Internationaler Buchmarkt. Corinna Norrick-Rühl

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Internationaler Buchmarkt - Corinna Norrick-Rühl BRAMANNBasics

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aufgezwungen haben, ist bis heute das Verhältnis zu Büchern und Lesen problembehaftet. Isabel Hofmeyer plädiert in ihrem lesenswerten Aufsatz The Globe in the Text: Towards a Transnational History of the Book für eine kritische und ganzheitliche buchhistorische Betrachtung der Buchdistribution in den Kolonien am Beispiel der British and Foreign Bible Society, gegründet im 19. Jahrhundert. Hofmeyer betont darin, dass das Buch je nach Kontext als ›Geschenk‹ (oft von christlichen Missionaren) oder als ›Ware‹ in die Kolonien importiert und damit von Vornherein mindestens doppelt kodiert und politisch brisant war. Für viele Menschen in den ehemaligen Kolonien ist bis heute die Identifikation mit einer westlich geprägten Buch- und Lesekultur schwierig. Damit sind die Anforderungen an einen funktionstüchtigen Buchmarkt in Gesellschaften, in denen der Buchdruck und das Lesen als ›Mitbringsel‹ des Kolonialismus gesehen werden, anders als in Gesellschaften, in denen Schriftlichkeit und Buchdruck schon seit Jahrhunderten das Kommunikationssystem prägen.

      Einen weiteren Zugang könnten wirtschaftliche beziehungsweise politische Gemeinschaften bieten, die buchpolitische und buchwirtschaftliche Maßnahmen gemeinsam veranlassen und durchsetzen. Ein Beispiel für eine buchpolitisch abgrenzbare Gemeinschaft wären die Staaten, die sich in der Berner Übereinkunft (Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works) von 1886 oder der Genfer Konvention (Universal Copyright Convention) von 1952 zusammengefunden haben, um Urheberrechtsfragen international anzuerkennen. Ferner werden auf EU-Ebene Fragen zur Buchpreisbindung, zu E-Books usw. verhandelt; somit könnte eine solche geografisch-politische Gemeinschaft auch eine weiterführende Perspektivierung bieten. Auch der Lizenzmarkt, der zwischen nationalen Rechten, Rechten für einen Sprachraum und globalen Rechten trennt, löst diese Frage von Fall zu Fall auf unterschiedliche Weise. So wurden im 20. Jahrhundert im Rahmen des Traditional Markets Agreement (TMA, 1947 bis 1976 in Kraft) im anglophonen Bereich, wie weiter unten ausgeführt wird, Rechte in drei Kategorien geteilt: das Vereinigte Königreich und die traditionellen Commonwealth-Mitglieder (je nach Vertrag mit oder ohne Kanada) bilden einen Lizenzraum; die USA und die Philippinen einen zweiten Lizenzraum und die restliche Welt einen offenen Markt.

      Auch die Geschichtswissenschaft ist in Folge von Diskussionen transnationaler und postkolonialer Theorien gegenüber der Nation als Untersuchungseinheit kritisch(er) eingestellt. Denn politische Grenzen sind beweglich und zum Teil diskutabel. Nationale Besonderheiten wiegen in vielen Bereichen weniger schwer als die transnationalen Gemeinsamkeiten. Angewandt auf die Buchwissenschaft und book history ist hier zur weiteren Vertiefung Sydney Sheps Analyse und Modellvorschlag in Books in global perspectives empfehlenswert. Außerdem widmet sich James Raven in seiner neuen Einführung in die Buchwissenschaft What is the history of books? (2018) der zunehmend globalen Perspektive der Disziplin; er spricht gar von einem #global turn in der book history.

      Global perspectives demand new approaches.

       James Raven4

      Dennoch: die bestehenden großen Projekte zur Buchhandelsgeschichtsschreibung sind national initiiert und angelegt. In Deutschland wird die Geschichtsschreibung des Buchhandels von der Historischen Kommission des Börsenverein des deutschen Buchhandels vorangetrieben. Die derzeit noch unvollständig vorliegenden Handbücher in der Reihe Geschichte des deutschen Buchhandels beginnen mit dem Kaiserreich und führen die buch- und verlagshistorisch interessierten Leser über die Weimarer Republik in das ›Dritte Reich‹, ins Exil, in die Jahre 1945 bis 1949 und danach parallel in die DDR und die BRD bis zur Wiedervereinigung. Hier gilt also klar das Prinzip der Nation als Beschreibungsmerkmal. Damit vergleichbar sind auch andere groß angelegte buchhistorische Projekte in Frankreich (Histoire de l’édition française, Fayard, 4-bändig, abgeschlossen), den USA (A History of the Book in America, University of North Carolina Press, entstanden in Zusammenarbeit mit der American Antiquarian Society, 5-bändig, abgeschlossen), Großbritannien (The Cambridge History of the Book in Britain, Cambridge University Press, bislang 7-bändig, seit 2019 abgeschlossen) oder Kanada (History of the Book in Canada, University of Toronto Press, 3-bändig, abgeschlossen).

      Despite the permeability of political borders

      nation is not irrelevant in the history of the book.

       Leslie Howsam 5

      Zur weiteren kritischen Einordnung solcher Publikationen können Leslie Howsams Gedanken zu ›Place‹ in ihrem Aufsatz Where Is the Book in History? hinzugezogen werden.

      In diesem Band wird versucht, neben der Nation auch den Sprachraum als mögliches strukturierendes Kriterium anzuwenden. Das heißt, der Blick auf den deutschen Buchmarkt ist nicht akkurat, wenn nicht auch die Gegebenheiten in Österreich und der (deutschsprachigen) Schweiz berücksichtigt werden. Bei den anglophonen Buchmärkten wiegt dieses sprachliche Kriterium noch schwerer. Selbst wenn nur die größten anglophonen Buchproduzenten analysiert werden, können dennoch eine große Bandbreite und sehr unterschiedliche Marktgepflogenheiten zwischen den USA, Großbritannien, Kanada und Australien festgestellt werden. Und auch viele andere Buchmärkte produzieren erhebliche Mengen anglophonen Schrifttums – etwa Indien, Nigeria, Neuseeland usw. Kurzum: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, weswegen ein Verständnis vieler nationaler Marktstrukturen noch keine Durchdringung der Struktur des internationalen Marktes ergibt.

      In diesem Spannungsfeld zwischen nationalen Grenzen und international agierenden Akteuren ist auch die Frage zu diskutieren, ob von einem internationalen Buchmarkt oder von verschiedenen, wenn auch miteinander vernetzten, nationalen Buchmärkten die Rede sein soll, also von internationalen Buchmärkten. Die deutsche Branchenpresse (Börsenblatt, BuchMarkt, buchreport) variiert die Terminologie, wie es scheint, nach dem Zufallsprinzip. In englischsprachigen Fachzeitschriften ist in der Regel in der Einzahl von the international book industry oder the Anglophone book industry die Rede. In diesem Band wird in Anlehnung an die englischsprachige Variante einheitlich im Singular vom internationalen Buchmarkt gesprochen, um Abstand vom traditionellen nationalen Beschreibmodus (›der deutsche Buchmarkt im Vergleich mit dem französischen Buchmarkt‹ usw.) zu bekommen.

      Zu nennen ist hier zuallererst die # International Publishers Association (IPA), die seit 1896 als Dachverband verschiedener national sowie regional tätiger Verlegerverbände und anderer Spezialverbände fungiert. Derzeit (2019) finden sich 81 Organisationen aus 69 Ländern in Afrika, Asien, Australasien, Europa und Nord-, Mittel- und Südamerika in der IPA zusammen. Die IPA-Mitglieder versorgen gemeinsam mehr als 5,6 Milliarden Leser.

      Obgleich diese Organisation viele Alleinstellungsmerkmale aufweist, ist die Forschungslage zur IPA als unzureichend einzustufen. Die IPA erfüllt drei Hauptaufgaben: die Verteidigung der Freiheit der Publikation, den Schutz des Copyrights sowie Leseförderung im weiteren Sinne. Sie arbeitet vielschichtig an diesen drei Hauptzielen. So wird im Hintergrund viel Lobbyarbeit geleistet, aber es werden auch öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchgeführt wie die Vergabe des Prix Voltaire, für besondere Bemühungen zur Förderung oder Verteidigung der Freiheit der Meinung und Publikation oder der Auszeichnung World Book Capital. Der IPA kommt damit eine wichtige Vermittlerrolle zu. Sie richtet auch in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen alle zwei Jahre den International Publishers Congress aus, zuletzt im Februar 2018 in Indien. 2020 wird er in Norwegen stattfinden.

      Für Deutschland ist der Börsenverein des deutschen Buchhandels Mitglied in der IPA; der Börsenverein ist zugleich Mitglied in der europäischen Verlegerorganisation Federation of European Publishers (FEP). Auch die Publishers Association of China (PAC) ist seit 2016 Mitglied in der IPA, was schon bei der Aufnahme für Überraschung und Protest sorgte, da die PAC der chinesischen Regierung nahesteht. Anfang 2018 spitzte sich die Kontroverse zu, als der IPA Prix Voltaire an den in China

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