Gesang der Fledermäuse. Olga Tokarczuk

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Gesang der Fledermäuse - Olga Tokarczuk

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      Olga Tokarczuk

      Gesang der Fledermäuse

      Roman

      Aus dem Polnischen von Doreen Daume

      Kampa

      Für Zbyszek und Agata

      1 Und jetzt aufgepasst!

      »Einst, fromm und auf gefährlichem Pfad,

      Hielt der Gerechte fest an seinem Weg

      Durch das Tal des Todes.«

      Mein Alter und auch mein Zustand erfordern es mittlerweile, dass ich mir vor dem Zubettgehen ordentlich die Füße wasche, für den Fall, dass ich in der Nacht von einem Krankenwagen abgeholt werden muss.

      Wenn ich an jenem Abend in den Ephemeriden nachgesehen hätte, was am Himmel passiert, dann hätte ich mich überhaupt nicht schlafen gelegt. Doch so hatte ich noch mit einem Tässchen Hopfentee und zwei Baldrian-Dragees nachgeholfen und war fest eingeschlafen. Deshalb konnte ich auch zunächst nicht richtig zu mir kommen, als mich mitten in der Nacht ein rücksichtsloses, heftiges und unheilverkündendes Hämmern an meiner Tür weckte. Ich rappelte mich auf und stand schwankend neben dem Bett – mein verschlafener, zitternder Körper schaffte den Sprung vom unschuldigen Schlaf ins plötzliche Wachsein nicht auf Anhieb. Schwäche überkam mich, und ich taumelte, wie kurz vor einer Ohnmacht. Das war in letzter Zeit häufiger vorgekommen, es hat mit meinem Leiden zu tun. Ich musste mich setzen und mir einige Male sagen: Ich bin zu Hause, und es ist Nacht, jemand hämmert an meine Tür. Erst dann bekam ich meine Nerven wieder in den Griff. Während ich im Dunkeln meine Pantoffeln suchte, hörte ich, wie derjenige, der gehämmert hatte, jetzt vor sich hinmurmelnd ums Haus ging. Unten, im Elektrozählerkasten habe ich eine Dose Pfefferspray, das ich einmal von Dionizy wegen der Wilderer bekommen habe, es fiel mir jetzt wieder ein. Ich tastete nach der vertrauten, kühlen Form der Spraydose, und so bewaffnet knipste ich das Außenlicht an. Durch das Seitenfenster sah ich auf die Veranda. Der Schnee knirschte, und vor mir tauchte mein Nachbar Matoga auf. Um seine Hüften hielt er einen alten Pelz zusammen, worin ich ihn schon einige Male gesehen hatte, wenn er beim Haus arbeitete. Unter diesem Pelz schauten seine Beine hervor, sie steckten in einem gestreiften Pyjama und Bergschuhen.

      »Mach auf!«, sagte er.

      Mit unverhohlener Verwunderung musterte er meinen leinenen Sommeranzug (ich schlafe meistens in den Sachen, die Herr und Frau Professor im Sommer wegwerfen wollen und die mich an die Mode und die Jahre meiner Jugend erinnern – so verbinde ich das Nützliche mit dem Sentimentalen), und ohne sich zu entschuldigen trat er ein.

      »Zieh dich bitte an, Bigfoot ist tot.«

      Vor Schreck konnte ich nichts sagen, wortlos zog ich die hohen Schneestiefel an, nahm die erstbeste Fleecejacke vom Bügel und warf sie mir über. Draußen, im Lichtflecken der Flurlampe verwandelte sich das Schneien in ein langsames verschlafenes Tröpfeln. Matoga stand schweigend neben mir, groß und schlank, knochig wie eine flüchtig skizzierte Bleistiftfigur. Bei jeder Bewegung rieselte Schnee von ihm herab wie Puderzucker von den Fastnachtskrapfen.

      »Was heißt ist tot?«, fragte ich endlich, während ich mit zugeschnürter Kehle die Tür öffnete, doch Matoga gab keine Antwort.

      Er spricht auch sonst nicht viel. Ich glaube, sein Merkur steht in einem Zeichen des Schweigens, vielleicht im Steinbock, oder in der Konjunktion, im Quadrat, oder vielleicht in Opposition zum Saturn. Vielleicht war der Merkur auch gerade rückläufig unterwegs gewesen, das hat immer Verschlossenheit zur Folge.

      Wir verließen das Haus, und sofort umfing uns die wohlbekannte kalte und feuchte Luft, die uns jeden Winter wieder daran erinnert, dass die Welt nicht für den Menschen geschaffen ist und uns jetzt mindestens ein halbes Jahr lang zeigen wird, wie unfreundlich sie uns gesonnen ist. Der Frost schlug brutal an unsere Wangen, und aus dem Mund stiegen uns weiße Dampfwölkchen. Das Licht im Flur erlosch automatisch, und wir stapften in völliger Dunkelheit durch den knirschenden Schnee. Nur Matogas Stirnlampe durchlöcherte mit einem vorwärts hüpfenden Fleck die Dunkelheit vor ihm. Ich tappte hinter ihm her.

      »Hast du keine Taschenlampe?«, fragte er.

      Natürlich hatte ich eine, aber wo? Das würde ich erst am nächsten Morgen sagen können. So ist es mit Taschenlampen: Am besten man sucht sie, wenn es hell ist.

      Das Haus von Bigfoot stand etwas abseits, höher als die anderen Häuser in der Umgebung. Er war einer der drei ganzjährigen Bewohner. Nur er, Matoga und ich wohnten immer hier, wir fürchteten den Winter nicht. Die übrigen Bewohner dichteten ihre Türen schon im Oktober ab, ließen das Wasser aus den Leitungen und zogen in die Stadt.

      Wir gingen auf dem verschneiten Weg, der durch unsere Siedlung führte und von dem aus einzelne Pfade zu den Häusern hin abbogen. Zu Bigfoot führte nur ein Trampelpfad im tiefen Schnee, er war so schmal, dass man die Füße einen hinter den anderen setzen und immer auf das Gleichgewicht achten musste.

      »Es wird kein schöner Anblick.« Matoga wandte sich zu mir um, und seine Lampe blendete mich.

      Ich hatte nichts anderes erwartet. Nach kurzem Schweigen sagte er, wie um sich zu entschuldigen: »Das Licht in seiner Küche war irgendwie unheimlich. Und seine Hündin hat so verzweifelt gebellt. Hast du nichts gehört?«

      Nein, ich hatte nichts gehört. Ich hatte geschlafen, betäubt vom Hopfen und vom Baldrian.

      »Wo ist sie jetzt, die Hündin?«

      »Ich habe sie zu mir mitgenommen und habe sie gefüttert. Sie hat sich, glaube ich, inzwischen beruhigt.«

      Wieder schwiegen wir.

      »Er ist immer früh schlafen gegangen und hat das Licht ausgemacht, um zu sparen, aber diesmal hat das Licht gebrannt und gebrannt. Ein heller Streifen im Schnee. Den konnte ich von meinem Schlafzimmerfenster aus sehen. Also bin ich hingegangen, ich dachte, er ist vielleicht betrunken, oder vielleicht hat er dem Hund was getan, dass der so winselt.«

      Wir gingen an einer verfallenen Scheune vorbei, und das Licht von Matogas Stirnlampe fiel auf zwei grünliche, im Dunkeln fluoreszierende Augenpaare.

      »Schau, Rehe«, flüsterte ich aufgeregt und packte Matoga am Ärmel. »So nah am Haus. Die müssten doch Angst kriegen.«

      Die Rehe standen fast bis zum Bauch im Schnee. Sie sahen uns ruhig an, als hätten wir sie bei der Ausübung eines Rituals angetroffen, dessen Sinn sich uns nicht erschließen konnte. In der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, ob es die Weibchen waren, die im Herbst aus Tschechien herübergekommen waren. Vielleicht waren sie neu dazugekommen? Und warum nur zwei? Die aus Tschechien waren zu viert gewesen.

      »Geht heim«, sagte ich und machte eine Handbewegung. Sie zuckten zusammen, bewegten sich aber nicht von der Stelle. Mit ihren Blicken begleiteten sie uns bis zur Tür. Ich schauderte.

      Matoga stampfte mit den Füßen, um den Schnee von den Schuhen abzuklopfen. Wir standen vor der Tür des verwahrlosten Hauses, dessen kleine Fenster mit Folie und Papier abgedichtet waren. Die Holztüren waren mit schwarzer Teerpappe beschlagen.

      Vor den Wänden des Flurs lag unordentlich geschichtetes Brennholz. Es war ungemütlich hier, man konnte es kaum anders bezeichnen. Schmutzig und heruntergekommen. Überall roch es nach Feuchtigkeit, nach nassem Holz und gefräßiger Erde. Der Rauchgestank vieler Jahre klebte wie eine fettige Schicht an den Wänden.

      Die Küchentür war angelehnt,

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