Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер
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hat – Rauschgiftlieferanten und Süchtigen, Kokotten und Hochstaplern – ist ihm nie etwas zugestoßen. Nie hat jemand versucht, bei ihm einzubrechen – nur einmal ist ein Raubversuch gegen ihn unternommen worden, aber von diesem weiß die Polizei nichts, nur die Eingeweihten haben davon erfahren. Das ging damals folgendermaßen zu:
Herrn Eltesters Apotheke hatte Nachtdienst. Um elf Uhr schellte es, Eltester, klein, bucklig, unansehnlich, öffnet. Ein junges Bürschchen, etwas verlottert, steht vor der Tür, streckt Eltester ein Rezeptformular entgegen, drängt sich in den Laden, stößt die Türe wieder zu; und während Herr Eltester das Rezept liest und sogleich merkt, dass es gefälscht ist, zieht das Bürschchen einen Revolver aus der Tasche und hält ihn Herrn Eltester vor die Nase:
»Hände hoch!« sagt es dazu.
Herr Eltester setzt gemütlich einen Hornkneifer auf die Nase, schiebt die Unterlippe vor, dass sie an einen Eierlöffel erinnert, fixiert den jungen Mann und sagt trocken:
»Kommst du gerade aus einem Kriminalfilm, he? Mach' nicht solche Sachen, du bringst dich ins Unglück. Wenn du etwas brauchst, so red'. Aber steck' den Prügel ein, er könnte losgehen.« Das Bürschchen will nicht Vernunft annehmen, es verlangt Geld, die ganze Ladenkasse. »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich« , sagt Herr Eltester, und seine Rede klingt verärgert, denn er hätte lieber etwas Prägnanteres gesagt. Er geht zum Ladentisch, zieht eine Schublade auf (Herr Eltester liebt keine Registrierkassen). »Bedienen Sie sich« , sagt er, bleibt stehen und pfeift. Es ist ein Gassenhauer und er pfeift ihn grundfalsch. Des jungen Mannes Augen schießen hin und her, wie Quecksilberkugeln auf einem Stück Papier, aber seine ganze Aufmerksamkeit nützt ihm nichts. Plötzlich stehen neben ihm zwei elegante Herren, nehmen ihn in die Mitte und fragen ganz sachlich, in die Richtung, wo Herr Eltester steht. »Prügel?« Herr Eltester pfeift weiter, er muss genickt haben, denn der eine Herr sagt mit sehr fremdländischer Aussprache. »Gibt schon heer, den Pistol.« Der junge Mann gibt brav ›den Pistol‹, er ist bleich geworden. »Doch geladen« , stellt der kleinere der Herren fest. Dann wird der Junge aufgehoben, ein Sack stülpt sich über seinen Kopf, dann liegt er mit dem Oberkörper auf der Ladenbank und bekommt, O Schmach, mit einem Teppichklopfer Prügel. Keine bösartigen Prügel, sie tun nicht sehr weh, es ist mehr eine beschämende Exekution. Hernach wird ihm der Sack abgenommen, da steht Herr Eltester neben ihm, steckt ihm eine Zwanzigfrankennote zu.
»Wenn du wieder etwas brauchst, kannst du ja vorsprechen« , meint er und grinst unverschämt.
Der Junge trollt sich.
»Ich danke Ihnen, Herr Baranoff« , sagt darauf Herr Eltester zu dem Kleineren; und dann gehen die drei wieder an ihre Geschäfte, die im Hinterzimmer verhandelt werden.
Übrigens wusste die Polizei ziemlich viel von Herrn Eltester, aber sie konnte nie einschreiten. Ein paarmal hatte sie Haussuchungen veranstaltet, nichts gefunden. Herr Eltester grinste jedes Mal, er hatte gelbe Rosszähne und durch diese wirkte sein Lächeln noch viel aufreizender. Die Polizei bewachte seine obskuren Kunden, auch das nützte nichts. Schließlich ließ sie Herrn Eltester in Ruhe. Aber heute musste sie sich mit ihm beschäftigen.
Es war halb elf Uhr morgens, Kommissar Pillevuit war soeben von seinem zweiten Frühstück zurückgekommen.
(›Übrigens hat sich dieser verdammte englische Journalist bis jetzt noch nicht vorgestellt‹, dachte Pillevuit gerade), da wurde ihm mitgeteilt, man habe vom Polizeiposten in der oberen Rue de Carouge schon zweimal angerufen, vor fünf Minuten, und soeben. Pillevuit verlangte die Nummer, nannte träge seinen Namen.
»Einen Augenblick« , tönte es zurück. »Malan hat sich ablösen lassen, er stand an der Kreuzung, er will Sie persönlich sprechen.«
»Der gute Malan« , brummte Pillevuit.
Wir erinnern uns noch an Malan, jenen robusten Waadtländer mit dem kupfernen Schnurrbart, der den Sekretär Crawley an der Place du Molard gefunden hat. Malan meldet sich, mit einer Stimme, der man es anmerkte, dass ihr Besitzer aufgeregt war.
»Das gleiche, Kommissar, das gleiche, wie damals« , stotterte er.
»Malan« , sagte Pillevuit und seine Stimme war väterlich. »ich kann Ihnen durch den Draht keinen Kirsch einschenken, zur Beruhigung, aber sagen Sie dem Postenchef, er soll Ihnen auf meine Rechnung einen Kognak geben. Vielleicht wird es Ihnen dann besser.«
»Schon gehabt, Kommissar, schon zwei« , tönte es zurück. Pillevuit lachte noch, doch da blieb ihm das Lachen im Hals stecken. Malan hatte scheinbar Luft bekommen, seine Mitteilung musste zusammenhängend sein, denn der Kommissar kam aus seiner Ruhe, er warf seinen Fahnenbart über die Schultern, dass er im Rücken hing, wie das Ende eines geschmacklosen Wollshawls, sein Finger suchte nach einem Druckknopf (Alarm!), zwei Männer sprengten fast die Tür, als sie eintraten, Pillevuit lauschte noch immer, er legte eine Hand aufs Sprachrohr und kommandierte:
»Zwei Autos, vier Mann, Photograph, Experte für Fingerabdrücke, das ›Parquet‹ benachrichtige ich selber!«
Malan musste fertig geworden sein, Pillevuit drückte auf die Gabel, stellte eine neue Nummer ein, verhandelte kurz, neue Nummer, neue Verhandlung. Nach zwei Minuten fuhren die bestellten Autos davon. Der bleiche Staatsanwalt Philippe de Morsier, der feinsinnige Sonettendichter, hatte rote Tupfen auf den Wangen und einige Schweißtropfen zwischen den Augenbrauen: so sehr hatte er sich beeilt.
Dann standen sie in der kleinen Apotheke. Die Rollläden vor den Auslagen waren herabgelassen, dämmerig war der Raum, es roch streng nach Chemikalien. Ein einsamer Sonnenbalken drang durch ein Loch im Wellblech und fiel gerade auf die Stirn des Herrn Eltester, die grau war. Herr Eltester lebte noch. Der Gerichtsarzt war mit ihm beschäftigt.
»Vergiftung« , sagte er. »muss ins Spital.«
Herrn Eltesters rechter Ärmel war zurückgestreift, in der Ellbogenbeuge war ein roter Flecken.
Im Laden herrschte ein wüstes Durcheinander. Zerbrochene Flaschen lagen auf dem Boden, weißes Pulver vermischte sich mit braunem, der Schrank, in dem die Gifte aufbewahrt wurden, war aufgebrochen. Der Körper des Apothekers lag vor dem Ladentisch. Pillevuit beugte sich nieder, nachdem der Doktor zurückgetreten war, denn im dämmerigen Licht hatte er etwas glitzern sehen. Dieses glitzernde Objekt hob er mit zwei Fingern vor seine Nase. Es war ein Bündel kurzer Drähte.
»Visitenkarte Nummer zwei« , sagte Pillevuit. »Bei Crawley ist doch ähnliches gefunden worden, nicht wahr?«
Dann schnüffelte Pillevuit im Laden herum, deutete hier auf eine Tür, dort auf eine Flasche. »Aufnahme« , sagte er kurz. Der Photograph und der Fingerabdruckexperte folgten ihm wie eine Koppel Jagdhunde. In einer Ecke hatte sich Herr Staatsanwalt Philippe de Morsier aufgepflanzt, er betrachtete den Tatort wie von einem Feldherrnhügel und krakelte Zeichen in ein ledergebundenes Notizbüchlein, ließ seine Blicke bisweilen zur Decke schweifen, so, als könnten sie dort Inspirationen einfangen.
Das