] und schlug den Pelion von dem darunterliegenden Ossa. Als die ungeschlachten Leiber von ihrem eigenen Bauwerk erdrückt dalagen, soll die Erde von dem reichlich strömenden Blut ihrer Söhne feucht geworden sein und das warme Blut beseelt und in Menschengestalt verwandelt haben, damit an ihre Nachkommenschaft eine Erinnerung bleibe. [160] Aber auch diese Brut verachtete die Himmlischen, lechzte nach grausamem Mord und war gewalttätig: Sie war ja auch aus Blut geboren.
Die Götterversammlung (I)
Kaum hat der Vater Saturnius dies von der höchsten Himmelshöhe gesehen, seufzt er auf; und in Erinnerung an das gräßliche Mahl an Lycaons Tisch [165] – die Tat war noch frisch und nicht allgemein bekannt – wird sein Herz von gewaltigem Zorn ergriffen, wie er Iuppiters würdig ist, und er beruft eine Versammlung ein; die Gerufenen kommen ohne Zaudern.
Hoch oben gibt es eine Straße; sie ist bei heiterem Himmel zu sehen. Milchstraße heißt sie, schon am weißen Lichtschimmer ist sie leicht zu erkennen; [170] auf ihr führt der Weg die Himmlischen zum Hause des großen Donnerers und zum Königspalast. Rechts und links von ihr stehen die Hallen der vornehmen Götter; die Türflügel sind für die zahlreichen Besucher geöffnet. Das einfache Volk wohnt an einem ganz anderen Ort; hier haben die mächtigen und angesehenen Himmelsbewohner ihre Penaten aufgestellt. [175] Dies ist die Stätte, die ich, wenn man mir den kühnen Ausdruck erlaubt, ohne Scheu das Palatium des Himmels nennen möchte.
Sobald also die Himmlischen im Marmorgemach saßen, schüttelte Iuppiter, auf seinem erhöhten Thron sitzend und auf das elfenbeinerne Szepter gestützt, drei-, viermal sein furchterregendes Haupthaar, [180] mit dem er Erde, Meer und Sterne bewegte; dann tat er seinen Mund auf und sprach voll Entrüstung folgendermaßen:
»Um die Weltordnung habe ich mir nicht einmal damals größere Sorgen gemacht, als jeder der Schlangenfüßler sich anschickte, den Himmel mit hundert Armen zu ergreifen und gefangenzunehmen. [185] Denn obwohl der Feind grimmig war, ging doch jener Krieg nur von einer Gruppe aus und hatte einen einzigen Ursprung; jetzt aber muß ich, so weit Nereus rings um den ganzen Erdkreis rauscht, das sterbliche Geschlecht vernichten. Ich schwör’ es bei