Das Leben läuft nicht nach Plan. Paloma Olszowka

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Das Leben läuft nicht nach Plan - Paloma Olszowka

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fragt, wie denn der zweite Schultag gewesen sei.

      „Sie haben nicht mit mir gesprochen und mich nicht angesehen. Ich will da nicht mehr hin“, keife ich und will schon in mein Zimmer rasen, als Mama erwidert: „Ich überlege mir was anderes, versprochen!“

      In meinem Zimmer mache ich mir ganz laut Musik an. Ich weine und weine, bis ich fast keine Tränen mehr habe. Plötzlich kommt mir ein Geistesblitz: Ich kann ja zum Zeitvertreib mit Christina Slalom fahren! Das ist bestimmt eine gute Ablenkung. Ich rolle aus dem Zimmer und frage Mama: „Wo ist Christina?“

      „Im Wohnzimmer. In zehn Minuten gibt es Abendessen!“

      Dort angekommen, rufe ich Christina zu: „Möchtest du Rollstuhlfahren lernen?“

      „Ja, das wäre toll!“, freut sich meine Schwester wie ein kleines Wiesel. Ich rutsche aus dem Rollstuhl und lege mich auf den Teppich, damit Christina einsteigen kann. So kann ich meiner kleinen Schwester Tipps geben. Ich finde, dass sie das sogar sehr gut kann, besser als ich sogar.

      Nach all den Slalomfahrten ist das Wohnzimmer zur Baustelle geworden - die Sitzkissen sind heruntergeplumpst und eine Lampe ist heruntergefallen. Wir sind so aus der Puste, dass wir uns vor Lachen die Bäuche halten und stoßen beide gleichzeitig ein „Oh je!“ heraus.

      „Rollstuhlfahren muss gelernt sein!“, ermahnt sich Christina.

      „Ach ja“, winke ich ab, „mit der Zeit bekommst du das schon hin!“

      Beinahe hätte sie mich umgefahren, wenn nicht Mama zum Abendessen gerufen hätte. Es gibt Kartoffelgratin mit Blumenkohl und Fleischbällchen, das schmeckt so gut.

      Nach dem Essen ruft Mama mich zu sich. Ich ahne schon, dass sie mir etwas Gutes mitteilen will, denn mein Körper kribbelt schon beim Klang ihrer Stimme.

      „Mein Mäuschen, ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Ich habe mal ein bisschen rumtelefoniert, ob es ein Internat für dich gibt und wer die Kosten übernehmen würde. Papa und ich können das nicht alles selbst bezahlen. Francesco geht morgen zu deiner Klassenlehrerin und gibt die Entschuldigung ab, damit wir Zeit haben, das Internat anzusehen. Ich verspreche dir eines, du musst nicht mehr in deine alte Klasse. Ich lasse dich beurlauben! Wir werden dort hinfahren und mal sehen, ob das Internat etwas für dich ist.“

      Bei diesen Worten streicht sie mir die Haare sanft hinters Ohr. Das macht sie immer, wenn es mir schlecht geht - die Berührung beruhigt mich so sehr.

      „Jippiiiiiiie! Danke, Mama!“ Ich umarme sie stürmisch.

      Vorstellungsgespräch

      Heute bin ich vor Aufregung schon sehr früh wach. Nach dem Unfall habe ich eine Fernbedienung bekommen, um den CD-Spieler selbst einstellen zu können. Ich stelle mir Eins-Live ein und singe leise mit und blicke auf die Uhr und denke mir: ich habe noch ein bisschen Zeit, bis ich aufstehe. Ich merke gar nicht, wie die Zeit vergeht, weil ich ganz in die Musik vertieft bin.

      „Jetzt aber aufstehen!“, kommt Mama zur Tür herein. Ich mache mich fertig für das Vorstellungsgespräch im Internat für die neue Schule.

      „Mama, ich habe gar keinen Hunger, weil ich so nervös bin“

      „Du isst was!“ Bei diesen Worten schaut sie mich streng an: „Franziska, sei nicht so stur! Ich versuche doch, alles für dich einzurichten - also könntest du mir ein bisschen entgegenkommen! Mach' keinen Zirkus, wir müssen in zehn Minuten los!“, ermahnt mich Mama.

      „Ich beeil' mich ja schon!“, rufe ich genervt.

      Schließlich schiebt Mama mich aus der Haustür hinaus und wir fahren los. Die Autofahrt dauert eine halbe Stunde. Seltsamerweise habe ich die Angewohnheit, auf Autofahrten einzuschlafen. Auch dieses Mal ist es wieder so - kaum habe ich Platz genommen, fallen mir die Augen zu. Auch meine Aufregung kann die magische Wirkung des Autos nicht aufhalten. An der Schule angekommen, weckt Mama mich auf. Sie öffnet die Autotür, so dass ich in den Rollstuhl steigen kann. Herzklopfen - nun werde ich also viele Gleichgesinnte treffen. Vor mir ragt ein großes, buntes Gebäude in die Höhe. Alles sieht so fröhlich und einladend aus. Im Garten vor dem Gebäude wachsen hohe Bäume, die jetzt im Herbst viele rote Blätter tragen. Ein Basketballplatz ist neben dem Garten untergebracht und ich frage mich, wie wohl Menschen im Rollstuhl Basketball spielen können.

      Wir fahren zum Eingang. Vor uns öffnen sich die Türen automatisch, was mich erschreckt. Mama schiebt mich hinein.

      Von den vielen jungen Rollstuhlfahrern werde ich freundlich empfangen. Sie gucken mich neugierig an, während wir den Flur herunterfahren und ich grinsen muss. Neben den Rollstuhlfahrern sitzen auch andere Jugendliche in den Gängen. Manche haben wohl eine seitliche Lähmung, andere haben Behinderungen, die ich noch nie gesehen habe - aber alle schauen mich lächelnd an. So viel Aufmerksamkeit kenne ich gar nicht! Zu Hause bin ich das einzige Mädchen im Rollstuhl. Da nervt es furchtbar, wenn Fremde meine Mutter anquatschen und fragen, was ich denn hätte. Ganz anders hier - irgendwie fühle ich mich im Internat willkommen.

      Zur Anmeldung müssen wir in das Direktorat im ersten Stock. Die Aufzüge sind geräumig und mit vielen Spiegeln. Mein glückliches Ich sieht mich daraus mit leuchtenden, vorfreudigen Augen und einem leichten Lächeln auf den Lippen an. Nachdem wir im ersten Stock angekommen sind, gehen wir auf die Tür des Direktorats zu und klopfen. Eine freundliche Stimme ruft uns herein. Die Frau, die hinter dem Schreibtisch sitzt, steht auf und stellt sich vor. „Hallo, ich bin Frau Weiss, die Schulleiterin!“ Sie trägt ein schönes Lächeln auf den Lippen, das dazu einlädt, sie direkt sympathisch zu finden. Ihre hübsche Flechtfrisur könnte glatt als Hingucker auf dem Oktoberfest durchgehen.

      „Setzen Sie sich doch! Hier ist ein Stuhl für Sie!", fordert Frau Weiss meine Mutter auf. Wir machen es uns gemütlich. „Du musst sicher Franziska sein! Ich habe gehört, dass du es in deiner jetzigen Schule nicht so leicht hattest. Ich hoffe sehr, dass du hier schnell Anschluss findest!“

      Ich wundere mich sehr darüber, dass sie mich persönlich anspricht. Seit meinem Unfall nehmen mich meine Mitmenschen kaum mehr wahr und fragen nur noch meine Mutter, wie es mir geht. Es überrascht und freut mich deshalb zugleich, dass Frau Weiss mich direkt anspricht.

      „Frau Weiss, muss ich noch etwas ausfüllen?“, fragt meine Mutter.

      „Ja, Frau Prüm, hier sind die Unterlagen. Lassen Sie sich ruhig Zeit.“ Dann wendet sich Frau Weiss an mich: „Franziska, möchtest du unsere Einrichtung sehen? A propos: Wir haben hier auch Betreuer, die dir bei der körperlichen Pflege zur Seite stehen könnten, wenn du das möchtest. Ich weiß ja nicht, wie es bei euch zu Hause abläuft.“

      „Danke Frau Weiss, ich überlege es mir.“ Bei der Vorstellung, von einer anderen Person als meiner Mutter gepflegt zu werden, stellen sich mir die Nackenhaare auf.

      „Das ist in Ordnung“, lächelt meine Schulleiterin mich an. „Wenn du Hilfe brauchst: auf jeder Etage gibt es drei Mitarbeiter. Sie warten in ihrem Arbeitszimmer und du kannst sie immer zu dir holen oder klingeln, wenn du etwas brauchst. Also ich denke, du bekommst das gut hin!“ Sie zwinkert mir zu. „Dann komm mal mit“, Frau Weiss wendet sich wieder an meine Mutter: „Frau Prüm, ich komme gleich wieder und dann können wir das Restliche noch besprechen.“ Mit diesen Worten führt sie mich zur Tür hinaus und zum Aufzug hin. Wir fahren in den dritten Stock.

      Im Aufzug fragt sie mich noch: „Möchtest du eigentlich an den Wochenenden nach Hause fahren oder lieber hierbleiben? Einmal im Monat ist es leider Pflicht, nach Hause zu fahren. Die anderen Jugendlichen bleiben in der Regel

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