Das fehlende Glied in der Kette. Agatha Christie

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Das fehlende Glied in der Kette - Agatha Christie

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traurigen Anblick, weil er buchstäblich von oben bis unten mit Schlamm bespritzt war.

      »Was haben Sie denn nur angestellt, Doctor?«, rief Mrs Cavendish.

      »Bitte entschuldigen Sie vielmals«, sagte der Doctor. »Ich hatte wirklich nicht vor, hereinzukommen, aber Mr Inglethorp bestand darauf.«

      »Na, Bauerstein, Sie sehen ja höchst bedauernswert aus«, sagte John, der gerade aus der Halle hereinkam. »Trinken Sie eine Tasse Kaffee und erzählen Sie uns, was Sie angestellt haben.«

      »Danke, gern.« Lachend erzählte er, wie er eine sehr seltene Farnart an einer unzugänglichen Stelle entdeckt hatte. Bei seinen Bemühungen, sie zu pflücken, hatte er den Halt verloren und war schmachvoll in einen Teich gerutscht.

      »Die Sonne trocknete mich bald«, fuhr er fort, »aber leider ist mein Aufzug nicht gerade gesellschaftsfähig.«

      In diesem Moment rief Mrs Inglethorp Cynthia zu sich und das Mädchen lief raus in die Halle.

      »Bring doch eben rasch meinen Aktenkoffer nach oben, meine Liebe. Ich will ins Bett gehen.«

      Die Tür zur Eingangshalle stand weit offen. Als Cynthia aufstand, hatte ich mich ebenfalls erhoben, und John stand neben mir. Es gab deshalb drei Zeugen, die beschwören konnten, dass Mrs Inglethorp ihre noch volle Kaffeetasse in der Hand hielt. Mir war der Abend durch die Anwesenheit von Doctor Bauerstein total verdorben worden. Es schien so, als ob der Mann überhaupt nicht mehr gehen wollte. Aber dann stand er schließlich doch auf und ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

      »Ich begleite Sie noch bis zum Dorf«, sagte Mr Inglethorp.

      »Ich muss mit unserem Verwalter noch etwas wegen der Abrechnungen besprechen.« Er wandte sich an John. »Ihr braucht deshalb nicht aufzubleiben. Ich nehme den Hausschlüssel mit.«

      3 Die Nacht der Tragödie

      Damit der folgende Teil meiner Erzählung verständlicher wird, füge ich einen Plan des ersten Stockwerks des Herrenhauses bei.

      Zu den Dienstbotenzimmern gelangt man durch die Tür B. Sie sind vom rechten Flügel aus nicht erreichbar, wo sich die Zimmer der Inglethorps befanden.

      Mir erschien es wie mitten in der Nacht, als Lawrence Cavendish mich weckte. Er hielt eine Kerze in der Hand, und sein aufgeregter Gesichtsausdruck verriet mir gleich, dass etwas Schlimmes geschehen war.

      »Was ist los?«, fragte ich, setzte mich im Bett auf und versuchte, Ordnung in meine verwirrten Gedanken zu bringen.

      »Wir befürchten, dass unsere Mutter ernstlich erkrankt ist. Sie hat offensichtlich eine Art Anfall. Unglücklicherweise hat sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen.«

      »Ich komme sofort.«

      Ich sprang aus dem Bett, schlüpfte in meinen Morgenmantel und folgte Lawrence über den Flur und die Galerie in den rechten Flügel des Hauses.

      John Cavendish schloss sich uns an und ein oder zwei Dienstboten standen herum und wirkten schrecklich aufgeregt.

      Lawrence wandte sich an seinen Bruder: »Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«

      Niemals, so dachte ich, hatte sich die Unentschlossenheit seines Charakters deutlicher gezeigt.

      John rüttelte heftig an der Klinke von Mrs Inglethorps Tür, aber ohne Erfolg. Die Tür war von innen offensichtlich verschlossen oder verriegelt. Mittlerweile waren alle im Haus geweckt worden. Aus dem verschlossenen Zimmer drangen höchst erschreckende Geräusche. Es musste unbedingt etwas geschehen.

      »Versuchen Sie doch durch Mr Inglethorps Zimmer hineinzukommen«, schrie Dorcas. »Ach, die arme gnädige Frau!«

      Plötzlich wurde ich gewahr, dass Alfred Inglethorp sich nicht bei uns befand – er war der Einzige, der fehlte. John öffnete die Tür von Alfred Inglethorps Zimmer. Dort war es stockduster, aber Lawrence folgte John mit der Kerze, und in deren schwachem Schein sahen wir, dass das Bett unberührt war und es keinerlei Anzeichen gab, dass sich jemand in dem Raum aufgehalten hatte.

      Wir gingen schnurstracks zur Verbindungstür. Auch sie war von innen verschlossen oder verriegelt. Was nun?

      »Ach herrje, Sir«, rief Dorcas und rang die Hände. »Was sollen wir nur tun?«

      »Wir müssen wohl versuchen, die Tür aufzubrechen. Aber das wird sehr schwierig werden. Eines der Hausmädchen soll runterlaufen und Baily wecken, damit er sofort Dr. Wilkins holen geht. Also, dann lasst uns die Tür aufbrechen! Doch Moment mal, gibt es nicht noch eine Tür zu Cynthias Zimmer?«

      »Ja, Sir, aber die ist immer verriegelt. Die war noch nie auf.«

      »Wir sollten trotzdem nachsehen.«

      Er rannte rasch den Flur entlang zu Cynthias Zimmer. Mrs Cavendish war dort und schüttelte das Mädchen – die einen ungewöhnlich festen Schlaf haben musste –, um sie aufzuwecken.

      Wenige Augenblicke später war John zurück.

      »Geht nicht, die ist auch verschlossen. Wir müssen die Tür aufbrechen. Ich glaube, die hier ist ein bisschen weniger stabil als die im Flur.«

      Wir warfen uns mit voller Wucht gegen die Tür. Der Türrahmen war aus massivem Holz und widerstand unseren Anstrengungen lange, doch schließlich merkten wir, wie die Tür nachgab, und dann gab es einen gewaltigen Krach und sie brach auf.

      Wir stolperten gemeinsam hinein, Lawrence hielt immer noch die Kerze in der Hand. Mrs Inglethorp lag auf ihrem Bett, ihr ganzer Körper wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt, durch die sie auch den Tisch neben sich umgestoßen haben musste. Doch als wir eindrangen, erschlafften ihre Glieder und sie fiel rücklings in die Kissen.

      John eilte zur anderen Seite des Zimmers und zündete das Gaslicht an. Er schickte Annie, eins der Hausmädchen, nach unten ins Esszimmer, um Kognak zu holen. Dann ging er ans Bett zu seiner Mutter, während ich die Tür zum Flur entriegelte.

      Ich wollte Lawrence gerade vorschlagen, dass ich mich jetzt wohl besser zurückziehen sollte, weil meine Hilfe nicht länger gebraucht wurde, und wandte mich zu ihm um, als mir die Worte auf den Lippen erstarben. Nie zuvor hatte ich auf dem Gesicht eines Mannes einen solchen Ausdruck des Grauens gesehen. Er war kreidebleich, die Kerze in seiner zitternden Hand tropfte auf den Teppich und seine schreckerfüllten Augen starrten gebannt auf einen Punkt über meinem Kopf an der gegenüberliegenden Wand. Es war, als hätte er etwas gesehen, das ihn in Stein verwandelt hatte. Instinktiv folgte mein Blick der gleichen Richtung, aber ich konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Die immer noch schwach glimmende Asche im Kamin und die streng ausgerichteten Nippes auf dem Kaminsims waren gewiss absolut harmlos.

      Die Heftigkeit von Mrs Inglethorps Anfall schien nachzulassen, sie vermochte kurze Satzfetzen hervorzustoßen.

      »Jetzt besser – so plötzlich – dumm von mir – mich einzuschließen.«

      Ein Schatten fiel über das Bett, und als ich aufsah, erblickte ich neben der Tür Mrs Cavendish, die den Arm um Cynthia gelegt hatte. Anscheinend stützte sie das Mädchen, das völlig verstört aussah, ganz verändert. Ihr Gesicht war stark gerötet, und sie gähnte immer wieder.

      »Die

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