Sei höflich zu deinem Hund!. Masih Samin
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Kommunikation beginnt mit dem Moment der Geburt und endet erst dann, wenn unser Leben endet. Es ist uns ganz offensichtlich und wie schon gesagt einfach nicht möglich, nicht zu kommunizieren. Vermittelt doch jede Geste, jeder Gesichtsausdruck, jedes gesprochene, aber auch jedes verschwiegene Wort, was wir denken, was uns bewegt, oder auch, was uns nicht interessiert.
Kommunikation ist demnach keine Frage des Willens. Wir kommunizieren und treten damit in Beziehung: zu Menschen, die uns nahe stehen, ebenso wie zu allen anderen Lebewesen um uns herum. Im Laufe unseres Lebens und mit der Zunahme an Erfahrung lernen wir dabei, unsere Gefühle zu verschleiern. Ob wir in Gesellschaft weinen oder lachen, ob wir unsere Freude oder unser Unglück nach außen hin zeigen: Starke Emotionen sind in manchen Kulturkreisen unerwünscht.
»Männer weinen nicht.« »Frauen dürfen nicht in der Öffentlichkeit lachen.« Aus Rücksicht auf solche moralischen »Werte« (woher auch immer sie stammen mögen) unterdrücken wir nicht selten Gefühle, die doch eigentlich eindeutig frei sein möchten. Bei Kindern sieht das noch anders aus. Sie können (und dürfen) noch ungebremst leben und äußern, was sie fühlen – ohne die gesellschaftlichen Tugenden und moralischen Werte der Erwachsenen. Daher sind Kinder Experten der reinen, unverfälschten Kommunikation.
Entsprechend fällt Kindern das Kommunizieren besonders leicht. So wie sie sich selbst ganz natürlich und unverfälscht verhalten, reagieren sie auch auf ihre Mitmenschen: Wenn sie wütend sind, schreien sie »Nein!«, und wenn sie sich freuen, jemanden zu sehen, hört man ihr Juchzen schon von Weitem. Mit anderen Worten: Ihre Gedanken und Gefühle passen zu ihren Handlungen. Das macht ihre Botschaft klar und nachvollziehbar.
Mit jedem Jahr und jeder Erfahrung, die wir im Laufe unseres Lebens machen, wird unsere Kommunikation jedoch komplexer. Wir bekommen schnell mit, was Scham bedeutet, was man lieber offen aussprechen sollte und was nicht. Wir stellen uns darauf ein, Konflikte zu vermeiden – wenn nötig, durch eine Lüge. Oft verschleiern wir unsere wahren Gefühle, sei es aus Rücksichtnahme oder weil es uns unangenehm ist, unsere Gefühle so zu zeigen, wie sie sind. Ein Blick auf das eigene Verhalten macht es deutlich: wir tun oft nicht, was wir sagen, und denken anders, als wir handeln. Wenn man uns fragt, wie es uns geht, werden wir unserem Gegenüber sicher nicht jederzeit die Wahrheit sagen. Allerdings habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass mein Gegenüber die widersprüchlichen Botschaften fast immer bemerkt und das Ganze eher zu Verunsicherung führt. Im schlechtesten Fall versteht man uns ganz falsch. Sätze wie »Wir verstehen uns nicht mehr« oder »Ich habe bei ihm ein komisches Gefühl« kennt jeder. Sie tauchen auf, wenn die Kommunikation verfälscht, wenn das Gesprochene und das Gefühlte nicht übereinstimmen.
»Kommunikation ist an sich kinderleicht.
Trotzdem (oder auch gerade deswegen) fällt sie vielen Menschen umso schwerer, je älter sie werden.«
Hunde sind echte Kommunikationsexperten
Hunde sind diesbezüglich sehr sensibel, viel mehr als wir Menschen selbst. Sie verstehen nicht, was wir sagen, wenn wir es nicht auch genauso meinen. Sie lesen sehr bewusst zwischen den Zeilen und erahnen undeutliche Signale. Was aber das Wichtigste ist: Unsere widersprüchlichen Zeichen lassen uns auf sie unfähig wirken. Unfähig uns mitzuteilen, unfähig, Entscheidungen bewusst zu treffen.
Dass wir uns falsch verstehen, kann aber auch noch ganz andere Gründe haben, denn Kommunikation hat in jeder Kultur ihre eigenen Feinheiten und ungeschriebenen Gesetze. Persönlich musste ich diese Erfahrung zum ersten Mal mit fünf Jahren machen – und auch in den folgenden Kinder- und Jugendjahren war mein Leben geprägt von der Verständigung mit Fremden, von anderen Sitten und Gebräuchen. Meine Eltern zogen in dieser Zeit mit mir von Afghanistan erst nach Pakistan, von dort dann nach Moskau und schließlich in die Stadt, in der ich mich seit nun 24 Jahren zu Hause fühle: Köln.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass in Afghanistan Besucher zuerst meinen Vater begrüßten und dann meine Mutter. Dass sich die Frauen unterhielten, während sie sich um die Kinder und das Essen kümmerten, wohingegen die Männer über die Arbeit sprachen und Tee tranken. Ich erinnere mich auch, wie aufgelöst meine Eltern waren, als man ihnen in Russland zum ersten Mal den erhobenen Daumen entgegenstreckte. Das war für sie wohl eine vulgäre Geste. Die Varietät ist eben vielfältig. Gesten können Zustimmung oder Ablehnung vermitteln, sie können ein Gruß sein oder einer politischen beziehungsweise religiösen Haltung Ausdruck verleihen. Oder einer sozialen Zugehörigkeit …
Kommunikation ist Überleben. Es geht darum, in einer bestehenden Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Es geht darum, verstanden zu werden und zu verstehen. Es geht um Integration. Und das gilt nicht nur für verschiedene Kulturen, sondern auch für verschiedene Spezies wie Mensch und Hund.
Ich hatte schon immer eine ganz besondere Beziehung zu Hunden. Das hat mir letzendlich auch geholfen, Mädchens Herz zu erobern.
EINE BESONDERE VERBINDUNG – VON ANFANG AN
Bei den vielen und oft neuen Kontakten, die ich im Lauf meines Lebens hatte, gab und gibt es eine Beziehung, die mich von klein auf besonders berührte und beschäftigte: die zu Hunden. Schon als kleiner Junge in Afghanistan hatte ich einen besonderen Kontakt zu den Straßenhunden dort, und später in Deutschland war ich – zu der Zeit noch ohne eigenen Hund – bei unseren Nachbarn bald als der Hundejunge bekannt, was mir meinen ersten Job, als Dogwalker einbrachte.
Ich musste mich in meiner Kindheit immer wieder bemühen, verschiedene Sprachen zu lernen. Ich werde zum Beispiel nie vergessen, wie irritiert ich war, als ich von der Doppeldeutigkeit des Begriffs Eselsohr erfuhr. Als wir 1994 nach Deutschland zogen, bekam mein Vater nach wenigen Wochen mit, wie ich mich mit gleichaltrigen Nachbarskindern unterhielt. Er war irritiert, was genau ich da eigentlich sprach. Er hörte, dass es wenig mit der deutschen Sprache zu tun hatte. Wie auch, ich sprach, in welcher Form auch immer, Jugoslawisch mit ihnen. Allein auf mich gestellt lernte ich schnell bestimmte Begriffe – und das reichte aus, um mich im Spiel den anderen Kindern mitzuteilen. Mein Vater jedoch war sehr bemüht, dies zu unterbinden. Er wollte natürlich, dass ich schnell Deutsch spreche. So begann ich, in Deutschkursen und mit der Hilfe anderer deutschsprachiger Kinder, diese facettenreiche Sprache zu verstehen und zu benutzen. Gar nicht so einfach! Es war wesentlich leichter für mich, mit den Hunden zu kommunizieren. Ich fühlte einfach, um zu verstehen.
Dem Geheimnis auf der Spur
Die Hundehalter, die nicht selten das ein oder andere Problem mit ihren Vierbeinern hatten, waren erstaunt über mein entspanntes Verhältnis zu den Tieren, und ich wurde immer wieder gefragt, was denn mein Geheimnis im Umgang mit ihnen sei.
Dass ich in der Gegenwart von Hunden besonders viel Freude hatte, war mir selbst auch schon aufgefallen. Genauso, dass die Hunde in meiner Gegenwart ebenfalls sehr entspannt waren. Als Hüter eines grandiosen Geheimnisses sah ich mich deswegen allerdings nicht. Hatte ich doch einfach nur gefühlt, wie es ihnen geht, wie sie sich verhalten. Und darauf reagiert. So, wie ich von klein auf gelernt habe, bei den Menschen, deren Sprache ich nicht verstand, genau hinzuschauen und auf mein Gefühl zu hören: Wie verhalten sie sich? Was zeigt ihre Gestik? Was ihre Mimik? Passt das zu dem, was ich fühle?
Ich trat also in Kommunikation. Mit Menschen ebenso wie mit Hunden. Dabei erschien mir die Kommunikation mit Letzteren lange Zeit sehr viel einfacher, beherrschten sie doch im Gegensatz zu den Menschen offenbar eine allgemeingültige Sprache. Dagegen musste ich mich in jedem neuen Land erst zurechtfinden. Nicht nur die Sprache war eine andere, es regelten auch verschiedene Verhaltenscodes