Das Leben läuft nicht nach Plan. Paloma Olszowka
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„Darf ich vorstellen: das ist Antonia Fröhlich. Sie ist schon drei Jahre hier, seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr. Ihr gefällt es sehr gut hier! “
Antonias Bein muss wohl gelähmt sein, denn beim Laufen zieht sie stets ihren Fuß hinterher. Sie trägt schwarze kurze Haare, die durch einen Sidecut flippig wirken. Ihre Ohren zieren Totenkopfohrringe. Mit der wird es nie langweilig, schießt mir sofort durch den Kopf und ich lächele sie an.
„Antonia, vielleicht kannst du sie ein wenig überall herumführen.“, bittet sie Frau Weiss. „Und das ist Gaeton, er ist 17 Jahre alt.“
Mein Blick bleibt fest an ihm hängen. Er sitzt in einem bequemen Couchstuhl, sieht mich komisch an und plötzlich wieder weg, um weiter mit seinem langen Pony zu spielen. Seine Haare fallen ihm ins Auge und er schüttelt sie immer zur Seite. Oh Mann, diese Boys! Insgeheim lache ich mir einen ab. Er hat wunderschöne braune Augen, die mich sofort erröten lassen. Sein Kleidungsstil ist auch nicht von schlechten Eltern: seine tiefsitzenden Jeans lassen seinen Körperbau so gut erscheinen, als könne er alle Frauen auf der Welt haben. Was mich jedoch am meisten fasziniert, sind seine großen Hände. Er hat sie in seinem Schoß vergraben - ganz so, als würde er beten. Gaeton scheint so nervös zu sein, dass er hin und her wackelt.
Er braucht doch nicht so nervös zu sein, nur weil er mich das erste Mal zu Gesicht bekommt! Oder bilde ich mir das nur ein? Was ist bloß der Grund für seine Aufregung? In diesem Moment fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Na klar, Franziska! Das wird wohl seine Behinderung sein! Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen? Wieso interessiert er mich so, ich kenne den Kerl doch gar nicht. Ich muss aufhören, mir solche Gedanken über ihn zu machen - vielleicht sehe ich ihn sowieso nicht wieder. Antonia stellt mir auch die anderen vor.
Schließlich verabschiedet sich Frau Weiss: „Passt gut auf Franziska auf, sie kennt sich hier noch nicht aus!“
„Ja klar, machen wir! “
„Ich komme in zehn Minuten wieder! Ich gehe noch zu deiner Mutter um einiges zu klären. Dann hole ich dich sofort ab.“
Ich spiele an meiner Hand herum und bin ein bisschen nervös, weil ich die anderen nicht kenne. Beim ersten Kontakt mit Fremden bin ich immer so ein stilles Mäuschen - das verfluche ich. Wäre ich anders, dann würde mir das Kennenlernen viel leichter fallen. Ich atme noch einmal tief durch und versuche, die Nervosität herunterzuspielen.
In die Zukunft schauen
„Ich zeig' dir mal mein Zimmer“, sagt Antonia, „Dann hast du einen Plan, wie es hier aussieht, falls du hier mal einziehst.“
Sie führt mich durch einen langen Gang, an dessen Ende sich ein großer Aufzug befindet. Wir fahren in die zweite Etage.
Antonias Zimmer ist wunderschön. Ich staune nicht schlecht. Ihre Eltern müssen sehr reich sein, die Möbel sehen teuer aus. Sie hat einen tollen Geschmack: die Einrichtung ist in dunklen Farben gehalten und versprüht einen geheimnisvollen Charme, was einen tollen Kontrast zur lilafarbenen Wand bildet.
In der Mitte des Raumes hängt ein Boxsack von der Decke, auf den ich spielerisch einschlage - noch nie zuvor habe ich einen Boxsack angefasst. Antonia erzählt, dass sie manchmal mit Wutanfällen zu kämpfen und mit dem Sport eine gute Methode gefunden hat, damit umzugehen. Ich traue mich nicht, weiter nachzubohren, was sie in ihrer Vergangenheit erlebt hat - irgendwann, so habe ich die Hoffnung, erzählt sie es vielleicht von sich aus. Antonia lacht beim Anblick, wie ich verzweifelt versuche, auf den Boxsack einschlagen.
„Du musst noch ein bisschen üben…“ Ganz unerwartet beginnt sie, von den Erlebnissen ihrer Kindheit zu erzählen. Sofort merke ich, wie schwer es ihr fällt.
„Weißt du, ich war schon immer etwas anders als andere Frauen. Ich habe mich immer eher als Junge gefühlt. Nicht, dass ich auf Mädchen stehe - knackig finde ich nur die Jungs.“ Sie lacht leise. „Aber ich bin nicht das typische Mädchen, das Bravo liest und jedem dahergelaufenen Typen schöne Augen macht. Ich finde, jeder Mensch sollte so akzeptiert werden, wie er ist. Ich habe es einfach nicht so mit dem Schminken. Bei den Clubtreffen mache ich das nur mit, damit ich nicht so auffalle und besser in dieser Welt Fuß fasse. Ich hoffe so sehr, dass meine Familie irgendwann akzeptiert, wie ich bin. Manchmal habe ich einfach das Verlangen, mich in einen anderen Körper zu stehlen … kennst du das Gefühl?“
Ich bin sprachlos. „Ja“, stoße ich nach einer ganzen Weile hervor. Noch nie fiel es mir so leicht, mich zu öffnen. Plötzlich erzähle ich Antonia von meinem Unfall. Bei ihr habe ich das Gefühl, dass uns ein unsichtbares Band zusammenhält. Nachdem ich ihr von allen Stolpersteinen meiner Vergangenheit berichtet habe, umarmt sie mich ganz fest.
„Du bist gut so, wie du bist: mit deinen schwarzen langen Haaren, deine schönen grünen Augen und deiner zarten Figur.“
Ich grinse. „Ja, vielleicht hast du Recht.“
Antonia knufft mich in den Arm. „Wir sollten jetzt langsam wieder runter gehen, Frau Weiss kommt sicher gleich wieder.“
Mit dem Aufzug fahren wir in die Eingangshalle.
„Solange wir warten, können wir Computer spielen“, schlägt Antonia vor. Sie führt mich in einen Computerraum und fragt, ob ich schon mal Magic Mike im Kino gesehen hätte. Ich schmunzele über beide Ohren. „Der ist ziemlich heiß, der Magic Mike! Eine richtige Augenweide … er hat einen guten Bizeps. Aber der Gaeton ist auch nicht schlecht, oder?“
Ich werde rot. „Ja, kann schon sein…“, antworte ich und wir spielen schließlich das Computerspiel.
Es dauert eine ganze Weile, bis Frau Weiss wiederkommt. Sie findet uns erst, als wir uns bemerkbar machen.
„Vielleicht bis bald…“, seufzt Antonia mir zu und drückt mich zum Abschied.
„Du bist gut so, wie du bist!“, flüstere ich. Wir tauschen schnell Telefonnummern aus. „Ich melde mich, wenn ich wieder zu Hause bin.“
Schnell drücke ich ihr noch einen Kuss auf die Wange. Sind es Tränen, die da in ihren Augenwinkeln schimmern? Vielleicht hoffe ich das auch nur. „Tschüss, bis bald…“ Ich will gar nicht von ihr loskommen. Doch meine Mutter wartet auf mich. Frau Weiss bringt mich zurück in den Raum. Mama bemerkt mich erst gar nicht, bis sie mit gerunzelter Stirn aufblickt und mich fragt: „Und, gefällt es dir hier, Schatz?“
„Ja, supi!“
Frau Weiss verabschiedet sich noch: „Franziska, ich würde mich freuen, falls du bald wiederkommst! Eine schöne Heimreise!“ Meine Mutter und Frau Weiss verabreden, am Telefon weitere Details zu besprechen.
Wir fahren zum Aufzug und ins Erdgeschoss. Beim Öffnen der Aufzugtür fällt mein Blick wieder auf Gaeton und ich gucke verlegen weg.
„Komm, lass uns endlich gehen!“, raune ich Mama an. Draußen vor dem Gebäude angekommen, gestehe ich mir ein, dass er doch ein süßer Typ ist. Vor lauter Aufregung fahre ich vor den Baum und stoße mir die Stirn.
Mama schaut nicht schlecht: „Was machst du denn da? Willst du etwa den Baum küssen?!“
Ich