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was ich dir als erstes zeigen werde!«

      Ich schüttelte Johns Arm ab. »Wenn du meinst«, sagte ich freudlos. »Ich wäre dir allerdings dankbar, wenn du dich mit deinen Zutraulichkeiten etwas zurückhalten würdest. Ich bin sehr verwirrt und muss mir über meine Gefühle erst im klaren sein.«

      John machte ein gekränktes Gesicht. »Ich werde deinen Wunsch respektieren«, sagte er zerknirscht. »Aber dafür verlange ich, dass du Gwendolyns Anweisungen befolgst. Ich möchte, dass du dich so schnell wie möglich wieder an alles erinnerst, auch daran, wie sehr du mich geliebt hast!«

      John sah mich eindringlich an. Ich drehte mich demonstrativ zur Seite und erstarrte.

      An der Wand vor mir hing ein altes, stark gedunkeltes Gemälde, das mir zuvor nicht aufgefallen war. Nun sah ich es um so deutlicher, zumal gerade ein verirrter Sonnenstrahl durch das Fenster drang und direkt auf das Bild fiel.

      Auf dem Gemälde war ein blasser Junge dargestellt. Er trug einen altertümlichen Mantel mit einer Doppelreihe schimmernder Messingknöpfe. Sei n lockiges, schulterlanges Haar sah sehr gepflegt aus und glänzte vor Pomade.

      Es bestand kein Zweifel. Der Junge auf dem Gemälde war mit dem gespenstischen Kind identisch, das ich heute morgen auf der Burgzinne gesehen hatte!

      6

      »Was hast du plötzlich, Brenda?«, erkundigte sich Gwendolyn besorgt. Sie wedelte mit der Hand vor meinen Augen herum, so als befürchtete sie, ich wäre geistig weggetreten.

      »Es... es ist nichts«, behauptete ich und riss mich gewaltsam von dem Anblick des Knabenportraits los.

      Gwendolyn warf John einen raschen Seitenblick zu, der mir nicht entging. Anscheinend machte sie sich plötzlich große Sorgen um mich.

      »Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«, fragte Gwendolyn.

      »Du hast ausgesehen, als wäre dir gerade ein Gespenst über den Weg gelaufen.«

      Unbehaglich zuckte ich mit den Achseln. Die seltsame Begebenheit auf dem Burghof stand mir wieder deutlich vor Augen. Noch immer war es mir unerklärlich, warum der Junge sich plötzlich in Nebel aufgelöst hatte, als er von dem Wehrgang stürzte.

      Hatte ich bei dem Unfall mit meinem Pferd am Ende doch einen größeren Schaden davongetragen? Gwendolyns alarmierter Seitenblick, den sie John zugeworfen hatte, ließ mich vermuten, dass ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.

      »Es ist dieses Bild«, sagte ich gedehnt und richtete meinen Blick unwillkürlich wieder auf den blassgesichtigen Jungen auf dem Gemälde. »Der Junge, der darauf abgebildet ist, kommt mir bekannt vor.«

      Noch war ich mir nicht sicher, ob ich Gwendolyn wirklich vertrauen konnte. Ich hielt es daher vorerst für besser, den mysteriösen Vorfall mit dem Jungen für mich zu behalten.

      »Du kannst diesen Jungen unmöglich kennen«, platzte es aus John hervor. »Er ist seit über dreihundert Jahren tot!«

      »Wer war dieser Junge?«, fragte ich.

      »Sein Name lautet Charles Macer«, erklärte John, sichtlich um Geduld bemüht. »Er war der letzte Spross der Adelsfamilie, die Danmoor Castle bewohnte, bevor es von meiner Familie übernommen wurde.«

      John legte mir eine Hand auf die Schulter. »Komm jetzt, Brenda«, sagte er bestimmend. »Ich werde dir jetzt ein paar Artefakte zeigen und du sagst mir, was du darüber weißt. Vielleicht kehrt deine Erinnerung dann ja Stück für Stück wieder zurück, wie Gwendolyn es gesagt hat.«

      Ich nickte und wandte mich schaudernd von dem Gemälde ab. Nun, da ich wusste, wer der mysteriöse Junge war, kam es mir nur noch viel seltsamer vor, dass ich ihm im Burghof begegnet war.

      Plötzlich hatte ich es eilig, den Blauen Salon zu verlassen. Der Junge auf dem Portrait war mir unheimlich. Noch viel unheimlicher als die Tatsache, dass ich alle Erinnerungen an mein Leben verloren hatte.

      7

      John hatte uns in die Bibliothek von Danmoor Castle geführt. Gwendolyn wollte mich genau beobachten, wie si e sagte und John unterstützen, damit ich meine Erinnerung so rasch wie möglich wieder zurückerlangte.

      Dass ich genau darauf gar nicht so erpicht war, schienen die beiden überhaupt nicht zu bemerken. Gwendolyn und John hingegen versprachen sich von der bevorstehenden > Behandlung< offensichtlich sehr viel. Geschäftig eilten sie in der Bibliothek umher und bereiteten alles vor.

      Leider war Gwendolyn für meine zwiespältigen Gefühle überhaupt nicht zugänglich. Sie musste eine sehr oberflächliche Frau sein, wenn es ihr als meine allerbeste Freundin entging, was wirklich in mir vorging.

      Vielleicht war ich in meinem Leben aber genau so oberflächlich gewesen wie Gwendolyn. Wenn ich mich in einen Mann wie John Severen hatte verlieben können, war auch nicht auszuschließen, dass ich vor meinem Unfall eine ganz andere Frau, mit einem völlig anderen Gefühlsleben gewesen war, als es offensichtlich jetzt der Fall war.

      Der Anblick der unzähligen antiken Bücher, die in reichverzierten Regalen standen, die so hoch waren, dass sie bis an die Decke stießen, versetzten mich in einen wahren Freudentaumel. All meine Probleme waren plötzlich wie weggewischt. Stattdessen schritt ich nun voller Andacht die Regalreihen ab und ließ meinen Blick ehrfürchtig über die alten Buchrücken und Pergamente schweifen.

      Die Bibliothek umfasste nicht nur eine Sammlung der wichtigsten Werke der Weltliteratur, es waren auch äußerst seltene und kostbare Bücher darunter, die sich mit Magie, Okkultismus und übersinnlichen Phänomenen beschäftigten.

      Nachdem ich einige Regale abgeschritten hatte, stellte ich sogar fest, dass die Werke mit spirituellem Inhalt die der Weltliteratur zahlenmäßig bei weitem übertrafen. Die Bibliothek von Danmoor Castle war ein fast unerschöpflicher Quell übersinnlichen Wissens!

      Verwundert drehte ich mich zu John um.

      »Das... das ist einfach überwältigend«, stammelte ich. »All diese Bücher über Okkultismus und Magie stellen einen unschätzbaren Wert dar. Jedes Museum würde sich die Finger danach lecken.«

      John seufzte entnervt. »Fang bloß nicht wieder mit deinen Museumssprüchen an«, meinte er grimmig. »Niemals würde ich es dulden, dass auch nur ein einziges Werk aus meiner Bibliothek in einem Museum verschwindet. Diese Bücher gehören mir!«

      Missbilligend kräuselte ich die Stirn und ich fragte mich unwillkürlich, wie ich all die Jahre zwischen diesen Kostbarkeiten gelebt haben konnte, ohne den Versuch zu unternehmen, meinen Mann dazu zu überreden, seine unschätzbare Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder sie einem Museum zu stiften.

      John trat auf mich zu und lächelte gezwungen. »Es freut mich zu sehen, wie sehr dir meine Bibliothek gefällt«, meinte er. »Du hast dich immer sehr gerne hier aufgehalten und konntest stundenlang damit zubringen, in alten Folianten zu blättern.«

      Ich schaute die Regale an und nickte. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte ich schwärmerisch. »Ich liebe alte Bücher.«

      »Dann ist dies ja genau der richtige Ort, um mit unserem kleinen Experiment zu beginnen«, erklärte Gwendolyn gut gelaunt. »John, zeige Brenda jetzt eines ihrer Lieblingsartefakte. Bestimmt wird sie sich daran genauso

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