Ein MORDs-Team - Band 1: Der lautlose Schrei. Andreas Suchanek
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Читать онлайн книгу Ein MORDs-Team - Band 1: Der lautlose Schrei - Andreas Suchanek страница 6
»Ihr reichen Jungs seid doch alle gleich«, sagte sie. »Wartet darauf, dass euch alles von alleine zugeflogen kommt. Und wenn dann mal eine kleine Hürde auftaucht, oje, dann rufen wir schnell Mummy und Daddy, damit die alles in Ordnung bringen. Wach auf, Collister! Du bist nicht mehr der hippe Sportler, den alle Welt vergöttert. Willkommen in der wirklichen Welt.«
»Ich …« Er strauchelte, stürzte, fiel rücklings in den Sand. Mit weit aufgerissenen Augen sah er zu ihr auf.
»Es ist ziemlich simpel: Entweder du kämpfst für dich selbst und machst die fertig, die dir ans Bein pinkeln – oder du gehst unter. Viel Glück.«
Wie er so vor ihr lag, bekam sie Mitleid. Der Ausdruck in seinen Augen … So hatte sie damals auch ausgesehen. Mason Collister schien erst jetzt zu begreifen, dass das entspannte Leben vorbei war. Sie rechnete ihm keine großen Chancen aus. Er hatte nie gelernt zu kämpfen, ganz im Gegenteil.
Olivia schluckte.
Dann riss sie sich von dem Anblick einer zerstörten Seele los und stapfte durch den Sand davon.
*
Zur gleichen Zeit
Verblüfft starrte Danielle auf ihre Oma, die mitten im Satz die Augen geschlossen hatte und eingeschlafen war. »Gran?«
Das sieht ihr gar nicht ähnlich.
In ihrer Hosentasche vibrierte das Smartphone zum hundertsten Mal. Sie nahm es heraus und überprüfte mit einem Blick die Apps. Zwei neue Tweets, fünf Likes bei Facebook und drei neue Follower auf Instagram. Dazwischen eine Nachricht ihrer Mum – ganz altmodisch per SMS – und ein Anruf in Abwesenheit von einer Freundin, die noch nicht wusste, dass sie keine Freundin mehr war. Nichts Wichtiges also.
Sie schob das Gerät wieder in ihre Hosentasche. Normalerweise schaltete sie es nur an einem Ort der Welt komplett aus – hier in der Seniorenresidenz Zur rüstigen Eiche.
Für gewöhnlich schlief ihre Gran aber auch nicht ein. Die Mutter ihrer Mutter war gerade mal vierundsiebzig und dazu noch äußerst rüstig. Sonntags stand der Tanztee an, unter der Woche ging sie mit Freunden spazieren, zum Yoga – kaum zu fassen! – und schwamm regelmäßig.
Danielle stand auf, griff nach einer Decke und legte sie ihrer Gran über die Beine. Lächelnd betrachtete sie das Gesicht der alten Frau, die tiefen Falten, das ergraute Haar, die Grübchen im Mundwinkel. Sie hielt sich jeden Samstag frei, um hierher zu kommen. Gemeinsam plauderten sie ein wenig, aßen ein Stück Kuchen und spielten eine Partie Schach.
Danielle seufzte.
Obwohl sie ihrer Mum ständig erklärte, dass Gran gar nicht ins Altenheim musste, hatte ihre Mutter darauf bestanden.
Dann war der Besuch heute eben nur ein Intermezzo. Sie schrieb schnell ein paar Zeilen auf einen Zettel und klemmte ihn unter die kleine Porzellankatze, die auf dem marmornen Couchtisch stand.
Ihr Blick fiel auf das Tablettenetui. Die Medikamente, die ihre Gran für den Blutdruck nehmen musste, waren blau. Die Tabletten in dem Etui aber rosa. In der Regel besuchte der örtliche Arzt, Doktor Silverman, jeden Bewohner der Seniorenresidenz an einem Tag in der Woche. Im gemeinsamen Gespräch wurde erörtert, ob die Medikamente halfen und ob eine Umstellung notwendig war. Die Heimleitung sorgte dann dafür, dass die korrekte Dosierung des entsprechenden Medikaments von den Pflegern an die Bewohner ausgegeben wurde. Laut Vertrag musste die Klinikleitung Danielles Eltern informieren, wenn der Arzt eine Änderung an der Medikation vornahm.
Na, die können was erleben.
Jedem Bewohner der Zur rüstigen Eiche war ein direkter Ansprechpartner zugeteilt – ein Pfleger, der bei Problemen die Ärzte und die Leitung der Residenz informieren konnte. Laut Heimleitung wurde so jedem ihrer älteren Mitbewohner eine Betreuung rund um die Uhr zuteil.
Ha, ha.
Danielle hatte recherchiert. Tatsächlich holten diese Idioten in der Chefetage sich Schulabgänger und zahlten ihnen einen Hungerlohn. Dass die unaufmerksam waren, wunderte sie nicht im Geringsten. So entstanden Fehler. Gerade im Falle älterer Menschen, die auf Hilfe angewiesen waren, konnte das böse Folgen haben.
Sie nahm das Pillenetui.
Leise schloss sie die Tür des Appartements hinter sich. Der Boden war mit einem dicken Teppich ausgelegt. – Das scheußliche Blumenmuster darauf tat ihr jeden Samstag aufs Neue in den Augen weh.
An der Rezeption erfuhr Danielle, dass Pfleger Mischa sich im Park herumtrieb. Sie musste nicht lange suchen. Der schwarzlockige Kerl saß auf der Bank, schaute in den Himmel und genoss die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht.
»Hey, du.« Danielle stapfte auf ihn zu. Im Näherkommen schwenkte sie das Medikamentenetui durch die Luft. »Was sind das für Pillen?«
»Hm.« Er schaute auf, die Augen glasig.
»Bist du etwa high?!« Ihr Kiefer klappte gen Erdmittelpunkt. »Oh mein Gott, du bist high.«
»Was sind das für Pillen?«, sie hielt sie unter seine Nase.
»Die Schlaftabletten«, sagte er, ein debiles Grinsen auf dem Gesicht.
»Schlaftabletten! Meine Gran hat Probleme mit dem Herzen!«
»Kann gar nicht sein. Ich hab hier …«, er tastete nach einem Brett, an dem eine Liste klemmte – und konnte es beim dritten Versuch sogar festhalten. »Da steht es doch. Jenkins. Herz … Oh. Da hab ich wohl die Pillendosen verwechselt. Ah ja, alles klar, ihr Nachbar braucht die Schlaftabletten. Der Kerl war mal Direktor an der alten Barrington High, wusstest du das?« Er lachte.
Sie starrte ihn an. »Ist dir eigentlich klar, was du getan hast?!«
Er zuckte die Schultern. »Das wird schon wieder. Ich tausche die Tabletten gleich aus. Ist ja nix passiert.«
»Was hast du genommen?« Ihr kam ein furchtbarer Verdacht.
Während sie den Idioten in Gedanken erwürgte, war sie gleichzeitig maßlos entsetzt. Glasige Augen, zittrige Hände, das waren Symptome, die man unter Jugendlichen in Barrington Cove dieser Tage öfter zu sehen bekam.
»Jetzt mach dich mal locker, Fehler passieren«, sagte er. »Ich bin auch nur ein Mensch.« Bei dem ganzen Stress muss ich ab und zu ausschalten. Das war nur ’ne Black.«
Danielle schloss die Augen.
Die Black Flashs, kurz Blacks genannt, waren der neueste Schrei. Sie wusste nicht, woraus sie bestanden, doch die Wirkung war weithin bekannt. Nach der Einnahme entstand ein Gefühl der Entspannung, das dabei half, einzuschlafen oder nach einer schweren Klausur abzuschalten. Zugegeben, nach der letzten Geschichtsklausur war sie auch in Versuchung gewesen. Für etwa eine Sekunde oder so.
Leider gab es nichts umsonst. Die Nebenwirkungen waren Kurzatmigkeit, Konzentrationsstörungen und Ausschläge in den verschiedensten Körperregionen. Es gab Geschichten … sie schüttelte schnell den Kopf, um den Gedanken loszuwerden.
Leider waren die Tabletten leicht herzustellen. Immer wieder gab es Schüler, die sie