Die kleine Dame (1). Stefanie Taschinski

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Die kleine Dame (1) - Stefanie Taschinski Die kleine Dame

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kleine Dame hielt die Luft an. »Aber natürlich. Dass ich nicht gleich darauf gekommen bin. Es ist deine Glasaugenaufbewahrung!«

      »Igitt, nein!«, rief Lilly.

      »Aber ein zweites Paar Augen kann sehr praktisch sein, wenn die einen schlafen und die anderen nachsehen wollen, wo das letzte Stück Schokolade versteckt ist«, beharrte die kleine Dame.

      »Es ist meine neue Kamera«, sagte Lilly.

      Ehrfürchtig betrachtete die kleine Dame die Kamera.

      »Ein echter Tofograf?«, fragte sie und streckte vorsichtig die Hand aus, um Lillys Fotoapparat zu streicheln. »Was für ein schöner Apparat. Darf ich ihn mal halten?«

      Lilly gab ihn ihr. »Es war der Hauptpreis am Glücksrad, aber meine Eltern und Karlchen hatten alle überhaupt keine Zeit, ihn sich anzusehen«, erzählte Lilly.

      Die kleine Dame sah sie erstaunt an. »Dummköpfe! Wenn so ein schöner Tofograf daherkommt, muss man alles stehen und liegen lassen und tofografieren und sonst nichts«, sagte die kleine Dame bestimmt.

      Lilly war aufgeregt. Ob die kleine Dame ihr zeigen konnte, wo man den Chip einlegte? Und da hatte die kleine Dame die Klappe auch schon gefunden.

      »Aber da ist ja gar kein Chip drin. Wie sollen wir Bilder machen, wenn du keinen Chip-Schnipp hast?«

      Lilly holte das kleine Plastikteil aus ihrer Hosentasche.

      »Ah, das ist etwas anderes.« Die kleine Dame schnippte den Deckel von der Verpackung, nahm den Chip heraus und schob ihn in die Öffnung. Lilly sah sofort, dass die kleine Dame das nicht zum ersten Mal machte.

      »So und jetzt drückst so lange diesen Knopf, bis der Bildschirm leuchtet«, erklärte sie und gab Lilly die Kamera zurück.

      Lilly drückte eine ganze Weile und sah auf den Bildschirm: Vor ihr stand die kleine Dame und lächelte ihr verwegenstes Lächeln. Mit ihrem hellen Safarikostüm und dem Tropenhelm sah sie aus, als käme sie geradewegs aus dem Dschungel. Lilly knipste los. Klick, klick, klick die kleine Dame von vorne. Klick ihre lustigen Haarschnecken. Klick die Schnürstiefel und klick, klick, klick den Schirm. Plötzlich sah Lilly es ganz deutlich. Der Griff des Schirms war ein Chamäleonschwanz! Gerade wollte Lilly wieder den blauen Knopf drücken, da rief die kleine Dame: »Halt! Von so viel tofografieren bekommt mein Schirm ja Pixeldites!«

      Mit diesen Worten spannte sie den Schirm auf. Für Sekunden tanzten alle Farben des Regenbogens über den Stoff, dann war die kleine Dame verschwunden!

      Lilly starrte auf die Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte. »Kleine Dame«, rief sie.

      Keine Antwort. Lilly sah sich um. »Kleine Dame, wo bist du?«

      Da hörte sie ein leises Lachen, das hinter den Zweigen der alten Weide hervorzukommen schien.

      Lilly schob die Zweige auseinander und dort saß die kleine Dame vor ihrem Zelt und sprach mit ihrem Schirm. »Nohcs tug. Schon gut«, beruhigte sie ihn.

      Lilly kniff sich in den Arm. Träumte sie? Oder stand hier im Hinterhof des Brezelhauses tatsächlich ein weißes Zelt? Ein rundes Zelt, das oben spitz zulief und mit bunten Wimpeln geschmückt war?

      Sie ging auf die kleine Dame zu. »Was ist passiert?«

      »Ach, das ist ein sehr alter und eigensinniger Schirm, den ich von meiner Ururgroßmutter geerbt habe«, sagte die kleine Dame und schob den Stoff des Schirms ein Stückchen hoch. Nun konnte Lilly sehen, was in dem Schirm steckte. Es war ein leuchtend grünes, sehr lebendiges Chamäleon und es sah Lilly direkt in die Augen!

      »Chaka ist über tausend Jahre alt. Meine Ururgroßmutter hat ihm vor vielen Jahren das Leben gerettet und zum Dank dafür ist er bei ihr geblieben«, erzählte die kleine Dame.

      Atemlos hörte Lilly zu.

      »Aber manchmal, wenn ich nur chamäleonisieren will, spielt Chaka mir einen Streich und macht mich unsichtbar«, fuhr die kleine Dame fort.

      »Oh«, sagte Lilly.

      »Ich vermute, die Tofografierei war ihm zu aufregend. Es kommt schließlich nicht alle Tage ein Mädchen durch die Ligusterhecke spaziert, das auch noch einen funkelnagelneuen Tofografen mitbringt!«

      Jetzt musste Lilly lachen. Als wenn das aufregend wäre! »Es kommt auch nicht alle Tage vor, dass ich über eine kleine Dame stolpere, die ganz zufällig einen tausendjährigen Chamäleonschirm hat und sich unsichtbar machen kann«, sagte sie.

      »Nein, das kommt nicht alle Tage vor«, stimmte die kleine Dame zu und hüpfte von ihrem Stuhl.

      »Heute ist eben unser Glückstag!«, rief sie. »Unser Glücksglücksglückstag!«

      Und das fand Lilly auch.

      Doch ehe sie es bemerkt hatten, war der Nachmittag verflogen und Lilly musste nach Hause. Die kleine Dame begleitete Lilly bis zur Hecke und zeigte ihr eine geheime Stelle, an der ein Kind leicht hindurchschlüpfen konnte.

      Die kleine Dame hielt die Nase in die Luft und schnupperte. »Ich würde sagen, deine Mama holt gerade den Pfannkuchenauflauf aus dem Backofen.«

      Lilly roch nichts. Sie hatte auch keinen Hunger. Es gab nur eines, was sie wissen wollte, bevor sie durch die Öffnung in der Hecke schlüpfen konnte. »Kleine Dame, sehen wir uns wieder?«

      Die kleine Dame zwinkerte ihr zu und tippte auf ihren Schirm. »Ich werde dir eine Nachricht schicken«, versprach sie.

      Und mit diesen Worten spannte sie ihren Schirm auf und ging fröhlich chamäleonisierend auf die alte Weide zu.

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