Der Landdoktor Classic 40 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Classic 40 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Classic

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wurde wach durch ein Geräusch. Was war es gewesen? Ein Knacken in den Zweigen, der Ruf eines Eichelhähers? Sie öffnete die Lider und bemerkte den Schatten, der über sie fiel. Jäh sprang sie auf, wich erschrocken vor dem jungen Mann in grünem Overall zurück, einem sehr gut aussehender Mann mit dunklen, eindringlich blickenden Augen. Sein kantiges gebräuntes Gesicht verlieh ihm eine männliche Ausstrahlung. So, wie er da stand, groß, breit, mit einem Strahlen auf dem Gesicht, umgab ihn eine Aura von Stärke.

      »Grüß dich«, sagte er ganz selbstverständlich.

      Inzwischen hatte sie sich von der Überraschung erholt und lächelte zurück.

      »Grüß dich«, wiederholte sie seine Worte.

      »Ein toller Tag, gelt?« Blanke weiße Zähne blitzten sie an, genauso wie diese großen Männeraugen. »Hier kannst du nicht liegen bleiben«, erklärte ihr der Dunkelhaarige. »Wir wollen in der Nähe holzen. Nicht, dass du noch erschlagen wirst.«

      »Okay«, erwiderte sie.

      Was für ein toller Typ, was für Augen. Sie schienen ihr direkt in die Seele zu blicken. Seine Ausstrahlung, seine Nähe machten sie ganz nervös. Er passte hierhin, in diese noch unberührte urwüchsige Natur, ohne hinterwäldlerisch zu wirken. Er strahlte etwas Wildes aus, etwas Unbezähmbares. Und er hatte sehr schöne Hände, wie ihr jetzt auffiel, als sie seinem Blick auswich. Große Hände, denen man ansah, dass sie zupacken und bestimmt auch beschützen konnten.

      »Okay, danke, dann werde ich jetzt mal weitergehen«, sagte sie betont locker.

      »Wohin willst du denn?«, erkundigte er sich.

      Sie lachte verlegen. »Ach, das weiß ich auch nicht so genau. Nur in die Natur«, fügte sie dann hinzu.

      »Da bist du jetzt. Schöner kann es nirgendwo sein.«

      »Doch, in den bayrischen Alpen«, erwiderte sie spontan, was sie gleich darauf bereute.

      Wie kam sie dazu, sich mit diesem ihr Wildfremden ins Gespräch zu begeben und dazu auch noch zu verraten, woher sie stammte?

      »Ich höre es, du stammst aus Bayern«, sagte er augenzwinkernd. »Ich mag euren Dialekt.«

      Sie räusperte sich, wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Wie ungeübt war sie doch in ganz normalen Gesprächen mit ganz normalen Menschen geworden.

      »Wenn du eh kein genaues Ziel hast, schlage ich dir das Hexenhäusle vor. Es liegt etwa drei Kilometer von hier entfernt auf einer herrlichen Hochebene mit Blick über den südlichen Schwarzwald. Die Schwarzwälderkirschtorte ist dort hervorragend.«

      Sie sah zu ihm hoch und lachte ihn an. »Danke für den Tipp. Also dann …«

      Verwirrt blieb sie stehen. Der Blick aus den Männeraugen hielt ihren fest. Sie las in ihm, dass sie ihrem Gegenüber gefiel. Und zwar sie selbst, nicht der Schlagerstar. Dieser Holzfäller hatte sie ohne Schminke und in ihrer jetzigen Aufmachung nicht erkannt. Dessen war sie sich sicher. Das hätte sie bemerkt. Wenn er überhaupt wusste, wer Sibyll war. Sein bewundernder, ja, flirtender Blick galt eindeutig der ganz normalen Bergwanderin. Wie lange war es her, dass ein Mann mit ihr und nicht dem Star geflirtet hatte?

      Diese Erkenntnis mochte eine besondere Wärme in das Lächeln der jungen Frau zaubern. Sie ließ ihre Augen strahlen und weckte in ihr alle längst ermüdeten Lebensgeister.

      »Machst du Urlaub hier bei uns im Tal?«, fragte der junge Mann in dem grünen Overall.

      »Ja«, antwortete sie mit belegter Stimme. Sie fühlte sich befangen, ja, sogar ein wenig unsicher.

      »Und? Gefällt es dir bei uns?«

      »Sehr«, antwortete sie mit einer Begeisterung, die aus ihrer melodisch klingenden Stimme deutlich herauszuhören war.

      Die beiden sahen sich an, lächelten einander zu, schwiegen.

      »Dann wünsche ich dir was«, verabschiedete sich der Waldarbeiter schließlich und hob lässig die Hand. »Ich muss die anderen holen, damit wir heute rechtzeitig mit unserer Arbeit fertig werden.«

      »Ich dir auch«, erwiderte sie mit dem Anflug leichten Bedauerns, hob ebenfalls zum Abschied die Rechte und drehte sich um.

      Wie gut tat es, sich nach langer Zeit wieder einmal ganz normal mit einem Mann zu unterhalten, dachte sie. Und wie eine ganz normale Frau behandelt zu werden.

      Während sie so in Gedanken weiterging, spürte sie deutlich, wie sich ihre Brust weitete, wie sich ihr Herz öffnete. Und sie fühlte sich mit einem Mal innerlich so frei wie die Schwalben, die über den Tannenwipfeln am azurblauen Himmel ihre Kreise zogen.

      *

      Roland Meister blickte der Urlauberin nach.

      Was für eine Frau, dachte er wie verzaubert. Eine Elfe, voller Anmut. Und diese wunderschönen tiefblauen Augen, denen der dichte Kranz langer schwarzer Wimpern noch mehr Tiefe schenkte. Wie ein geheimnisvoller See. Nur sehr blass hatte sie ausgeschaut. Richtig erholungsbedürftig. Vielleicht sogar ein bisschen zu dünn. Aber nach ein paar Tagen in der guten Tannenluft würde sie schnell wieder zu Kräften kommen.

      Der Hotelerbe blinzelte ein paar Mal ungläubig vor sich hin und schüttelte dabei lächelnd den Kopf.

      So etwas war ihm noch nie passiert. Noch nie zuvor hatte eine Frau einen solch intensiven Eindruck bei ihm hinterlassen. Sie hatte eine Aura gehabt, die ihn, ohne dass er sich hatte wehren können, in ihren Bann gezogen hatte. Merkwürdig. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Wie eine Seelenverwandte. Oder hatte er sie schon einmal gesehen? Aber wo? Ihre Stimme … So weich, melodisch, singend …

      Er sah das ebenmäßig geschnittene, blasse Frauengesicht vor sich. Die schneeweißen, makellosen Zähne, dieses Lächeln … Da durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Eine Vermutung kam in ihm auf. War diese bezaubernde Person etwa der bekannte Schlagerstar Sibyll, die zurzeit in seinem Haus wohnte?

      Sein Herz begann, schneller zu schlagen. Das würde er nach getaner Arbeit hier im Wald schnellstens herausfinden. Er machte kehrt und ging in Gedanken versunken zu den Holzfällern zurück. Diese zierliche Gestalt mit dem roten Rucksack auf dem Rücken sollte die berühmte Schlagersängerin sein, die zurzeit im cremeweißen Paillettenkleid, mit gestyltem Haar und verlockend schimmernden Lippen von den Plakaten in Baden-Baden und Umgebung auf ihre Fans hinunter strahlte? Wenn dem so sein würde, dann hatte er gerade den Menschen kennengelernt, der in dieser glitzernden Hülle steckte. Und dieser Mensch war ihm als ganz natürliche, ganz normale und bescheidene Frau ohne jegliche Starallüren vorgekommen. In der Presse dagegen wurde die erfolgreiche Sängerin als launisch, zickig und anspruchsvoll beschrieben.

      Roland schüttelte noch einmal ziemlich fassungslos den Kopf.

      Ihm war zumute, als hätte ihm das Schicksal gerade ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Noch heute würde er das Geheimnis um die blonde Wanderin lösen. Auch wenn sie nicht Sibyll hieß, würde er sie näher kennenlernen wollen. Tief im Herzen wünschte er sich sogar, dass dieses bezaubernde Wesen eine ganz normale Urlauberin war und kein Star.

      *

      Der sympathische Waldarbeiter begleitete Sibylle in Gedanken bis zu dem Hexenhäusle und ließ sie alle körperlichen Beschwerden vergessen. Da auf der Terrasse der kleinen Hütte alle Plätze besetzt waren, wie sie schon von Weitem erkennen konnte,

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