Seidenstadt-Schweigen. Ulrike Renk

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Seidenstadt-Schweigen - Ulrike Renk

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der Kollegen krank war, konnte man davon ausgehen, dass Dieter es auch bekam.

      »Ja, allerdings bildet er es sich diesmal nicht ein. Es hat ihn hier erwischt und wir waren froh, als er es nach einer Stunde endlich aus dem WC schaffte.«

      »Erspare mir die Details.«

      Fischer nahm einen der unbequemen Plastikstühle und folgte Sabine in ihr Büro. Sie schob die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch zusammen und jemand stellte zwei Flaschen Wasser und ein paar Gläser hin.

      Werner Altmann saß in der Ecke. Er hatte den Schlips abgenommen und die Ärmel seines Hemdes aufgerollt.

      »Sind alle da?«

      »Alle, die den heutigen Tag überstanden haben.« Sabine lachte leise.

      »Fischer, es tut mir leid um Ihren Urlaub.«

      »Ich dachte, ich wäre nur pro forma hier.« Fischer nahm sich ein Glas Wasser.

      »Solange nichts weiter los ist, ja. Hoffen wir, dass es so bleibt.« Altmann schlug die Beine übereinander. »Ich habe vorhin mit Sigrid telefoniert. Guido hat die Operation überstanden, aber es ist immer noch kritisch.«

      »Was ist denn überhaupt passiert?«, fragte Fischer.

      »Ein Lastwagen ist auf Autos aufgefahren, die an einer Ampel standen. Der Fahrer war wohl eingeschlafen und hatte auch Alkohol im Blut. Es gab einen Toten und mehrere Schwerverletzte. Einer davon ist Guido. Er hat eine Beckenfraktur und einen Schädelbasisbruch. Die Milz ist gerissen und musste entfernt werden.«

      »Ach du Scheiße!«

      »Es wird eine Weile dauern, bis er wieder arbeiten kann.«

      »Können wir irgendetwas für die Familie tun?«, fragte Fischer.

      »Im Moment wohl nicht. Julia, seine Tochter, wohnt momentan bei uns. Sie ist mit meiner Tochter befreundet. Nächste Woche wissen wir sicherlich mehr und wenn Ermters Familie Unterstützung braucht, wird sie die von uns bekommen.«

      Da sie sich alle wie eine große Familie fühlten, nickten alle zustimmend.

      »Im Moment ist ja nicht viel los, was bei dem hohen Krankenstand auch besser ist. Ich habe mit der Rechtsmedizin in Duisburg gesprochen. Die Leiche ist eindeutig ermordet worden. Eine Neun-Millimeter-Waffe, Schuss in den Hinterkopf, die Kugel steckte noch. Der Mann ist nur teilweise skelettiert, er war in eine mit Wachs beschichtete Plane eingehüllt und die Sandschicht, die wohl über ihn geschüttet worden war, hat ihn gut abgedeckt. Dadurch ist er ausgetrocknet und mumifiziert.«

      »Das wird aber doch jetzt kein Fall werden, oder doch?« Sabine schüttelte den Kopf.

      »Wir werden den Fall aktenkundig machen. Aber das war es auch schon. Heute nachzuforschen, wer den Mann in den Kriegswirren ermordet hat, ist schlicht unmöglich.«

      »Und er ist definitiv schon so lange tot?«

      »Ja, er trug die schwarze Uniform der Wehrmacht.« Altmann öffnete die Mappe und balancierte sie auf seinen Knien. »Die Rechtsmedizin schreibt in dem Fax: schwarze Uniform, rosa Paspelierung. Ein Zeichen dafür, dass er zur Panzerspähtruppe gehörte. Niemand würde Jahre später noch so herumlaufen. Er hatte Briefe dabei, die auch aus der Zeit stammen. Außerdem wurde er mit einer MP 40 erschossen. Alles Indizien. Er wurde neben dem Blindgänger gefunden und ich bezweifle, dass jemand dort freiwillig ein Loch buddelt und eine Leiche ablegt. Da das Gelände zum Zoo gehört, wäre es nicht unbemerkt geblieben, wenn die Leiche erst in letzter Zeit dort abgelegt worden wäre.«

      »Und wie verfahren wir jetzt?«, fragte Sabine.

      »Durch seine Marke und die Feldpostnummer kann er identifiziert werden. Die Unterlagen sind schon unterwegs zu den entsprechenden Stellen in München und Potsdam. Wir werden dann sehen, wer er war und ob es noch Angehörige oder Nachfahren gibt. Die werden informiert und können ihn beisetzen. Akte geschlossen, Fall beendet.«

      »Wenn es nur immer so schnell ginge.« Alle lachten.

      »Da nichts weiter anliegt, können wir die Besprechung beenden.« Fischer streckte sich. Durch das ungewohnte Schleppen der Kartons hatte er Muskelkater. »Und wenn heute Nacht nichts weiter passiert, bitte ich euch, auf meine Anwesenheit bei der Frühbesprechung zu verzichten. Morgen kommt der Umzugswagen … Ich bin natürlich telefonisch erreichbar, sollte etwas sein.«

      Erleichtert verließen alle das kleine Büro. Obwohl der Raum nur morgens von der Sonne beschienen wurde und das Fenster weit geöffnet war, stand jetzt die Luft im Raum.

      »Darf ich die Akte haben?«, fragte Fischer, als Altmann an ihm vorbeiging.

      »Aber natürlich. Doch warum?«

      »Die Details interessieren mich einfach. Wer weiß, ob ich Zeit habe, darin zu lesen, aber vornehmen kann ich es mir ja mal.«

      Altmann nickte. »Ich wünsche Ihnen einen guten Umzug. Mein letzter ist Jahre her, aber ich erinnere mich noch an das Chaos. Fürchterlich.«

      »Spaß macht es nicht, das stimmt. Aber meine neue Herberge ist wesentlich gemütlicher als das Wohnklo, in dem ich bisher gehaust habe.« Fischer wunderte sich über den freundlichen Ton des Staatsanwalts. In der Vergangenheit waren sie öfters aneinandergeraten.

      »Und die nette Mitbewohnerin bekommen Sie obendrauf.« Altmann zwinkerte Fischer zu. »Schönen Gruß an die Kollegin.«

      12. Kapitel

      »Hast du viel Stress, Jürgen?« Sabine räumte die Gläser zusammen.

      »Mit dem Umzug? Ich habe es mir schlimmer vorgestellt.« Er rieb sich nachdenklich über das Kinn. »Wo ist eigentlich Oliver? Auch krank?«

      Sabine lachte. »Ja, aber nur heute. Der hat gestern einen über den Durst getrunken. Liebeskummer.«

      »Oh je. Er hatte mir erzählt, dass es Streit gab.«

      »Und jetzt ist es vorbei. Manchmal ist das so.« Sabine runzelte die Stirn.

      Fischer sah sie nachdenklich an. Etwas anderes lag ihm noch auf der Seele, aber er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Die beiden hatten ein sehr enges, freundschaftliches Verhältnis zueinander, seit Fischer sie vor zwei Jahren aus den Händen eines Entführers befreit hatte. Dieser Mann, ein Kollege, war auch für den Tod ihres Lebensgefährten verantwortlich. Durch die brutale Gewalttat verlor Sabine ihr Baby. Seitdem war Jürgen eine Art väterlicher Freund für sie.

      Ob ihm das aber das Recht gab, einige Fragen zu stellen, wusste er nicht sicher.

      »Hast du irgendetwas, Jürgen?«

      »Nun ja, ich wollte dich etwas fragen.« Er räusperte sich.

      Sabine warf einen Blick auf ihre Uhr. »Lass uns zusammen einen Kaffee trinken. Drüben im BarCelona.«

      Sie hatten Glück, dass gerade einer der Tische auf dem Platz vor dem Café frei wurde. Fischer nahm die Zigaretten hervor, hielt sie in der Hand, steckte sie dann wieder in die Tasche.

      »Na, wie klappt es mit dem weniger Rauchen?« Sabine lächelte.

      »Es

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