Kornblumenjahre. Eva-Maria Bast

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Kornblumenjahre - Eva-Maria Bast

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Bayern, 5. Februar 1923

      Die Tage vor Lisbeths Hochzeit waren angefüllt mit aufgeregtem Treiben. Und Marlene war mittendrin. Es musste letzte Hand an die Aussteuer gelegt werden – Lisbeths Mutter bestand darauf, jede einzelne Serviette mit den Initialen ihrer Tochter zu versehen. LB. Lisbeth Böttcher. Lisbeth selbst interessierte sich nur für ihr Brautkleid, drehte sich, wenn die Schneiderin kam, wie ein Pfau hin und her und fragte Marlene ein ums andere Mal, ob sie glaube, dass ihr Bräutigam Gefallen an ihr in dem Kleid finden würde, was Marlene jedes Mal mit einem halbherzigen »Aber natürlich, meine Liebe« bestätigte, um dann wieder in ihre Träume zu versinken. Träume von Andreas. Lisbeth in ihrer Aufregung merkte nicht, wie es um die Freundin stand. Sie bemerkte nicht einmal, dass Marlene verzweifelt versuchte herauszufinden, ob er auch zur Hochzeit kommen würde. Mit Fragen, die zu beiläufig gestellt waren, als dass sie wirklich harmlos hätten sein können. Und dann – Lisbeth saß gerade vor ihrem Schminktisch und bürstete ihre goldenen Haare wie jeden Abend mit 100 Strichen, weil ihre Mutter ihr in ihrer Kindheit beigebracht hatte, dass sie dann einen betörenden Glanz entfalteten – sagte sie wie nebenbei den ersehnten Satz: »Ach, übrigens, Andreas wird auch da sein.« Marlene hätte beinahe die Stickerei fallen lassen. Lisbeths Mutter hatte sie ihr aufgedrängt, man werde sonst vor der Hochzeit nicht fertig.

      »Ich denke, es ist dir recht, wenn wir ihn neben dich setzen«, überlegte Lisbeth und sah dabei nicht Marlene durch den Spiegel an, sondern sich selbst verzückt in die erwartungsfroh strahlenden Augen. So übersah sie auch, dass Marlenes Blick bei ihren Worten freudig erregt zu leuchten begann. »Er ist zwar schon etwas alt, aber immerhin seid ihr verwandt. Oder, Lenchen, das ist dir doch recht?« Erst jetzt ließ sie die Bürste sinken und wandte sich um, um Marlene anzusehen.

      »Ja«, erwiderte die, hastig lächelnd. »Ja, natürlich ist es mir recht.«

      Sie sahen sich in der Kirche wieder. Zwar saßen sie nicht nebeneinander, er saß auf der einen Seite der Kirchenbänke und sie auf der anderen, aber immer wieder kreuzten sich ihre Blicke, immer wieder sah Marlene dann als Erste weg, und er, er lächelte wissend. Und zufrieden. Nach der Kirche drängte er sich in der Reihe der Gratulanten neben sie. »Ich höre, du bist meine Tischdame, Marlene«, sagte er und berührte wie zufällig ihre Hand. Ihr Herz raste. »Ich freue mich wirklich sehr«, raunte er. »Wie ich neulich schon sagte: Du bist zu einer richtigen Schönheit herangewachsen.«

      Die Worte, die sie hätte antworten mögen, lagen quer in ihrem Hals, sie brachte nur ein Krächzen hervor. So lächelte sie lediglich und nickte und war ungemein dankbar, als Nächste mit dem Gratulieren dran zu sein, sodass er nicht mehr auf eine Antwort warten konnte. Doch während sie ihrer Freundin und deren frischgebackenem Ehegatten gratulierte, war sie mit all ihren Sinnen bei ihm.

      22. Kapitel

      Überlingen, Bodensee, 5. Februar 1923

      Sie suchten Raphael überall. Im Stall, an seinen Lieblingsplätzen im Garten und natürlich auch im Haus. Er war nicht zu finden.

      »Warum habe ich ihn nur alleine gelassen?«, jammerte Johanna. »Ich habe doch gemerkt, dass er völlig verstört war. Ich hätte bei ihm bleiben müssen.«

      »Er wollte alleine sein«, sagte Sebastian beruhigend. »Und er ist alt genug, dass man diesen Wunsch respektieren muss. Das war schon ganz richtig, Johanna.«

      »Aber er ist nicht alt genug, um um diese Zeit draußen herumzulaufen«, sagte Johanna nervös. »Vor allem nicht nach all dem, was geschehen ist. Fällt dir noch ein Ort ein, wo er sein könnte?«

      Sebastian dachte angestrengt nach. »Den Schuppen durchsucht Sophie, obwohl sie eigentlich noch im Bett bleiben sollte. Aber ich glaube nicht, dass er dort ist.«

      Plötzlich hatte Johanna einen Geistesblitz. »Ich weiß, wo er ist!«, stieß sie hervor und packte Sebastian am Arm.

      Sebastian sah sie fragend an. »Wo?«

      »Er hat mir neulich eine Stelle am See gezeigt, in Richtung Goldbach. Dort sitzt er gerne.«

      »Das wäre eine Möglichkeit!«, rief Sebastian erleichtert. »Lass uns gleich nachsehen.« Er ließ Johanna nicht los, als er durch den dunklen Garten rannte. »Sebastian«, keuchte Johanna, »einer von uns muss bei Susanne und Robert bleiben. Großvater ist doch in der Schule, um mit Raphaels Lehrer zu sprechen.«

      »Du hast recht.« Sebastian strich sich das dunkle Haar aus der Stirn. »Aber da ich Raphaels Lieblingsstelle nicht kenne und du unmöglich allein durch die Nacht laufen kannst …«

      Aber Johanna hörte ihn schon nicht mehr. Ehe ihr Gatte sie aufhalten konnte, war sie zum Gartentor hinaus.

      Sebastian blickte ihr hilflos hinterher und überlegte, ob er ihr nachlaufen sollte. Dann aber hörte er im Haus Susanne weinen und ging hinein.

      Johanna ist schon mit ganz anderen Situationen fertig geworden, sagte er sich, sie wird auch diese meistern.

      Im Haus traf er auf eine völlig hysterische Sophie, die damit beschäftigt war, die einzelnen Schränke nach ihrem Sohn zu durchsuchen.

      »Das hat doch keinen Sinn, Sophie«, erklärte Sebastian. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Raphael seit Stunden in einem der Schränke hockt.«

      »Ich kann einfach nicht untätig herumsitzen«, schluchzte Sophie. »Und die wahrscheinlichen Möglichkeiten habe ich schon alle durch.«

      »Johanna ist zum See runter, um ihn an seinem Lieblingsplatz zu suchen.«

      Sophie starrte Sebastian an und schlug sich gegen die Stirn. »Der Felsen am See!«, rief sie erleichtert. »Warum bin ich darauf noch nicht gekommen?«

      Sie machte sich von Sebastian los und rannte in Richtung Tür.

      »Wo willst du hin?«, fragte er, obwohl er es genau wusste.

      »Zum See, wohin denn sonst?«

      »Sophie, du kannst nicht alleine dort hin. Nicht mitten in der Nacht.«

      »Hast du Angst, dass einer der Überlinger mich überfällt?«, fragte Sophie spöttisch und ging eilig in den Garten hinaus. »Außerdem hast du deine Frau doch auch gehen lassen«, rief sie über die Schulter.

      »Auf Johanna ist auch kein Anschlag verübt worden«, argumentierte Sebastian. »Denk daran, was neulich geschehen ist.«

      »Umso gefährlicher ist es für Raphael, draußen herumzulaufen. Ich muss zu ihm.«

      »Du kannst ihn nicht schützen und du hilfst ihm nicht, indem du dich selbst in Gefahr bringst. Wenn dir etwas zustieße, dann müsste er auch noch damit fertig werden.«

      »Aber er ist ganz allein da draußen.«

      »Er ist nicht allein. Johanna sucht nach ihm und die kann ihn im Moment besser schützen als du.«

      »Ich werde trotzdem gehen«, sagte Sophie verzweifelt. »Ich muss.«

      Sebastian stellte sich ihr in den Weg. »Ich lasse dich nicht gehen. Du solltest lieber hierbleiben und deine Sachen packen.«

      Sophie starrte ihn wütend an. »Immer muss alles nach deinem Kopf gehen.«

      »Sophie, was du vorhast, ist unvernünftig.«

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