Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер

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Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке - Фридрих Глаузер Klassische Literatur (Каро)

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handelt es sich um den seinen. Obwohl er einem kleinen Daumen gehört, einem Frauendaumen, möchte ich fast sagen. Nun, Eltester war ja auch von kleiner Statur.« Der Experte nickte, er war mehr schweigsamer Natur und zündete umständlich einen Stumpen an. Er zog ein Blatt aus der Tasche und reichte es Pillevuit. O'Key nahm es ihm sanft aus den Händen. Es schien Pergament zu sein, sehr alt, mit vielen schwarzen Runzeln bedeckt und einer verwischten Schrift. Es sah aus, als sei das Papier mit großer Gewalt zerrissen worden. Die Buchstaben, die noch erkennbar waren, gehörten zu Worten, und O'Key entzifferte:

      Nomi.

      Recip.

      Datu.

      Atropa bell.

      Mandrag.

      Assa foe.

      Misce sub sign.

      cum oleo amygda.

      »Ich verstehe einiges. Offenbar handelt es sich um ein Rezept aus irgendeinem alten Zauberbuch. Aber der Mann, der es geschrieben hat, muss Apotheker gewesen sein. Sie haben übrigens Glück, dass ich mich einmal mit Chemie beschäftigt habe, bevor ich den einträglicheren Beruf eines Reporters ergriffen habe. Das erste Wort ist ja leicht verständlich, die Anrufung irgendeiner Gottheit, ›Im Namen‹, wohl im Namen unseres Freundes mit den Fliegenflügeln, dessen Bekanntschaft wir auf der Münze gemacht haben. Wird Behemoth oder Abraxas oder sonst wie heißen. Dann kommt ›Recipe‹, der Beginn eines Rezeptes. ›Datu…‹ ist auf ›Datura‹ zu ergänzen, das Nächste ist ›Atropa belladonna‹ – ›Tollkirsche‹ aber der alte Herr gibt nicht an, ob es sich um Blätter oder Wurzeln handelt, ist ja gleich; ›Mandragora‹ kennen Sie sicher, die Alraunwurzel, die unter den Galgen wächst und menschliche Gestalt hat. Aber sie enthält ein Tropei'n, genau wie die beiden vorhergehenden Pflanzen. Dann das Feinste vom Ganzen, ›Assa foetida‹ – faules Fleisch – und all diese Ingredienzien sind zu mischen mit Bittermandelöl, und zu mischen sind sie unter irgendeinem astrologischen Zeichen, wahrscheinlich wenn der alte Jupiter in einem besonders wirksamen Hause steht. Übrigens hat der große Arzt Paracelsus – von dem haben Sie doch gehört, Kommissar? – ebenfalls ein derartiges Rezept gegeben. Es ist Hexensalbe, Kommissar, und dass das Rezept dieser Hexensalbe gerade in der puritanischen Stadt Genf sich erhalten hat, ist eine zarte Ironie des Schicksals. Denn ich sage Ihnen vielleicht nichts Neues, wenn ich Sie daran erinnere, dass eine Hexensalbe zugleich ein sehr wirksames Aphrodisiakum war, eine Salbe, welche die Liebe weckte, und wenn ich Liebe sage, so meine ich deren fleischlichste Form.«

      »Hören Sie auf, O'Key, haben Sie Mitleid mit mir.« Dem Kommissar standen große Schweißtropfen auf der Stirn. Aber der Staatsanwalt war aufgestanden; die Rollen schienen vertauscht zu sein, denn nun war es Herr de Morsier, der, einem Reporter gleich, mit gezücktem

      Bleistift und hungrigem Notizbuch, vor O'Key stand und sagte:

      »Mein Herr, Ihre Ausführungen sind interessant, besonders die Namen, die Sie nannten, die Namen der Arzneimittel, haben einen wohlklingenden Laut. Darf ich um deren genaue Angabe bitten, ich gedenke, sie in einem Sonett zu verwerten, das ich Ihnen widmen werde.«

      O'Key verbeugte sich geschmeichelt.

      Es war schon halb drei Uhr – vierzehn Uhr dreißig für Liebhaber moderner Zeitberechnung – als der Kommissar und der Reporter endlich zum Essen kamen. Sie hatten einen Umweg über das Spital gemacht: Dr. Thévenoz war nicht zu sprechen, aber Wladimir Rosenstock war entzückt, sein medizinisches Licht leuchten lassen zu dürfen. Die gleichen Erscheinungen, ließ er sich vernehmen, die man auch bei dem verstorbenen Crawley habe feststellen können. Hemmung aller Sekretionen, Schweiß- und Speichelabsonderung versiegt, Trockenheit im Munde, im Schlunde und in der Nase, Behinderung des Schling- und Sprechvermögens, Lähmung des Auerbachschen Plexus, scharlachgerötete, heiße trockene Haut, zeitweilige Erregungszustände. Man habe alles versucht, Magenspülung, kombinierte Kampfer- und Morphiuminjektionen. Aber der Mann sei alt, es bestehe wenig Hoffnung, ihn über den Berg zu bringen.

      Und wann etwa der Mordversuch anzusetzen sei? wollten die beiden Herren wissen. Rosenstock machte einige Schlittschuhläuferschritte durchs Zimmer. Das sei schwer zu sagen, meinte er, der Apotheker sei gefunden worden, wann? Um halb elf etwa? Und gegen zwölf Uhr sei er eingeliefert worden? Die akuten Symptome seien da schon ziemlich zurückgegangen. Ob die Herren keinen Anhaltspunkt hätten? Da meldete sich O'Key und teilte mit, dass ein Zeuge gegen sechs Uhr morgens aus dem Laden Schreie und Poltern gehört habe. »Das könnte stimmen« , meinte Rosenstock. »Fünf bis sechs Stunden wird die Vergiftung alt sein, aber es ist weiter nichts als eine Vermutung.« Dann wollte Pillevuit noch wissen, wo sein Bekannter, Dr. Thévenoz, sei. Aber da hüllte sich Rosenstock in Schweigen. »Er musste einen Besuch machen, einen eiligen Besuch.« . »Einen Krankenbesuch?«  wollte der neugierige O'Key wissen. »Man kann es auch einen Krankenbesuch nennen« , meinte Rosenstock reserviert. »Übrigens habe ich zu tun, und Sie müssen mich entschuldigen.« Er schien eines jener Kinderspielzeuge – Trottinette nennt man sie – zu besteigen und verschwand auf diesem unsichtbaren Vehikel aus dem Zimmer.

      Nun saßen also die beiden in einer Pinte; sie lag in einem jener kleinen Gässchen, die in der Umgebung des Justizpalastes ein von jeder Modernität verschontes, stillbeschauliches Leben führen. Der Wirt war ein Franzose, ehemaliger Chef de cuisine, kochte ausgezeichnet, kaufte seinen Wein selbst. Die Beize war ziemlich unbekannt.

      »Prost!« sagte Kommissar Pillevuit und stieß mit seinem neuen Freund an. O'Key nickte. Der Wein war gut. Dann aßen die beiden schweigend, und ich muss es mir leider versagen, das Menü wiederzugeben. Denn es waren Speisen, die nur Gastronomen bekannt sind, und da diese Rasse am Aussterben ist, hat es keinen Sinn, auf sie Rücksicht zu nehmen.

      Gegen die niederen Fensterscheiben prasselte der Regen, ein Gewitter ging nieder, es war dunkel im kleinen Raum, der Wirt schaltete das Licht ein, brachte dann dicken türkischen Kaffee in Kupferpfännchen. Dann war es sehr still im Raum, bis Pillevuit schließlich sagte. »Nun?«

      »Zeugenaussagen« , meinte O'Key. »Die Gemüsehändlerin Malvida Turettini, Witwe, kinderlos, hat ihren Laden am Morgen um fünf Uhr geöffnet. Da sie schräg gegenüber der Apotheke wohnt und Eltester sie von jeher interessiert hat, weil er merkwürdige Besuche erhielt, wirft sie jeden Morgen beim Öffnen ihres Ladens einen Blick auf die Apotheke. Die Rollläden waren heruntergelassen, doch meinte sie zwischen den Ritzen Licht schimmern zu sehen, was sie erstaunte, da es bekanntlich jetzt, im Sommer, schon um vier Uhr morgens ganz hell ist. Um halb sechs tritt sie zufällig vor ihre Türe, um ihre Gemüseauslage in Ordnung zu bringen und hört aus der Apotheke Lärm. Die Gasse war zu dieser Zeit fast menschenleer, nur in der Rue de Carouge war ein Trupp Arbeiter zu sehen. Frau Turettini kann sonst nichts angeben. Ihr Geliebter, Gaston Faillettaz, Mechaniker in einer Autofabrik, hat am Abend vorher, als er gegen zehn Uhr aus der Kneipe kam, hinter den schon herabgelassenen Läden der Apotheke singen gehört. Er bezeichnete das Geräusch als Singen, und als ich ihn fragte, was er denn unter Singen verstünde, Volkslieder oder Grammophonmusik, schüttelte er den Kopf: ›Wie wenn man an katholischen Kirchen vorbeigeht, so hat's geklungen‹, behauptete er. Der Zeitungsverkäufer Andre Gattineau muss schon.«

      »Halt« , rief Pillevuit. »ich habe eine Frage. Wie kam es, dass Sie etwas von dem Mordversuch wussten? Sie hatten doch Ihre Untersuchung schon beendigt, als wir die Entdeckung des kranken Eltester machten?«

      O'Key spielte mit einem silbernen Kettchen, das um sein Handgelenk lag. »Ich bin eben früher aufgestanden« , sagte er lächelnd. »Und ich kann Ihnen da nichts weiter erzählen, weil Sie sonst auf falsche Gedanken kämen. Lassen Sie mich lieber fortfahren. Der Zeitungsverkäufer Gattineau, der schon um fünf Uhr bei der ›Tribune‹ sein muss, um die Morgenblätter zu erwischen, die er in den Dörfern verkauft, hat um halb fünf Uhr einen älteren Herrn gesehen, mit weißem gelocktem Bart, der mit einer sehr dicken

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