Das Leben läuft nicht nach Plan. Paloma Olszowka
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Paloma Olszowka
Das Leben läuft nicht nach Plan
© 2020 Paloma Olszowka
Autor: Paloma Olszowka
Umschlaggestaltung, Illustration:
Paloma Olszowka
Lektorat: Paloma Olszowka
Verlag & Druck: tredition GmbH,
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN Paperback: 978-3-347-09818-3
ISBN Hardcover: 978-3-347-09819-0
ISBN E_Book: 978-3-347-15855-9
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Mein neues Leben
Als ich am Montag, den 16. Januar 2007, von der Schule nach Hause lief, sollte sich mein ganzes Leben verändern. Ich war 16 Jahre alt, als ich die Straße überquerte und ein Auto so schnell um die Ecke angerast kam, dass ich nicht mehr reagieren konnte. Ich hörte nur quietschende Reifen und wie ich auf dem Asphalt aufschlug. Ich hörte nur Stimmen, die mich fragten ob Alles in Ordnung sei. Aber dann verlor ich das Bewusstsein und wachte erst im Krankenhaus wieder auf.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich das Schicksal, querschnittsgelähmt zu sein, annahm. Der heftige Aufprall war mir noch im Kopf geblieben. Auch die Ärzte haben mir mein neues Schicksal bestätigt. Natürlich war diese Nachricht für alle Beteiligten ein Schock - aber ich sagte mir, dass ich das Beste aus der Situation machen würde. Andere querschnittsgelähmte Menschen schaffen es ja auch. Wieso sollte ich es dann nicht auch schaffen?
Zum Glück bin ich in einem Krankenhaus gelandet, das eine gute Abteilung für Unfallopfer hat. Dadurch konnte meine Familie in dieser Zeit Hilfe in Anspruch nehmen. Meine Mutter besucht heute noch eine Psychologin, denn sie verkraftet es immer noch nicht. Mein Vater vertieft sich immer noch in seine Arbeit. Mein Bruder war mit seinen Frauengeschichten beschäftigt und meine kleine Schwester hatte zum Glück die Musik und sang viel im Chor.
Ich lernte mit der Zeit, mit meinem Ungetüm namens Rollstuhl umzugehen. Das war ein hartes Stück Arbeit! Ein Jahr lang hatte ich damit zu kämpfen, meinen Körper und meinen Geist mit Physio- und Psychotherapie wieder in Form zu bringen. Es war eine schwere Zeit für unsere Familie, die wir zusammen durchgestanden haben. Der Arzt hatte vorgeschlagen, eine Familientherapie zu machen und mir eine Einzeltherapie verschrieben.
Natürlich habe ich auch andere Jugendliche kennengelernt, die das gleiche Schicksal hatten wie ich. Einige konnten sich damit aber nicht so gut anfreunden. Meine damalige Zimmernachbarin hat sich sogar geritzt und musste damit schließlich in die Psychiatrie. Sie hieß Mika. ALLES hatte ich versucht, um sie aufzubauen, aber ihr Gehirn hatte schon lange zugemacht. Sie hatte ein Busunglück überlebt, bei dem der Großteil ihrer Freunde verstorben war. Sie hatte als eine der Wenigen überlebt. Bestimmt hätte ich mich auch so entwickelt wie sie, wenn ich nicht meine Familie als Stütze gehabt hätte. Zum Glück war mein Papa in dieser schweren Zeit für meine Mama da. Denn sonst hängt er immer auf seiner Arbeit fest.
Er hatte mir versprochen, dass es sich jetzt ändern würde. Er ist nämlich Architekt. Es macht mich traurig, wenn ich darüber nachdenke, dass ich Mika nicht helfen konnte. Wie es ihr wohl geht in der Psychiatrie? Lebt sie überhaupt noch? Ich sollte all dies noch in Erfahrung bringen.
Während meines Krankenhausaufenthaltes haben sich meine besten Freundinnen nie gemeldet, obwohl ich sie tausende Male anrief. Zu allem Überfluss hat auch mein Freund Basti nichts von sich hören lassen. Das traf mich so bitterlich tief im Herzen. Ich sagte mir: Das kann doch nicht sein! Unsere ganzen Liebesschwüre… Verdammt! Dieser Mistkerl! Nur weil ich jetzt vier Räder unterm Hintern habe, kann doch nicht alles wie weggeblasen sein.
Vor dem schweren Verkehrsunfall waren Lola, Lena und ich die drei besten Freundinnen auf dem ganzen Schulhof. Wir waren alle drei gleich alt. Die beiden hatten einen coolen Kleidungsstil, wie ihn die jungen Mädchen in den Filmen haben - nur pinke glitzernde Klamotten. Lenas pink gefärbten Haare überdeckten ihren aschblonden Naturton - sie wollte schon immer eine schrille Haarfarbe tragen. Lolas rote Mähne mit leichtem Blondstich passte nie zu ihrer pinken Kleidung, aber das störte sie nicht. Damals hatte ich Angst, dass sie mich auch so pink einkleiden wollen würden - zum Glück hatte sie es nicht gemacht!
An den ersten Tag mit den beiden kann ich mich noch gut erinnern: Sie mobbten mich und schmissen meine Schulsachen auf den Boden. Eines Tages aber brauchte Lena dringend meine Hilfe. Ein Junge verprügelte sie auf dem Schulhof und ich ging dazwischen. Ich wunderte mich, warum ein Junge ein Mädchen verprügeln sollte; entweder war etwas Schlimmes passiert oder sie hatten grade einen Beziehungsstreit. Damals wollte Lena jedoch nicht mit mir darüber reden. Unsere Freundschaft war jedenfalls besiegelt.
Allerdings musste ich noch das offizielle Aufnahmeritual in ihre Clique überstehen: den gemeinsamen Überfall auf eine Modeboutique! Ich hatte richtig Bammel vor diesem Tag und meine Knie zitterten wie Espenlaub. Schließlich machte ich doch mit - ich wollte nicht bis zum Ende meines Lebens als Schul-Nerd gelten. An diesem Tag wurde ich das erste Mal in meinem Leben verhaftet. Diese Erfahrung begleitet mich noch bis heute.
Seit ich aus dem Krankenhaus zurückgekommen bin, weiß ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Jetzt soll auf einmal wieder der Alltag losgehen? Das kann doch nicht sein… ich drehe durch. Zum Glück haben meine Mutter und mein Vater mein Schlafzimmer bereits so umgeräumt, dass ich soweit zurechtkomme. Nur der Teppich stört noch - da hilft es mir auch nicht, dass ich bereits das ganze letzte Jahr den Umgang mit meinem Rollstuhl eingeübt habe.
Langsam wie eine Schnecke fahre ich in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Blöderweise komme ich aber nicht mehr an den Geschirrschrank heran. Ich habe auch keine Lust, jemanden zu rufen. Mein Gesicht wird immer heißer, ich drohe zu explodieren. In diesem Moment kommt Papa herein und fragt mich, ob ich Hilfe bräuchte.
„Seh' ich vielleicht so aus?“, antworte ich schnippisch und drehe mich um.
Papa ruft hinterher: „Was ist denn los, Franziskachen?“
„Verdammt, Papa! Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst!“
Ich knalle die Tür hinter mir zu. „Ihr habt doch alle keine Ahnung!“
Papa klopft vorsichtig und sagt zögerlich: „Große, auch für uns ist es nicht leicht.“
„Ja, ich weiß es doch", schluchze ich.
Nach einer Pause fragt er: „Darf ich nun hereinkommen?“
„Ja, ok“
„Darf ich mich setzen?“ Papa fragt mich, warum ich denn so ausgerastet