Bei Ostwind hörten wir die Leute schreien. Immo Opfermann
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14 Ortschronik Schömberg zum 22.04.1945 „Einsetzen eines Ortskommandanten aus den Reihen der Zivilarbeiter …“ Stadtarchiv Schömberg AB 638. – In Schörzingen wurde ein ehemaliger französischer Zivilarbeiter eingesetzt, der Vater von Liliane Gesson, die später Recherchen auf den Spuren ihres Vaters machte, der die Exhumierungen in Schörzingen in Fotos hatte dokumentieren lassen.
Diese Formulierung legt die Vermutung nahe, dass es anderswo nicht sehr korrekt zuging. Der Name des Kommandanten war Doyer, der „auf Werk 9 als Bulldogfahrer tätig gewesen war.“
Über den Ort, wo die französische Kommandantur Schömberg untergebracht war, gibt es unterschiedliche Erinnerungen: Es waren exponierte Häuser, z. B. der „Herrenspittel“, das Gasthaus zum „Plettenberg“ als Kasino für Offiziere, die „Traube“ für Unteroffiziere. In der Villa des Fabrikanten Munding „residierte“ General König. Im ehemaligen „Konsum“, dem Haus Konrad Eha, „unterhielt eine französische Sanitätsabteilung eine Schreibstube“. Andere sprechen vom „Konsum“ als der regulären Kommandantur, die Anlaufstelle für mögliche Beschwerden und Ausgangspunkt für die ersten Maßnahmen der Sieger gewesen sei. Diese bestanden unter anderem in der „Suche nach Kriegsverbrechern und Nazis sowie deren Verhaftung“, so schrieb Jean Gonnet, Militärgouverneur für den Kreis Balingen, allerdings nach (!) der Zeit des Schwarzen Lagers Dormettingen. „Dazu müssen gefährliche Nazis gesucht und verhaftet, Widerständler aufgespürt, Waffen konfisziert, eine entnazifizierte Verwaltung und Polizei eingesetzt, der öffentliche Dienst reorganisiert sowie die Versorgung wiederhergestellt, die Kriegsgefangenen und Deportierten umgesiedelt, registriert und heimgeschickt sowie Bewegungsfreiheit (innerhalb der Zone) geregelt werden. […] Der Unterhalt der Truppen besteht aus Requisition und Beschlagnahmung, der Versorgung mit Lebensmitteln, Ausrüstungsgegenständen, Wohnungen und deren Ausstattung.“15
15 Geschichte der Kreisdelegation von Balingen, Vorwort, S. 43. In: Blau-Weiß-Rot: Leben unter der Trikolore. Die Kreise Balingen und Hechingen in der Nachkriegszeit 1945 bis 1949. Herausgeber Landratsamt Zollernalbkreis, bearbeitet von Andreas Zekorn. Zollernalb-Profile. Schriftenreihe des Zollernalbkreises. Band 5, Balingen 1999. S. 43 ff. Besonders S. 37.
Fritz Fortmann erstellte als Repräsentant, Geschäftsführer und Prokurist der DÖLF eine Liste, auf der ehemalige Parteigenossen und Amtsträger des Nationalsozialismus genannt wurden. Weil Fortmann sich als wichtigster Mann der DÖLF, der Französisch sprach, der Besatzungsmacht andienen konnte, beginnt mit dieser ominösen Liste die Denunziation, die alles bewirkte: schnell, in vorauseilendem Gehorsam, willkürlich und mutmaßlich in Trennung zwischen privaten Feinden und Freunden angelegt, ist sie bis heute im kollektiven Bewusstsein Inbegriff und Synonym für Denunziantentum per se, um die eigene Haut zu retten und mit Unliebsamen abzurechnen. Nach ihr wurden die entsprechenden Verhaftungen vorgenommen – ob noch durch den Polizisten Rösch, ist unklar, sodass im Ortsarrest des Rathauses in Schömberg nach und nach ungefähr 15 bis 20 Männer auf engstem Raum eingesperrt waren, in „Zimmer 3 inhaftiert“ und dann auf „3 Zimmer verteilt“, bis „am nächsten Morgen“, 20.04.45, „Oberleutnant De Laitre […] mit seinem Adjutanten, dem Tschechen Milan“ erschienen sei.16
16 Aussage Friedrich Geise, des ehemaligen Leiters von „Wüste“ 9, am 17. August 1948. In: Staatsarchiv Sigmaringen 9/720/1/A 4.
Hier beginnt die Geschichte des „Schwarzen Lagers“, denn der selbst ernannte Kommandant von Dotternhausen, Lieutnant Delètre, riss die Macht an sich und nahm mit seinen Spießgesellen angeblich in französischem Namen Verhaftungen und Requirierungen vor. Es traf auch Angehörige der DÖLF, weshalb deren Vorgeschichte wichtig ist.
Ölschiefer
Nachdem Rudolf Rohrbach, während der NS-Zeit Gauamtsleiter für Technik in Stuttgart, durch die Vermittlung seines Freundes Dr. Fritz Todt, des Gründers der „Organisation Todt“ (OT), eine Befreiung vom Bauverbot zur Errichtung eines Zementwerkes in Dotternhausen bewirkt hatte, konnte er 1939 noch vor Kriegsbeginn darangehen, an der beabsichtigten Stelle mit dem Bau zu beginnen. Die Wahl des Standortes war bedingt durch ein genügend großes Ölschiefer-Vorkommen, denn die Ausnahmegenehmigung war daran gebunden, dass mit der Zementherstellung auch eine Ölschieferschwelanlage errichtet werde. Die Produktion von Schieferöl aus schwäbischem Schiefer Epsilon wurde als „Wehrmachtsbauvorhaben“ bezeichnet: Kalksteinvorkommen und Bahnanschluss als weitere Komponenten des Standortes waren vorhanden, außerdem war hier eine Seilbahn vom Plettenberg in das stillgelegte Zementwerk Balingen für den Kalksteintransport bekannt.17 Für das neue Werk in Dotternhausen am Albtrauf benötigte Rohrbach entsprechende Ingenieure, Techniker und Arbeitskräfte, die Straßen anlegen und das ganze Gelände betriebsgeeignet machen konnten.
17 Vgl. Opfermann, Schömberg-Buch, S. 220 ff.
Als die vom Arbeitsamt Balingen vermittelten „130 kriegsgefangenen Franzosen“ sich durch „ihre Flucht über den Steinbruch auf dem Plettenberg“ Ende des Jahres 1941 der Weiterarbeit entzogen hatten, wurden der Baustelle und dem späterem Betrieb russische Kriegsgefangene zugewiesen. Sie bildeten „bis Kriegsende den Stamm“ der Arbeiter.18
18 Rudolf Rohrbach: Ein Ölschiefer-Werk entsteht. 1987. S. 42 – Die russischen Kriegsgefangenen, die im Werk ein eingezäuntes Lager hatten, arbeiteten auch im Kalksteinbruch auf dem Plettenberg, wo sie in der „Hütte neben dem alten Schafhaus wohnten. Das Essen brachten ihnen zwei Dotternhausener Frauen von unten auf den Berg“, so Helmut Künstle. In: Am Fuß des Plettenbergs, hgg. von der Gemeinde Dotternhausen. Dotternhausen 1994, sog. „Heimatbuch“, S. 316. Nach diesen Russen ist der sog. „Russenweg“ am Plettenberg benannt. – Zwei Russen hätten sich vor einem Luftangriff in einem Bombentrichter in angebliche Sicherheit gebracht, weil nicht zweimal eine Bombe in den gleichen Trichter falle: Beide wurden getötet. – Diese beiden am 27.02. und die am 18.04.1945 beim letzten Luftangriff auf das Zementwerk getöteten fünf Russen wurden am Plettenberg in einem Grab verscharrt, die Stelle mit einer Art Kreuz markiert.
Plan des Zementwerkes, links das Lager der Russen
Schieferbruch zum Zementwerk, Foto aus der Nachkriegszeit
Für den Schlichem-Stausee in Schömberg, der während und nach dem Bau des Zementwerkes Dotternhausen ab August 1941 als weiteres Projekt für das Werk angelegt wurde, waren wiederum sehr viele ausländische Arbeitskräfte notwendig: die Zusammensetzung der Arbeitenden wechselte im Sperrgebiet am künftigen See nach Baufortschritt, je nachdem, welche Arbeitskräfte die beteiligten Firmen Heilmann und Littmann oder Baresel überhaupt organisieren konnten. Bauaufsicht hatte das Wasserwirtschaftsamt Rottweil beim Bau der Schlichemtalsperre und die „Deutsche Arbeitsfront“. Dass hier bereits die OT beteiligt war, ist zu vermuten, denn die „Firmen hatten ein eigenes Stammpersonal, das in OT-Uniform war“19. Für weitere Baustellen des Unternehmens „Wüste“ war ihr technisches Wissen vonnöten.